Der Zweck heiligt die Mittel?

Wie misst man Pro­jekt­er­folg? Da wäre zunächst die Qua­li­tät der Ergeb­nis­se und die Zufrie­den­heit des Auf­trag­ge­bers damit. Gera­de wegen die­ser Ergeb­nis­se wur­de das Pro­jekt gestar­tet und durch­ge­führt. Nicht min­der wich­tig sind aber die ande­ren bei­den Sei­ten des magi­schen Drei­eck: Zeit und Kos­ten. Was nützt das schöns­te Ergeb­nis, wenn es zu spät kommt oder den Auf­trag­ge­ber rui­niert. Reicht es aber das erwar­te­te Ergeb­nis in der ver­spro­che­nen Zeit und zu den ver­ein­bar­ten Kos­ten abzu­lie­fern? Ist der Auf­trag­ge­ber dann auto­ma­tisch zufrie­den? Theo­re­tisch: ja – prak­tisch: nein.

Die Logik ist bestechend und gera­de unter Inge­nieu­ren und Tech­ni­kern weit ver­brei­tet: Der Auf­trag­ge­ber hat alles bekom­men, was er erwar­te­te, also muss er zufrie­den sein. Die­se Glei­chung stimmt dann, wenn tat­säch­lich alle Erwar­tun­gen des Auf­trag­ge­bers bekannt wären. Schwie­rig genug ist es schon auf der rei­nen Sach­ebe­ne der Anfor­de­run­gen an den Pro­jekt­ge­gen­stand alle Erwar­tun­gen zu ken­nen, völ­lig unrea­lis­tisch ist es aber auf der Bezie­hungs­ebe­ne. Jeder Mensch hat hier sei­ne eige­nen Vor­stel­lun­gen und meist unaus­ge­spro­che­nen Erwar­tun­gen, wie er wäh­rend der Pro­jekt­ar­beit behan­delt wer­den möchte.

Als wir vor Weih­nach­ten unser neu gebau­tes Haus von unse­rem Bau­trä­ger pünkt­lich und zu den ver­ein­bar­ten Kos­ten über­ge­ben beka­men, waren wir sehr zufrie­den mit der Qua­li­tät des Ergeb­nis­ses. Und trotz­dem ent­täuscht. Wie kann das sein? Wir fühl­ten uns wäh­rend der gesam­ten Bau­zeit nicht so ein­ge­bun­den, wie wir uns das erwar­tet hät­ten und auch mehr­fach ein­ge­for­dert hat­ten. Wie schon berich­tet, hat­ten wir eher das Gefühl Bitt­stel­ler oder Stör­fak­tor zu sein. Auf Anfra­gen zu Pro­ble­men und Feh­lern die uns wäh­rend der Bau­zeit auf­fie­len, wur­de nur sehr zöger­lich reagiert und dann auch in einer eher abweh­ren­den Wei­se. Und das bei einem Bau­trä­ger der sich das Mot­to „Ver­trau­en erle­ben“ auf die Fah­nen geschrie­ben hat. Statt­des­sen haben wir erlebt, wie man Ver­trau­en verspielt.

In Anbe­tracht vie­ler Hor­ror­ge­schich­ten über ande­re Bau­vor­ha­ben und Bau­trä­ger ist das natür­lich Jam­mern auf sehr hohem Niveau. Den­noch ist es ein gutes Bei­spiel, wie und war­um ein Auf­trag­ge­ber gleich­zei­tig zufrie­den und unzu­frie­den sein kann am Ende eines Pro­jekts. Der Zweck hei­ligt eben nicht die Mit­tel. Tol­le Ergeb­nis­se sind das eine. Ein wert­schät­zen­des und zu den betei­lig­ten Men­schen pas­sen­des Vor­ge­hen das ande­re. Ers­te­res ist Pflicht, letz­te­res die Kür. Da wir (im Gegen­satz zu unse­rem Bau­trä­ger) mit unse­ren Kun­den lang­fris­tig zusam­men­ar­bei­ten wol­len, legen wir gro­ßen Wert dar­auf, dass Pflicht und Kür gelin­gen. Wir wol­len ver­ste­hen, wel­che Erwar­tun­gen die Auf­trag­ge­ber auch und gera­de jen­seits der Sach­ebe­ne haben. Wie wol­len sie ein­ge­bun­den wer­den? Was befürch­ten sie? Was erwar­ten sie?

Bild­nach­weis: Das Bild habe ich vor etwa einem Jahr in She­n­yang auf­ge­nom­men. Es zeigt den Blick aus mei­nem Hotel­fens­ter auf eine der unzäh­li­gen Bau­stel­len der rasant wach­sen­den chi­ne­si­schen Indus­trie­stadt Shenyang.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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