Jeder spricht davon. Jeder will sie. Für sein Unternehmen, seine Abteilung, sein Projekt. In unseren schnelllebigen Zeiten großer Veränderung mehr denn je. Die Rede ist von Kreativität. Wir brauchen kreative Lösungen für unsere drängenden Probleme, heißt es dann. Ob nun für das nächste Produkt, Projekt, Kampagne, für was auch immer. Kreativität befohlen. Nur funktioniert das genauso wenig wie ein »Sei spontan!«. Was also ist Kreativität? Was fördert sie und was verhindert sie? Eine Schulstunde über Kreativität mit John Cleese.
Es is schwierig zu definieren was Kreativität ist. Jedenfalls etwas ganz besonderes und ganz besonders menschliches. Etwas das uns schon in die Wiege gelegt wird. Etwas einfacher ist es schon zu beschreiben, was Kreativität nicht ist. Kreativität ist kein Talent, keine Fähigkeit, die jemand hat oder eben nicht hat. Sie hat nachweislich auch nichts mit Intelligenz zu tun. Kreativität ist vielmehr ein spezieller Arbeitsmodus des menschlichen Gehirns, den jeder hat, den aber nicht jeder gleich häufig benutzt.
Every child is an artist, the problem is staying an artist when you grow up.
– Pablo Picasso
John Cleese nennt das in seinem sehens- und hörenswerten Vortag im folgenden Video den »open mode« und unterscheidet ihn vom »closed mode«. Letzterer ist unser normaler Arbeitsmodus, der im Industriezeitalter geprägt und gefördert wurde: unter mehr oder weniger Druck müssen zielgerichtet Ergebnisse erzeugt werden; geprägt ist dieser closed mode von der Angst es nicht rechtzeitig zu schaffen oder Fehler zu machen. Das kennen wir alle zur Genüge seit frühester Schulzeit. Aber auch den open mode kennen wir alle aus der Zeit davor: Zielfreies, neugieriges Spielen und Experimentieren; entspannt und ohne Druck. Das ist der Arbeitsmodus in dem neue Ideen geboren werden, in dem die uns allen eigene natürliche Kreativität zu Tage treten kann.
Leider ist unser Schulsystem und unsere heutige Arbeitswelt darauf ausgerichtet uns genau diese spielerische Neugier abzutrainieren. Wir bleiben im closed mode hängen. Es kommt also darauf an bei Bedarf in den open mode wechseln zu können, um neue Ideen zu finden, die dann im closed mode zielgerichtet und effizient umgesetzt werden. Im Video nennt John Cleese folgende fünf Zutaten die es wahrscheinlicher machen, in diesen kreativen Arbeitsmodus zu gelangen:
- Raum: Sich von der normalen Arbeit abschotten; eine ungestörte Oase schaffen.
- Zeit: Das Abschotten braucht einen festen zeitlichen Rahmen; 1,5 Stunden als Richtwert; in dieser Zeit den Geist in einer freundlichen, aber bestimmten Weise am Thema halten.
- Zeit: Sich Zeit nehmen, um sich ausführlich mit dem Problem zu beschäftigen; nicht mit der erst-besten Lösung zufrieden geben; Entscheidungen nicht vorschnell treffen.
- Vertrauen: Keine Angst, Fehler zu machen; einfach Experimentieren
- Humor: Auch und gerade bei ernsthaften Themen, hilft der Humor uns in den open mode zu bringen.
Da Projekte per Definition etwas Neuartiges zum Ziel haben, sollte Kreativität selbstverständlich als ein wesentlicher Erfolgsfaktor gelten. Erfolgreiche Projektmanager haben die Fähigkeit das Team bei Bedarf in einen solchen open mode zu führen, beispielsweise zu Beginn des Projekts zur Lösungsfindung oder in jeder Iteration oder Sprint.
Wenn man sich aber als Manager unersetzlich machen will, dann sollte man allerdings die Geheimnisse der Kreativität unbedingt für sich behalten und jeden Funken Kreativität im Team unterbinden, schließlich sollen die Mitarbeiter arbeiten und nicht träumen. Kreativitätsapartheid nennt Gary Hamel das. Am besten erreicht man das indem man
- jede Form von Humor unterbindet (»Wir sind hier nicht zum Spass!«),
- systematisch das Selbstvertrauen der Mitarbeiter untergräbt und hemmungslos Kritik übt (»ned g’schimpft is g’lobt genug«)
- möglichst viel Druck erzeugt (»Zeit ist Geld«).
Bildnachweis: Das Artikelbild wurde von opensourceway unter dem Titel „Is the traditional business world at war with creativity? (high res)“ auf Flickr unter eine Creative Commons Lizenz (CC BY-SA 2.0) veröffentlicht.
6 Kommentare
Sehr schlüssig zusammengefasst – das gibt eigentlich jedem/r Hoffnung, die eigene Kreativität zur Wirkung zu bringen. Vielleicht gehört auch noch etwas Übung und Geduld dazu, diesen open mode bei sich hervorzurufen – oder besser: zuzulassen.
Für die sichere Unterbindung von Kreativität bei den MitarbeiterInnen gibt’s noch einen vierten sehr wirkungsvollen Tip an das verantwortungsbewusste Management: „Bei uns können Sie machen, was Sie wollen – aber sagen Sie’s mir vorher, damit nichts passiert!“ Wirkt unfehlbar gegen jedwedes dilletantische Herumexperimentieren – wir wollen doch professionell vorgehen, nicht wahr?-)
Beste Grüße
Leo
Der vierte Punkt ist echt gut und leider so oft Realität! Wie heißt es so schön: „If you want to achieve greatness, stop asking for permission!“
Interessanter Artikel … – als Impuls an einen „bedürftigen“ Manager-Kollegen weitergeleitet ;-)
Zu
> 3. Zeit: Sich Zeit nehmen, um sich ausführlich mit dem Problem zu beschäftigen; nicht mit der erst-besten Lösung zufrieden geben; Entscheidungen nicht vorschnell treffen.
zur Kreativitätsförderung hat sich eines „meiner“ Teams im Herbst „zur Pflicht gemacht“ immer +mindestens+ drei Lösungsvorschläge zu untersuchen und erst dann, nach Abwägung der entscheidenden Aspekte, den günstigsten umzusetzen (war anfänglich etwas holprig – Blockaden, Komfortzonen und eingefahrende Wege mussten verlassen werden – inzwischen ist ein motivations-fördernden Spiel daraus geworden; dort funktioniert es, einfach mal ausprobieren…)
> 4. Vertrauen: Keine Angst, Fehler zu machen; einfach Experimentieren
„Sechs, setzen…“ +lernen+ wir bereits in der Schule:
(den Mut?) Fehler zu machen, etwas ausprobieren, experimentieren sollte „belohnt“ werden; im Kindergarten ist dies – noch – selbstverständlich, in der Schule und im Beruf muss dies dringenst wieder zur Normalität werden.
(„den Mut“, s.o.: interessant, dass ich reflex-artig den Satz so begonnen hatte; man wird halt über Jahrzehnte so geprägt und schreibt dann schon unterbewusst solche eigentlich völlig unsinnigen Einleitungen)
> 5. Humor: Auch und gerade bei ernsthaften Themen, hilft der Humor uns in den open mode zu bringen.
In dem ein oder anderen Scrum-Team erzählen wir uns zu Beginn einen kurzen Witz – zur Einstimmung. Anfänglich etwas aufgesetzt, teils befremdlich, ist dies ein inzwischen lieb gewonnenes, motivierendes Ritual…
CU
Boeffi
Danke für Deinen tollen Kommentar mit so vielen Anregungen aus der Praxis. Man sieht: es geht also auch anders und es geht besser damit, aber es ist zunächst, nach jahrelanger schulischer und beruflicher Prägung, zunächst auch sehr befremdlich.
> In dem ein oder anderen Scrum-Team erzählen wir uns zu Beginn einen kurzen Witz – zur Einstimmung.
da fehlte etwas:
„…zu Beginn +der Dailies+…“
(und der anderen Scrum-„Events“)
CU
Boeffi
Der Aspekt „Was gibt’s hier zu lachen? Habt Ihr nix zu tun?“ ist der Klassiker, den ich in vielen Varianten erlebt habe.
Interessanterweise kann man sich hier als PM zumindest bei seinem Team profilieren, indem man hier dem Chef Contra gibt.
Der Chef ist meistens nicht begeistert, das Team honoriert das aber mit Loyalität.
Im Endeffekt führt das (auch) dazu, daß PM und Team den Humor gegen alle Widerstände durchziehen, und sich die Chefs wundern, warum gerade dieses Team so erfolgreich ist. :o)
Ein „Witzritual“ ist eine tolle Idee. Das wird ncht mit jedem Team klappen, aber dann findet man andere Wege.
Meist ergibt sich dann ein situationsbezogener Humor inkl. aller denkbaren Insiderwitze aus dem Projekt.
Auch eine Art von Ritual, das sich aber aus dem Team heraus entwickelt.
Viele Wege führen nach Rom…