Meine Entrüstung scheint nun doch zur Gewohnheit zu werden. Leider. Keine Woche nach dem De-Mail Debakel macht nun die Deutsche Telekom ernst mit ihrer schon länger angekündigten Umstellung der Breitbandtarife. Die Flatrate wird de facto abgeschafft. Nach Verbrauch eines Volumens von 75 GByte (bzw. 200 GByte ab VDSL 50), soll die Geschwindigkeit gedrosselt werden auf lächerliche 384 kBit/s. Auch wenn diese versteckte Preiserhöhung einigermaßen ärgerlich ist, skandalös ist etwas anderes. Nicht angerechnet auf das Volumen wird nämlich die Nutzung von Entertain (IPTV), also dem Fernsehen via Internet über die Telekom. Damit wird erstmals die die sogenannte Netzneutralität im großen Stil verletzt, weil der Transport der Daten mit zweierlei Maß gemessen wird.
Warum ist mir Netzneutralität so wichtig? Als Entertain-Kunde der Telekom mit VDSL 50 könnte mir das alles herzlich egal sein. Ist es mir auch in dem konkreten Fall. Es geht mir ums Prinzip. Ich mag die Idee, dass jeglicher Datenverkehr im Internet gleich behandelt wird. Es ist brandgefährlich, wenn große Konzerne wie die Telekom bestimmen dürfen, welcher Service im Internet bevorzugt behandelt werden soll. Das raubt dem Internet viel seiner disruptiven Energie, weil es dadurch viel schwieriger wird als kleines Startup gegen die großen Konzerne zu bestehen. Nehmen wir den konkreten Fall eines kleinen Unternehmens, das seine Kunden mit einem Konkurrenzangebot für Entertain versorgen will. Nehmen wir weiterhin an, dieses kleine Unternehmen hätte ein innovatives und überlegenes Konzept für Fernsehen via Internet. Würde diesem Unternehmen ab heute aber nicht mehr viel nutzen, denn die Telekom sitzt am längeren Hebel und der Kunde hat das Nachsehen, weil die Nutzung des Dienstes des kleinen Startups voll auf das Volumen angerechnet wird, ist es für Kunden deutlich unattraktiver als das Entertain Paket der Telekom. De facto nutzt die Telekom ihre Monopolstellung hinsichtlich des Netzes aus, um sich im höherwertigen Markt der Dienstleistung im Internet abzusichern.
Die privatwirtschaftlich organisierte Deutsche Telekom erbt vom ehemaligen Staatsunternehmen Deutsche Post das durch Steuergelder finanzierte Telefon- und Glasfasernetz. Das baut die Telekom nicht aus. Der Bedarf an breitbandigem Internet steigt aber. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Das Netz ausbauen oder den Mangel verwalten und zum Geschäftsmodell machen. Die Telekom hat sich für letzteres entschieden. […] Das ist ungefähr so, als würden wir der Telekom das Straßennetz geben, die lässt es dann verwahrlosen und führt dann eine Maut ein, um die Spuren benutzen zu können, die noch funktionieren.
Aus Sicht der Telekom kann ich das alles nachvollziehen. So wie ich auch verstehen konnte, dass Microsoft damals versuchte, Windowsnutzer an den hauseigenen Internet Explorer zu binden. Und so wie wir heute alle die Wahl haben zwischen verschiedenen Browsern auch und gerade unter Windows, möchte ich morgen nicht in einer Welt aufwachen, wo mir der Netzbetreiber vorschreibt welche Dienste ich nutzen kann und welche nicht. Wo sind die Politiker (außerhalb der Piratenpartei) die dagegen einschreiten? Dieser scheinbar so unwichtige Schritt der Telekom ist der Anfang einer Katastrophe der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Ihr wollt meine Stimme, verehrte Volksvertreter? Netzneutralität und Breitbandausbau sind die Stichworte. Wehret den Anfängen.
(Bildnachweis: Das Artikelbild wurde von Dan McKay unter dem Titel „Danger extrême“ auf Flickr unter einer Creative Commons Lizenz (CC BY 2.0) veröffentlicht.)