Das vor kurzem erschienene Buch von Leopold Faltin, vielen gut bekannt als @meincoach auf Twitter, trägt den etwas unscheinbaren Titel „Erfolgreich führen in Netzwerken: Gemeinsamkeit gestalten“ (Amazon Affiliate Link). Es geht jedoch um die zentrale Fertigkeit unserer Zeit: Laterales Führen, also dem Führen ohne Weisungsbefugnis. Wie übernimmt man diese Führung wenn es darauf ankommt? Wann und wie lässt man sich durch andere führen? Welche Regeln gelten in diesem Wechselspiel der Kräfte? Das alles sind Fragen, die in diesem auch und gerade für Projektmanager sehr empfehlenswerten Buch verständlich, präzise und anschaulich beantwortet werden.
Führung heißt Bedingungen zu gestalten, unter denen alle Geführten koordiniert, freiwillig und dauerhaft zu ihrer besten Leistung im Sinne der mit der Führungsperson vereinbarten Ziele kommen. (S. 28)
Der inflationäre Einsatz von Projekten ist charakteristisch: viele Herausforderungen können nicht mehr innerhalb der starren Linienorganisationen bewältigt werden. Netzwerke, abteilungs- und organisationsübergreifend, sind notwendig, werden gebildet oder bilden sich spontan, um ihrer Herr zu werden. In diesen Netzwerken sind klassisch-hierarchisch legitimierte Formen der Führung schlicht nicht verfügbar. Und dennoch entsteht Führung in solchen Netzwerken. Wir erleben es täglich. Wie und unter welchen Bedingungen Führung übernommen wird, erklärt Leopold Faltin anschaulich.
Grundelement der Zusammenarbeit von Menschen ist der Interessensausgleich. Im lateralen Führen ist er das grundlegende Instrument, andere Menschen ins Boot zu holen. (S. 49)
Wie übt man Führung in diesem Szenario aus? Wie setzt man Ziele richtig? Wie delegiert man Aufgaben richtig? Was motiviert und was demotiviert? Wie etabliert man eine konstruktive Fehlerkultur? Alles Fragen die auch in hierarchisch-geordneten Strukturen in Zeiten zunehmender Wissensarbeit immer wichtiger werden:
The management of knowledge workers should be based on the assumption that the corporation needs them more than they need the corporation. (…) They have both mobility and self-confidence. This means they have to be treated and managed as volunteers.
–Peter F. Drucker, Management Rev Ed., S. 56
In meiner Situation, in der ich als Projektmanager oder in losen Netzwerken wie openPM immer wieder diese Art von Führung übernehme und so gut wie nie über formale Weisungsbefugnis verfüge, war das Buch für mich Coaching in Papierform. Ich habe viele Denkanstöße erhalten und neue Einsichten gewonnen (z.B. dass der Führungsspanne Grenzen gesetzt sind). Vieles mache ich wohl intuitiv schon, aber erst jetzt nach der Lektüre ist es für mich einer bewussten Reflexion zugänglich. Sicherlich werde ich das Buch von Zeit zu Zeit wieder zur Hand nehmen und situativ einzelne Aspekte nachlesen, wozu sich das Buch durch seine klare Struktur und durch farblich gekennzeichnete Zusammenfassungen hervorragend eignet. Eine klare Leseempfehlung.
2 Kommentare
Danke für diese sorgfältig überlegte Rezension, Marcus – und ganz besonders für das Drucker-Zitat: ja, gerade für WissensarbeiterInnen ist das ein wichtiger Gesichtspunkt; der achtsame, wertschätzende Umgang mit diesen Menschen ergibt sich im lateralen Führen wie von alleine.
Beste Grüße
Leo
Danke für das großartige Buch: Ich hatte wirklich ganz viele Aha-Erlebnisse beim Lesen und werde sicherlich noch viel Nutzen davon ziehen können. Mein Glück ist nur, dass ich eigentlich gar nichts anderes kenne als laterale Führung. Ob es wohl in einigen Jahrzehnten etwas analoges wie die Digital-Natives geben wird, also Menschen für die diese Art der Führung etwas völlig Normales ist, weil sie die steifen Hierarchien des Industriezeitalters nicht mehr kennen?