Und hinter tausend Projekten keine Welt

Wir leben in Zei­ten in denen es »nor­mal ist, dass vie­les anders ist und immer schnel­ler anders wird« (Karl-Heinz Geiß­ler). Trä­ge Märk­te mit effi­zi­en­ten Pro­zes­sen mana­gen, die Sta­bi­li­tät pla­nen und ver­wal­ten, das alles war ges­tern. Und kommt viel­leicht wie­der über­mor­gen. Heu­te ist Ver­än­de­rung. Also machen wir Pro­jek­te. Vie­le davon. Mir ist als ob es tau­send Pro­jek­te gäbe und hin­ter tau­send Pro­jek­ten kei­ne Welt.

Sein Blick ist vom Vor­über­gehn der Stäbe
so müd gewor­den, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tau­send Stä­be gäbe
und hin­ter tau­send Stä­ben kei­ne Welt. 

Pro­jek­te sind längst nicht mehr die Aus­nah­me, sie sind die Regel. Zuviel Ver­än­de­rung. Was aber, wenn unser Pro­jekt­ma­nage­ment dafür nicht passt? Was, wenn es nur in einem ansons­ten sta­bi­len Umfeld funk­tio­niert, in dem das Pro­jekt die Aus­nah­me ist?

Der wei­che Gang geschmei­dig star­ker Schritte,
der sich im aller­kleins­ten Krei­se dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein gro­ßer Wil­le steht. 

Wir dre­hen uns im aller­kleins­ten Krei­se klas­si­schen Pro­jekt­ma­nage­ments. Unser Wil­le zur Ver­än­de­rung betäubt durch For­ma­li­en und Stan­dards. Kraft und Krea­ti­vi­tät sinn­los verschwendet.

Pro­jekt­ma­nage­ment ist der Ver­such, Ver­än­de­rung zu pla­nen und zu ver­wal­ten. Der Ver­än­de­rungs­be­darf wird defi­niert, spe­zi­fi­ziert und kon­zi­piert. Zeit und Kos­ten wer­den ver­ein­bart und geplant. Das Pro­jekt ist erfolg­reich, wenn es den defi­nier­ten Inhalt in time und in bud­get lie­fert. Ver­än­de­rung been­det, zurück zur Tagesordnung.

Leit­mo­tiv ist die Plan­bar­keit. Pro­jek­te im Sin­ne die­ses Ver­ständ­nis­ses von Pro­jekt­ma­nage­ments sind ein­ge­passt in die Struk­tur klas­si­scher, hier­ar­chi­scher Groß­un­ter­neh­men. Ver­än­de­rung wird pas­send gemacht für die Büro­kra­tie der Bud­get­ver­wal­tung und lang­fris­ti­gen Unternehmensplanung.

Was aber, wenn sich die Welt schnel­ler ändert als wir Pro­jek­te der­art geord­net und geplant durch­füh­ren kön­nen? Dann heißt die Maxi­me Fle­xi­bi­li­tät vor Plan­bar­keit. Viel­leicht müs­sen dann Pro­jek­te gar nicht enden oder wenigs­tens kann man das Ende nicht vor­her­sa­gen? Viel­leicht sind Pro­jekt­teams dann eher Ein­greif­trup­pen zur kon­ti­nu­ier­li­chen Ver­bes­se­rung und Ver­än­de­rung? War­um soll­te nicht auch ein Indus­trie­un­ter­neh­men Pro­zes­se und Soft­ware stän­dig wei­ter­ent­wi­ckeln ohne lang­wie­rig Pro­jek­te dafür auf­zu­set­zen ähn­lich wie Goog­le stän­dig sei­ne Diens­te wei­ter­ent­wi­ckelt? Weil es nicht ins Ras­ter klas­sisch orga­ni­sier­ter Indus­trie­un­ter­neh­men passt. Aber deut­lich bes­ser zu deren Umfeld. Die Ent­schei­dung soll­te eigent­lich leicht fallen.

Nur manch­mal schiebt der Vor­hang der Pupille
sich laut­los auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glie­der ange­spann­te Stille
und hört im Her­zen auf zu sein.

Rai­ner Maria Ril­ke. Der Panther.

(Bild­nach­weis: Das Arti­kel­bild wur­de von Woo­dy Hib­bard unter dem Titel „Coun­ty Jail“ auf Flickr unter einer Crea­ti­ve Com­mons Lizenz (CC BY 2.0) ver­öf­fent­licht.)



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Ein Kommentar

Roland Dürre 5. Mai 2013 Antworten

Ich stim­me den Annah­men von Mar­cus abso­lut zu. Vor lau­ter Pro­jek­ten kön­nen die Men­schen sehr oft in vie­len Unter­neh­men den eigent­li­chen Sinn und Zweck des Unter­neh­mens nicht mehr sehen. Aber gibt es da nicht eine alte und klu­ge Rede­wei­se: „Man sieht vor lau­ter Bäu­men den Wald nicht mehr“?

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