Neuland

Ange­la Mer­kel meint also, das Inter­net wäre für uns alle Neu­land. Immer noch. Über 40 Jah­re nach Arpa­net und über 20 Jah­re nach der Ein­füh­rung des World Wide Web. Wenn es wirk­lich so ist und das Inter­net für vie­le Deut­sche immer noch Neu­land ist, dann zeigt das ledig­lich das gigan­ti­sche Ver­sa­gen der deut­schen Poli­tik der letz­ten Jahr­zehn­te. Und es zeigt eine sehr deut­sche Grund­hal­tung: Angst. So deutsch, dass die Ger­man Angst mitt­ler­wei­le als Lehn­wort ins Eng­li­sche über­nom­men wur­de. Nicht alles Neue ist unein­ge­schränkt gut, aber eben auch nicht per se eine Gefahr. Alles bie­tet Chan­cen und Risi­ken. Die Fra­ge ist nur, was man vor­ran­gig sieht. Im Inter­net sah und sieht unse­re Poli­tik, unter­stützt von den Lob­by­is­ten der eta­blier­ten Medi­en, in ers­ter Linie eine Bedro­hung. Das ist das gro­ße Ver­sa­gen unse­rer Regie­rung. Es ist fast nur von Gefah­ren die Rede, sel­ten und erst spät von Mög­lich­kei­ten. Die­se haus­ge­mach­te und in wei­ten Tei­len ein­ge­bil­de­te Ger­man Angst dann zur Recht­fer­ti­gung für staat­li­che Über­wa­chung des Inter­nets im Rah­men von PRISM zu ver­wen­den, wie es Ange­la Mer­kel jüngst tat, ist gro­tesk. Das ein­zi­ge wovor wir Angst haben soll­ten, sind Poli­ti­ker, die regel­mä­ßig unse­re Zukunft verschlafen.



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2 Kommentare

Roland Dürre 21. Juni 2013 Antworten

Lie­ber Marcus, 

der Satz von Frau Mer­kel, dass „das Inter­net ist für uns Neu­land ist“ wäre, ist lei­der eine schlam­pi­ge Abkür­zung oder bei wohl­wol­len­der Bewer­tung eine gelun­ge­ne Meta­pher für ein gene­rel­les Problem. 

Für die Mehr­heit der Poli­ti­ker in Deutsch­land (und wohl auch in der Welt) – und beson­ders derer, die an der Macht sind – ist „der Wan­del in der Gesell­schaft Neuland“. 

Und zwar ein unheim­li­ches und bedro­hen­des Neu­land. Das ist nach mei­ner Mei­nung der Haupt­grund dafür, dass sich Poli­tik immer mehr von den Men­schen ent­fernt und die Wert­schät­zung der Demo­kra­tie schlim­mer Wei­se so sehr leidet. 

Und gleich­zei­tig die Erklä­rung für die immer stär­ker wer­den­den poli­ti­schen Ver­dros­sen­heit vie­ler Bürger.

Also stellt sich wie­der die Frage: 

Ist Frau Mer­kel die authen­ti­sche Poli­ti­ke­rin, die auf sub­li­me Art und Wei­se wie­der mal auf das Pro­blem wenn auch nur meta­pher­haft hinweist 

und/oder

das ein­zig­ar­ti­ge poli­ti­sche Genie, die intui­tiv aber unre­flek­tiert Din­ge von sich gibt, die bei rich­ti­ger Inter­pre­ta­ti­on aber tat­säch­lich den Nagel auf den Kopf trifft? 

Aber die­se Neu­land-Aus­sa­ge hat mir wie­der klar gemacht, war­um sie so beliebt ist und den Herrn Stein­brück wie eine Flie­ge gegen die Wand klat­schen wird …

Also, wen wäh­len wir beide?

Marcus Raitner 21. Juni 2013 Antworten

Zuge­ge­ben: Der Satz „Das Inter­net ist für uns alle Neu­land.“ ist ver­kürzt und aus dem Zusam­men­hang geris­sen. Das ist in der Tat ein wenig schlam­pig und immer auch ein wenig gefähr­lich. Im Zusam­men­hang betrach­tet, wird der Satz aber mei­ner Mei­nung nach noch gefähr­li­cher: Dann ist es näm­lich nicht ein­fach nur die nai­ve Welt­sicht einer Alt­land Poli­ti­ke­rin, son­dern muss als Begrün­dung für ein unge­heu­er­li­che Aus­spä­hung der eige­nen Bür­ger herhalten.

Auch für Dich und für mich war das Inter­net einst das Neu­land, das es für vie­le Poli­ti­ker und wohl auch deren Wäh­ler heu­te immer noch ist, wie Du rich­tig anmerkst. Natür­lich macht das Angst. Auf­ga­be der Poli­tik wäre es mei­ner Mei­nung nach aber uns die­se Angst zu neh­men und vor­ne­weg zu mar­schie­ren anstatt hin­ter­her zu lau­fen. Statt­des­sen ver­brei­tet die Poli­tik und die sich in ihrem Geschäfts­mo­dell bedroh­ten Mas­sen­me­di­en FUD: Fear, Uncer­tain­ty, Doubt. Ich will nur hof­fen und zuguns­ten unse­re Poli­ti­ker anneh­men, dass das kei­ne bewuss­te Stra­te­gie ist, son­dern sie selbst viel­leicht Opfer einer sol­chen Kam­pa­gne durch ent­spre­chen­de Lob­by­is­ten sind.

Nun zur Gret­chen­fra­ge: Wen wäh­len wir also? Die Alter­na­ti­ven machen mich tat­säch­lich par­tei­ver­dros­sen. Kei­ne der Par­tei­en wird mei­ner Lebens­rea­li­tät und Bedürf­nis­sen auch nur annä­hernd gerecht. Zum Bei­spiel: die Land­rats­wahl bei uns im Land­kreis Ebers­berg neu­lich. Vier Kan­di­da­ten von CSU, SPD, Frei­en Wäh­lern und Grü­nen. Die Schwer­punk­te der Pro­gram­me alle ähn­lich aus­ge­rich­tet offen­sicht­lich auf Hand­wer­ker und Ver­ei­ne. Münch­ner Out­back eben. Nir­gends ein zag­haf­ter Ansatz zu neu­en Tech­no­lo­gien, einer Breit­band­in­fra­struk­tur, Start­up-Cen­tern, Co-Working­spaces, etc. Das inter­es­siert mich. Die Pira­ten waren prin­zi­pi­ell ein guter Ansatz, neh­me ich aber so chao­tisch, unstruk­tu­riert und ver­zet­telt wahr, dass ich denen unser Land, also Alt- und Neu­land, nicht anver­trau­en möchte. 

Was bleibt also? Wenn nie­mand wähl­bar ist, müs­sen wir es wohl selbst in die Hand neh­men und in die Poli­tik gehen ;-)

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