Nein, es geht nicht darum, möglichst viele Engagements als Projektleiter zu ergattern. Auch nicht darum, möglichst viele Gewerke projekthaft einem Kunden zu verkaufen. Es geht um das tägliche Präsentieren, Überzeugen, Verhandeln und Verkaufen rund um das Projekt als Projektleiter, im Lenkungskreis, gegenüber den Stakeholdern oder gegenüber dem Team, um nur einige typische Situationen zu nennen. Ein guter Projektleiter muss auch ein guter Verkäufer sein.
Es vergeht keine Woche, in der ich als Projektleiter nicht irgendetwas im Zusammenhang mit einem Projekt verkaufen muss. Das neue iterative Vorgehen zur Absicherung einer kritischen Schnittstelle. Oder Mehraufwände gegenüber dem ursprünglichen Festpreisangebot. Oder unsere Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität in der Migration. Oder eine notwendige Reduzierung der Teamstärke. Oder einfach nur unsere gute Leistung im Lenkungskreis. Überspitzt formuliert kommt es mir so vor, als bestünde Projektleitung einerseits aus dem Verwalten von Excellisten und andererseits im Verkaufen, Verhandeln und Überzeugen.
I have never worked a day in my life without selling. If I believe in something, I sell it, and I sell it hard.
Estée Lauder
Andere Menschen überzeugen zu können und Ideen, Konzepte und Angebote verkaufen zu können, ist eine wesentliche Fertigkeit eines guten Projektleiters. Als Projektleiter hat man in den seltensten Fälle formale Macht, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Was bleibt ist laterale Führung, die Einflussnahme ohne Weisungsbefugnis. Als Projektleiter muss ich stets in vielfältiger Weise Einfluss nehmen, wenn sich das Projekt nach meiner Vorstellung entwickeln soll, wenn ich also meiner Führungsrolle gerecht werden will. Und das heißt in erster Linie, andere effektiv überzeugen zu können. Es geht darum, die Willensbildung im System Projekt eingebettet in diverse umgebende Systeme der Umwelt politisch geschickt zu lenken.
Neben der klassischen Projektmanagementausbildung lohnt sich also auch ein Blick über den Tellerrand hinaus hin zu Präsentations‑, Verkaufs- und Verhandlungstrainigs. Das wichtigste ist und bleibt aber die eigene Experimentierfreude und das Sammeln eigener Erfahrung. Also raus aus der Komfortzone und Situation zum Präsentieren, Verkaufen, Verhandeln suchen und aktiv nutzen. Auch und gerade wenn es eher nicht der eigenen Art entspricht, weil man es beispielsweise bisher als Fachexperte gewohnt war, einfach durch erstklassige Inhalte zu überzeugen und vielleicht das Verkaufen nicht nur scheute sondern sogar verabscheute. Wenn sich immer die beste Idee von selbst durchsetzen würden, hätten wir nicht jahrelang mit DOS und Windows arbeiten müssen.
A mediocre idea that generates enthusiasm will go further than a great idea that inspires no one.
Mary Kay Ash
(Bildnachweis: Das Artikelbild wurde von Nagesh Kamath unter dem Titel „Selling Harleys(?) in Bangalore“ auf Flickr unter einer Creative Commons Lizenz (CC BY-SA 2.0) veröffentlicht.)