Experimentelles Projektmanagement

Was hat sich ver­än­dert in der Pro­jekt­ar­beit, das es gerecht­fer­tigt erschei­nen lässt, vom Zeit­al­ter des post­in­dus­tri­el­len Pro­jekt­ma­nage­ments zu reden? Die rei­ne Grö­ße oder Kom­ple­xi­tät von Pro­jek­ten kann es nicht sein, denn Groß­pro­jek­te gab es schon vor der Begrün­dung von Pro­jekt­ma­nage­ment als stan­dar­di­sier­ter Dis­zi­plin. Eher schon ist es der struk­tu­rel­le Wan­del: Die Ver­la­ge­rung vom pri­mä­ren (Land­wirt­schaft) und sekun­dä­ren (Indus­trie) hin zum ter­tiä­ren Sek­tor (Dienst­leis­tung) ist sta­tis­tisch ein­deu­tig belegt. Immer mehr Men­schen arbei­ten also zu einem immer grö­ße­ren Anteil ihrer Zeit als Wis­sens­ar­bei­ter. Die­ser Wan­del macht vor Pro­jek­ten nicht halt: Der Pro­jekt­ge­gen­stand besteht zu einem immer grö­ße­ren Anteil aus Wis­sens­ar­beit und die Men­schen im Pro­jekt sind zuneh­mend Wis­sens­ar­bei­ter. Um die­sem Wan­del Rech­nung zu tra­gen, braucht es neue Manage­ment­me­tho­den – und der Weg dort­hin ist gepflas­tert mit Experimenten.

Das Ver­ständ­nis von Manage­ment, die Metho­den, die Para­dig­men und das Men­schen­bild sind heu­te noch stark geprägt vom Taylorismus.

Das tay­lo­ris­ti­sche Sys­tem erhob die man­geln­de Aus­bil­dung und Bil­dung der brei­ten Arbei­ter­schaft um 1900 ein­fach zur Dok­trin: Anstatt Arbei­ter zu bil­den oder, wie im Manu­fak­tur- oder Hand­werks­be­trieb, auf­wen­dig zu Meis­tern zu qua­li­fi­zie­ren, wur­de das Den­ken aus dem Pro­duk­ti­ons­pro­zess ver­bannt. Das Den­ken soll­te »min­des­tens eine Hier­ar­chie­ebe­ne« über der eigent­li­chen Fabrik­ar­beit ange­ord­net stattfinden.

Niels Pflä­ging: Kaput­t­op­ti­mie­ren und Tot­ver­bes­sern. Eine Kur­ze Geschich­te des Manage­ments als Scharlatanerie.

Das pass­te »zu den neu ent­ste­hen­den, wei­ten und trä­gen Märk­ten des Indus­trie­zeit­al­ters wie ein Maß­an­zug« (Niels Pflä­ging: ebd.). Und passt heu­te nicht mehr: weder zu den Märk­ten noch zur Arbei­ter­schaft, die zuneh­mend aus Wis­sens­ar­bei­tern besteht.

The most important, and inde­ed the tru­ly uni­que, con­tri­bu­ti­on of manage­ment in the 20th Cen­tu­ry was the fif­ty-fold increase in the pro­duc­ti­vi­ty of the manu­al worker in manu­fac­tu­ring. […] The most important con­tri­bu­ti­on of manage­ment in the 21st cen­tu­ry will be to increase know­ledge worker pro­duc­ti­vi­ty – hop­eful­ly by the same per­cen­ta­ge. […] The methods, howe­ver, are total­ly dif­fe­rent from tho­se that increased the pro­duc­ti­vi­ty of manu­al workers.

Peter F. Dru­cker. Manage­ment Chal­lenges for the 21st Cen­tu­ry. Har­per­Busi­ness, 1999.

Beson­ders wich­tig dabei die Fest­stel­lung, das wir völ­lig ande­re Metho­den benö­ti­gen wer­den, um Wis­sens­ar­bei­ter erfolg­reich und pro­duk­tiv ein­zu­set­zen. Mit mar­gi­na­len Wei­ter­ent­wick­lun­gen gän­gi­ger Manage­ment­me­tho­den ist es also nicht getan: wir brau­chen radi­ka­le Neuerungen.

Da noch nicht bekannt ist, wel­che Metho­den im Zeit­al­ter der Wis­sens­ar­beit ange­mes­sen und erfolg­reich sein wer­den, muss expe­ri­men­tiert wer­den mit neu­en Manage­ment­mo­del­len. Auch und gera­de in Pro­jek­ten. Zu Beginn des Zeit­al­ters des post­in­dus­tri­el­len Pro­jekt­ma­nage­ments steht also eine Pha­se expe­ri­men­tel­len Pro­jekt­ma­nage­ments. In die­ser Pha­se weni­ger hilf­reich sind Stan­dards und die »Ver­do­sung des Pro­jekt­ma­nage­ments« (vgl. Olaf Hinz, Jan A. Poc­zy­nek: Wider die zuneh­men­de Ver­do­sung des Pro­jekt­ma­nage­ments. Orga­ni­sa­ti­ons­Ent­wick­lung Nr. 1, 2011):

Mit­tels Stan­dar­di­sie­rung – Tay­lor und sei­ne Schü­ler spra­chen von »One Best Way«, dem »einen bes­ten Weg«, den es auf­zu­spü­ren, zu beschrei­ben und vor­zu­schrei­ben galt – soll­te es mög­lich wer­den, das Den­ken auch in zeit­li­cher Hin­sicht von der Aus­füh­rung zu entkoppeln.

Niels Pflä­ging: Kaput­t­op­ti­mie­ren und Tot­ver­bes­sern. Eine Kur­ze Geschich­te des Manage­ments als Scharlatanerie.

Alles hat sei­ne Zeit. Statt blin­dem Ver­trau­en in Stan­dards mit mor­schen Wur­zeln, sind in die­sem Über­gang ins Zeit­al­ter der Wis­sens­ar­beit, zunächst Expe­ri­men­tier­freu­de und Mut gefragt. Aber mehr noch der Wil­le, Erfah­run­gen und Erkennt­nis­se aus­zu­tau­schen. Die Her­aus­for­de­rung erscheint näm­lich deut­lich kom­ple­xer als zu Tay­lors Zei­ten. Die völ­lig neu­en Manage­ment­me­tho­den, die Peter F. Dru­cker für die Wis­sens­ar­beit pos­tu­lier­te, wird kein ein­zel­ner oder eine ein­zel­ne Orga­ni­sa­ti­on (er-)finden. Auch dafür haben wir openPM ins Leben geru­fen: Doku­men­ta­ti­on und Aus­tausch über expe­ri­men­tel­les Projektmanagement.

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Bild­nach­weis: Das Arti­kel­bild wur­de von Horia Var­lan unter dem Titel „Test tubes and other reci­pi­ents in che­mis­try lab“ auf Flickr unter eine Crea­ti­ve Com­mons Lizenz (CC BY 2.0) ver­öf­fent­licht.



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2 Kommentare

Götz Müller 8. September 2012 Antworten

Hier passt m.E. auch die­ses The­ma (Ver­bes­se­rungs­ka­ta, Toyo­ta) gut dazu, basiert auch auf einem ande­ren Men­schen­bild http://www.youtube.com/watch?v=yBBE9Oyi5t0

Marcus Raitner 8. September 2012 Antworten

Sehr schön. Dan­ke für den Link und impli­zit den Hin­weis auf das Buch »Toyo­ta Kata« von Mike Rother.

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