Immer wieder höre ich diese Klage über scheinbar faule Mitarbeiter. Man bezahlt einen Mitarbeiter für eine bestimmte Menge an Arbeitszeit, hat aber das Gefühl, dafür nicht genügend Gegenleistung zu bekommen. Während andere noch brav am Schreibtisch sitzen, verlässt dieser Mitarbeiter schon das Büro. Das geht doch nicht. Oder doch?
Zunächst interessiert mich in dieser Situation, ob der Mitarbeiter denn die vereinbarte Leistung erbracht hat. Und mit Leistung meine ich nicht das Absitzen von Zeit, sondern die Arbeitsergebnisse. Falls nun schon gar nicht klar ist, welche Leistung – abgesehen von der bloßen Anwesenheit und Ansprechbarkeit – erwartet wird, muss dieses Problem der unklaren Erwartungshaltung und des unklaren Auftrags als erstes gelöst werden.
Falls aber der Mitarbeiter die vereinbarten Ergebnisse in ausreichender Qualität erbracht hat, was spricht dann dagegen, dass er nicht weiter seine Zeit investiert? Auf den ersten Blick eigentlich nichts. Ein wenig genauer betrachtet gibt es aber die durchaus berechtigte Erwartungshaltung, dass Mitarbeiter nicht nur die übertragenen Aufgaben abarbeiten, sondern aktiv nach weiteren Betätigungsfeldern suchen. Die vereinbarte Arbeitszeit stellt dafür den Rahmen dar. Diesen mit sinnvollen und zielgerichteten Aufgaben zu füllen ist aber die Verantwortung von Mitarbeiter und Führungskraft und zwar zu gleichen Teilen.
Nun ergibt sich bei der projektbezogenen Arbeit in Unternehmen der Dienstleistungsbranche allerdings eine Besonderheit. Häufig gibt es dort für die Mitarbeiter jenseits von Kundenprojekten gar keine Arbeit am eigenen Unternehmen, an den Unternehmenszielen oder Inhalten. Oder jedenfalls nicht für den „normalen“ Mitarbeiter. Da ist sie wieder die hässliche Fratze der Kreativitätsapartheid.
Aufgabe der Unternehmensführung ist es, sinnvolle Betätigungsfelder jenseits der konkreten Kundenprojekte für eine Beteiligung der Mitarbeiter an der Arbeit am eigenen Unternehmen zu schaffen. Ich meine damit keine reinen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wie das Aufräumen der Kaffeeküche oder des internen Wiki, sondern die echte Einbindung der Mitarbeiter in die Weiterentwicklung des Unternehmens. Das klingt sehr einfach, krankt aber in der Praxis fast immer an fehlender Transparenz hinsichtlich dieser Arbeit am Unternehmen. Meist ist es nämlich doch nur das Top-Management, das alle notwendigen Informationen dazu hat und diese auch wie ihren Augapfel hütet.
Wenn also ein Mitarbeiter in seiner regulären Arbeit im Projekt gerade weniger zu tun hat, sollte er idealerweise wissen, welche internen Projekte es im Unternehmen gibt, wozu diese gut sind, wo diese stehen und wie er sich darin einbringen könnte. Dabei gefällt mir der Ansatz von Google recht gut, dass jeder mit seiner vereinbarten freien Arbeitszeit neue Projekte initiieren kann und dafür intern Mitstreiter werben kann und muss. Das führt nämlich dazu, dass diese internen Projekte erstens bekannt und zweitens attraktiv und sinnvoll sein müssen, weil sonst niemand mitmacht. Benötigt wird also eine Infrastruktur und Kultur in den Unternehmen, die es fördert, dass Mitarbeiter sich in internen Projekten engagieren können und wollen. Nicht weil sie es müssen oder weil vertraglich diese Zeit vereinbart ist, sondern weil sie es für sinnvoll halten.
In a few hundred years, when the history of our time will be written from a long-term perspective, it is likely that the most important event historians will see is not technology, not the Internet, not e‑commerce. It is an unprecedented change in the human condition. For the first time – literally – substantial and rapidly growing numbers of people have choices. For the first time, they will have to manage themselves. And society is totally unprepared for it.
Peter F. Drucker
Viele Unternehmen zwingen zwar ihre Mitarbeiter die vereinbarte Zeit abzusitzen, bieten aber andererseits nicht die Möglichkeiten sich zu beteiligen. Und bieten oftmals nicht genügend Identifikationsfläche damit den Mitarbeitern ein solches Engagement überhaupt lohnenswert und sinnvoll erscheint.
6 Kommentare
Ein toller Beitrag der wohl einen der vielen Organisations-Schlamassel beschreibt.
Passt vielleicht dazu:
Boreout: Ein wissenschaftlicher Feldversuch.
http://www.life-is-limit.de/boreout-ein-wissenschaftlicher-feldversuch/
Danke für Deinen Kommentar und den interessanten Link, Patrick. Leider ein allgegenwärtiges Problem, das viel Kraft kostet und Energie verschwendet.
ja ja, die sinnvollen Betätigungsfelder, die der Chef finanziert … (oder nicht?)
Da habe ich noch einen Killerphrasenbeitrag aus dem Juli: http://www.teamworkblog.de/2014/07/killerphrase-folge-6-die-mitarbeiter.html
LG, Jan
Den Satz kenne ich leider auch: „Die Mitarbeiter sollen mal froh sein, dass sie hier arbeiten können!“ Danke für Deinen Kommentar, Jan.
Hallo Marcus, Dein Beitrag bricht auch eine Lanze, für jene, die quasi zu „Faulen“ gemacht wurden. Gefällt mir!
Das Wörtchen „faul“ hatte mich zudem an einen Artikel im Wikipedia errinnert. Dieser hat zwar nicht direkt mit Deinem Artikel zu tun, aber vielleicht ist er ja wenigstens amüsant. Ein Freiherr unterscheidet darin zwischen „faul und dumm“ und „faul und klug“ und den Einsatzmöglichkeiten dieser Gruppen. http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_von_Hammerstein-Equord#Menschenbild_und_F.C3.BChrungsstil
Viele Grüße
Thomas
Vielen Dank für Deinen Kommentar, Thomas! Die Ergänzung war tatsächlich amüsant. Hatte ich schon Mal gelesen, aber wieder vergessen. Danke.