Das Manifest für menschliche Führung war nie als Lehrbuch oder Nachschlagewerk angelegt, obwohl es als Buch trotz und wegen der Kürze tatsächlich erstaunlich viel Anklang findet. Es entstand in einem Workshop und dann These für These in Social-Media und Artikel für Artikel hier im Blog. Mein Ziel mit dem Manifest ist es, Impulse zu geben, Denkmuster aufzubrechen, Perspektiven aufzuzeigen und so das Nachdenken über das eigene Führungsverhalten anzuregen. Die Thesen des Manifests eröffnen bewusst Spannungsfelder und laden dadurch förmlich zur Diskussion und Reflexion ein. Darum hatte ich auch schon ein erstes Format eines Workshops zum Manifest hier veröffentlicht. Das war allerdings eher auf kleinere Gruppen und intensive Diskussion ausgelegt. Für größere Gruppen habe ich nun mehrfach erfolgreich 1 – 2‑4-All aus Liberating Structures eingesetzt. Auch dieses Workshop-Format will ich – quasi als verfrühtes Weihnachtsgeschenk – wieder gerne zur Verfügung stellen.
Was hat Netflix mit einem Atom-U-Boot gemeinsam?
Um die Diskussion anzuregen und auf die Thesen des Manifests vorzubereiten, beginne ich den Workshop meistens mit in einem kurzen Impuls und der Frage, was Netflix mit einem Atom-U-Boot gemeinsam hat. Am Beispiel von Reed Hasting, dem CEO von Netflix, der stolz darauf ist, möglichst wenig Entscheidungen zu treffen, erkläre ich dann das Prinzip von Kontext statt Kontrolle, das im Netflix Culture Statement so beschrieben ist:
We want employees to be great independent decision makers, and to only consult their manager when they are unsure of the right decision. The leader’s job at every level is to set clear context so that others have the right information to make generally great decisions.
Netflix Culture Statement
Genau dieses Prinzip hat auch David Marquet auf dem Atom U‑Boot USS Santa Fe angewendet als ihm klar wurde, dass ein Chef, der keine Ahnung hat und eine Crew, die auf Gehorsam trainiert ist auf einem Atom-U-Boot eine tödliche Kombination ist. Dadurch schaffte er es, dass nach und nach alle an Bord wie der Kapitän dachten und handelten (mehr dazu in diesem Artikel).
Die eigentliche Führungsaufgabe ist es also nicht, selbst Entscheidungen zu treffen, sondern Rahmenbedingungen zu gestalten, dass Mitarbeiter eigenständig entscheiden können. Reed Hastings und David Marquet ging es also genau darum: „Anführer hervorbringen mehr als Anhänger anführen“ (und David Marquet nennt das auch genau das „leader-leader“ Paradigma anstelle des üblichen „leader-follower“ Paradigmas):
Gemeinsame Reflexion mit 1 – 2‑4-All
Nach diesem Einstieg und der Punktlandung bei der These „Anführer hervorbringen mehr als Anhänger anführen“ beginnt der interaktive Teil des Workshops. Dazu kommt die Methode 1 – 2‑4-All aus Liberating Structures zum Einsatz:
Im Kern wird mit 1 – 2‑4-All eine gemeinsame Frage behandelt und zwar zuerst eine Minute allein, dann zu zweit für zwei Minuten und schließlich nochmal zu viert für vier Minuten. Am Ende stellt jede Vierergruppe ihre bemerkenswerteste Idee oder Erkenntnis kurz allen vor (kann bei Bedarf und vielen Ideen wiederholt werden). Der genau Ablauf von 1 – 2‑4-All ist bei Liberating Structures ausführlich beschrieben.
Die Frage, die behandelt werden soll, orientiert sich an der Skalierungsfrage, die schon den Kern des bisherigen Workshops für kleinere Gruppen bildete: Wo auf einer Skala von 1 bis 10, wobei bei 1 eher Frederick Winslow Taylor und bei der 10 eher David Marquet stehen würde, siehst du dich in deinem Führungsalltag heute und was könntest du anders machen, um einen(!) Schritt voranzukommen.
Diese Übung dauert für eine These des Manifests zwischen 12 und 30 Minuten, je nach Anzahl der Ideen. Für den ersten Durchlauf dauert sie eher länger, weil hier schon viele Ideen kommen, die auch bei den anderen Thesen passen würden. In der Regel setze ich solche Workshops mit 90 bis 120 Minuten an und bearbeite zwei oder drei der Thesen des Manifest für menschliche Führung mit der Gruppe, wobei jede These jeweils eine Einführung bekommt, die nicht immer so ausführlich ausfallen muss, wie die Geschichte mit Netflix und der USS Santa Fe zu Beginn. Geeignete Geschichten finden sich einige im Buch, aber es gibt bestimmt noch viel mehr, die passen würden.
Und damit noch möglichst viele dieser Geschichten im Sinne des Manifests für menschliche Führung geschrieben werden, stelle ich hier einfach meinen Foliensatz zur Verfügung. Diese Folien dürfen gerne für entsprechende Workshops (unter Beachtung der CC-BY 4.0 Lizenz) verwendet werden: Steal with pride!
Foliensatz herunterladen (PowerPoint): Deutsch / Englisch