Der Zeitforscher Karlheinz Geißler konstatierte völlig zu Recht, dass wir in Zeiten leben, in denen es „normal ist, dass vieles anders ist und immer schneller anders wird“. Die allgegenwärtige Verdichtung unserer Zeit und die daraus resultierende Beschleunigung macht auch vor Projekten keinen Halt. Im Gegenteil: schnelle Ergebnisse sind gefragt mehr denn je. Quick-Wins nennt sich das dann im unvermeidlichen Management-Jargon. Aber sind solche Schnellschüsse tatsächlich immer ein Gewinn?
Ein Projekt muss heute schnell Wirkung zeigen, will es genehmigt und nicht allzu frühzeitig in Frage gestellt werden. Deshalb werden schnelle Ergebnisse gefordert und versprochen. Geliefert wird dann eben das was am einfachsten und schnellsten umgesetzt werden kann. Ein solcher Quick-Win ist aber selten ein Gewinn: Der Schnellschuss wird meist zum Querschläger.
Angesichts von Hindernissen mag die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten die krumme sein.
Bertolt Brecht
Nicht jeder Quick-Win ist nämlich wirklich schnell, sondern dauert fast immer länger und bindet mehr Kraft und Aufmerksamkeit als man ursprünglich dachte. Diese Kraft und Aufmerksamkeit fehlt dann aber bei den komplizierten und riskanten Teilen des Projekts. Und schon beginnt sich die Spirale der besinnungslosen Hektik ein bisschen schneller zu drehen. Sind das Projektteam und insbesondere die Stakeholder dann erst einmal derart angefixt, zählt irgendwann nur noch die kurzfristige Befriedigung des Hungers nach Ergebnissen durch immer neue Quick-Wins. „Haben uns verlaufen, kommen aber gut voran!“, beschreibt Tom deMarco diesen Zustand sehr treffend.
Gegen eine iterative Vorgehensweise mit sinnvollen Zwischenschritten ist überhaupt nichts einzuwenden. Dabei geht es aber nicht in erster Linie um managementtaugliche Quick-Wins, sondern darum, sich durch Ausprobieren und Absichern vorzutasten. Es geht darum, sich die riskanten und komplizierten Anteile am Projekt Schritt für Schritt zu erarbeiten. Und selbst Fehlversuche können sinnvolle Schritte sein, um Sicherheit zu gewinnen. Solche Zwischenergebnisse reduzieren nach und nach die Risiken und sind tatsächlich ein Gewinn für das Projekt, aber eben nicht immer ein gut vermarktbarer Quick-Win.
Leicht ist es, das noch Ruhende zu lenken, dem erst Kommenden zuvorzukommen, das noch Schwache zu beugen, das noch Kleine zu meistern. Darum ordne die Dinge in ihrem Noch-nicht-Sein! Lenke im Keim, was später ungelenk und unlenkbar ist!
Lao-Tse
Ganz ohne Marketing geht es sicher auch nicht. Man muss sein Projekt und sein Vorgehen auch verkaufen können als Projektleiter. Dabei können dann Quick-Wins durchaus eine Rolle spielen. Idealerweise indem es gelingt, die sinnvollen risikoorientierten Zwischenschritte als solche schnellen Ergebnisse zu verkaufen. Wenn das nicht reicht oder nicht möglich ist und darüberhinaus Ergebnisse gefragt sind, liefert man diese besser pünktlich und in schillernden Farben, aber nur als Nebenprodukt der eigentlichen Projektarbeit, die sich dadurch unbeeinflusst weiterhin an den Risiken orientieren muss.
Besonnenheit ist die seidene Schnur, die durch die Perlenkette aller Tugenden läuft.
Thomas Fuller
Ein Kommentar
Hallo Herr Raitner,
danke für den interessanten Artikel. In der Tat kann die Jagd nach Quick Wins nach hinten losgehen. Das habe ich in einem großen Projekt mal erlebt wo ein angeblicher Quick Win bei der Umsetzung viele grundsätzliche Fragen aufgeworfen hat und zum Bumerang geworden ist. Was ich auch beobachte, dass sich eine gewisse Quick-Win-Mentalität herausschält. Wenn ich den Quick-Win umsetze, dann kann ich mir weitere, mühselige Dinge vielleicht sparen. Das funktioniert ja so nicht. Ich bin auch ein Anhänger der „kleinen Schritte“ aber das dient ja eher dazu ein großes Thema zu portionieren und auf dem Weg zu lernen. Und die Erfolge jedes Schrittes wahrzunehmen und zu feiern. Wie Sie ja auch schreiben. Und nicht grundlegende Themen durch einen Quick Win zu ersetzten.
Herzlichen Dank und einen schönen Tag
Martina Baehr