Projekte sind Veränderung. Mit Projekten betreten wir Neuland. Inhaltlich sowieso, aber ganz oft auch methodisch. Niemand sollte also annehmen, dass Projekte ohne kleinere oder größere Irrwege ablaufen. Keine einfache Erkenntnis gerade für Unternehmen, deren Wertschöpfung zu einem großen Teil auf möglichst fehlerfreier Produktion basiert. Wer Projekte in ein Null-Fehler-Korsett zwängt, darf sich nicht wundern, dass sowohl die Ergebnisse als auch der Weg zu diesen wenig innovativ sind. Eine positive Fehlerkultur ist zwingend notwendig für innovative Ergebnisse und innovatives Vorgehen, muss aber unbedingt ein institutionaliertes Lernen aus diesen Fehlern beinhalten.
There is a belief in the company that if you don’t fail often enough, you’re not trying hard enough.
Gopi Kallayil, Chief Evangelist bei Google
Innovationen setzen das Zulassen oder sogar das Herausfordern von Fehlern voraus. Umgekehrt wird aber noch kein Projekt und Unternehmen innovativ, weil es Fehler machen darf und macht. Im Gegenteil. Es müssen schon die richtigen Fehler sein. Wobei schon Fehler im Sinne einer Abweichung von einem Sollzustand gar nicht das richtige Wort ist, sondern wir im Kontext von Innovationen und Projekten lieber von Irrtümern reden sollten, wie Mark Poppenborg auf intrinsify.me korrekt anmerkt.
Irrtümer zum Zweck der Innovation zu fordern und zu fördern ist das eine, den maximalen Nutzen als Individueen und als Organisation aus diesen zu ziehen aber etwas ganz anderes. Wo viele Projekte durchgeführt werden – und das ist heute in immer mehr Unternehmen in immer größeren Umfang der Fall – gibt es viel zu lernen. Oder besser gesagt: es gäbe viel zu lernen.
Learning is not compulsory… neither is survival.
W. Edwards Deming
Oft erschöpft sich das Lernen nämlich aus halbherzigen Lessons Learned weit nach dem Ende des Projekts, bei dem dann nur ein Teil des Teams und der übrigen Stakeholder teilnimmt, weil alle schon längst im nächsten Projekt sind. Dabei geht es dann doch wieder nur um das was schief gelaufen ist und was man das nächste mal vermeiden will. Oder was man wieder genau so machen will und andere auch genau so machen sollen. Und schon sind wir bei den berüchtigten Best-Practices.
Die Erkenntnisse aus den Projekten werden zu selten systematisch erfasst und aufbereitet. Meistens gibt es überhaupt keine Organisationseinheit die sich dafür wirklich zuständig fühlt. Und wenn doch, dann ist diese eher im Qualitätsmanagement angesiedelt und führt mehr oder weniger formale Audits durch. Das gibt dann eine Bewertung des einzelnen Projekts und vielleicht noch eine Kennzahlen-Übersicht über den Zustand aller Projekte im Unternehmen.
Was oft fehlt oder im Tagesgeschäft nicht möglich ist die qualifizierte Aufbereitung der Erkenntnisse aus der Vielzahl der Projekte. Ein Schärfen der Säge ist nicht vorgesehen, es muss gesägt werden. Vielleicht wären die Erkenntnisse einer Gesamtschau auch unbequem bis ernüchternd. Vielleicht würde man Defizite in der Organisationsstruktur des Unternehmes erkennen oder im Prozess der Priorisierung von Projekten. Und wer will das schon?
5 Kommentare
Hallo Markus,
keiner will das – Im Gegenteil; Systeme haben das Bestreben sich zu Erhalten und so manche (Führungs)Kraft wird dafür bezahlt… ;o)
Lernen und etwas Neues in ein Unternehmen zu bringen ist also nicht grad trivial.
Ich persönlich halte Null-Fehler Strategien (teilweise) für wichtig, auch und grade, wenn es um Inovationen & Flexibilität geht. Allerdings heißt eine Null-Fehler-Strategie für mich eben vor Allem, dass man Fehler machen darf – Nach Möglichkeit aber eben nur einmal…!! – Wenn ein Fehler bzw. Irrtum erkannt ist, versetzt einen das in die Lage die Fehlererkennung dorthin zu platzieren, wo der Fehler bzw. Irrtum entsteht. – Wo also gelernt werden kann!
Schwierig wird es aus meiner Sicht, wenn die (Führungs)Kultur durch Strafen (zB Zuckerbrot & Peitsche) geprägt ist. Wenn man also mit negativen Auswirkungen rechnen muss, wenn man mal was Falsch (oder Anders) macht. Dann macht es nämlich plötzlich, für die Akteure, Sinn Fehler (und die Entstehungsorte) zu verschleiern.
Dadurch passen sich zwar die Leute an die Spielregeln an, das System „optimiert“ sich aber nicht mehr.…
…in diesem Sinne wünsche ich Dir
noch einen schönen Sonntag!
Bernd
Hallo Bernd, was die Beharrungskräfte des Systems betrifft, kann ich Dir nur uneingeschränkt recht geben. Darum mache ich ja auch Projekte ;-) Innovation braucht Irrtümer und den konstruktiven Umgang damit. Das heißt aber eben nicht, dass wir die gleichen Fehler immer wieder machen sollten. Damit das nicht passiert, müssen wir, als Individuen und als Organisation, lernen. Das Verheimlichen von Fehlern aufgrund von Angst und falschen Anreizsystemen verhindert Lernen natürlich. Aber selbst wenn das nicht der Fall ist, kann man immer noch viel tun als Organisation, um möglichst effektiv zu lernen. Oder eben nicht.
Hallo Marcus,
sorry für das „k“ im ersten Kommentar.
…gewohnheit, weil ein Freund von mir Markus heißt…
Zur Effektivität des Lernens sprechen die Wissenschaften ja eine ziemlich deutliche Sprache.
EMOTIONEN (Begeisterung, Freude, Spaß ZB) können unser Lernen beflügeln, oder eben auch bremsen.
Spannend finde ich auch, dass mittlerweile ein (wissenschaftliches) Bewusstsein dafür wächst, dass man nicht nur aus der Vergangenheit lernen kann (zB aus Fehlern & Statistiken) – sondern, dass auch die Zukunft eine Quelle für unser Lernen sein kann.
Claus Otto Scharmer vom MIT hat das zB Presencing genannt: https://www.youtube.com/watch?v=EWkM7uht5Jw
Ihm zufolge hängt die Effektivität (auch) davon ab, von welchem inneren Ort aus ich „zuhöre / beobachte“ und welche „Tiefe“ meine Verbindung mit dem Aussen hat.…
Kommunikation geschieht für Ihn in Feldern und es kann wichtig sein, dass in diesen Feldern ein Bewusstsein des WERDENDEN Ganzen existiert.
Um den Ort, von dem aus man zuhört / beobachtet (also lernt) zu ändern, existiert der Prozess „Theorie U“ :
https://www.youtube.com/watch?v=8pLtxO7ArOA
Mit Grüßen,
Bernd
Um Fehler zu machen oder Irrtümern aufzusitzen, muss zunächst jemand Verantwortung übernehmen. Aber ich erlebe immer öfter eine Kultur in den Unternehmen und darüber hinaus, in der niemand mehr verantwortlich ist. Es wird immer gemeinsam entschieden, so dass sich jedes Individuum entweder auf das Kollektiv beziehen oder sich von ihm abgrenzen kann. Oder die Zahlen entscheiden und das Handeln ist dann „alternativlos“. Wo aber niemand Verantwortung übernimmt, geht auch niemand ein Risiko (oder besser: Wagnis) mehr ein. Alle versuchen sich nur noch abzusichern und verwalten den Status Quo. Und in dieser Kultur entstehen dann auch keine Fehler, aus denen man lernen will.
Vielen Dank für Deine Ergänzung, Hannes. Das kann ich nur bestätigen, dass gerade in großen Organisationen nicht wirklich oder wenn dann wenig mutig entschieden wird. Will man wirklich innovativ sein, müssen vermutlich die entscheiden, die es auch machen sollen und wollen, aber das würde ja die Hierarchie in Frage stellen … und wer will das schon.