Viele über lange Jahre erfolgreiche Unternehmen spüren plötzlich großen Veränderungsdruck. Von Disruption ist die Rede. So viel, dass manche „Disruption“ schon zum Unwort des Jahres erklären. Disruptive Technologien mischen die Karten neu. In unserem hochvernetzten Zeitalter zudem in nie dagewesener Geschwindigkeit. Und so schielen die etablierten Unternehmen ein wenig neidisch auf ihre neuen und historisch unbelasteten Herausforderer. Um dann festzustellen, dass diese neuen Unternehmen ganz anders ticken, dass sie ganz anders arbeiten und dass sie eine völlig andere Unternehmenskultur haben. Und dann beginnt das ganze Theater des Changemanagements zu laufen: Neue Werte werden ausgelobt und die neue Kultur schmackhaft gemacht. Freilich ohne die Strukturen und Arbeitsweisen, die die alte Kultur hervorgebracht haben, anzutasten und damit letztlich ohne nachhaltige Wirkung.
Culture does not change because we desire to change it. Culture changes when the organization is transformed; the culture reflects the realities of people working together every day.
Frances Hesselbein. The Key to Cultural Transformation, Leader to Leader
Nachahmung führt nicht immer zum Erfolg. Das stellten schon die Bewohner Melanesiens nach dem Abzug der amerikanischen Besatzungstruppen fest. Während der Besatzung nutzen die amerikanischen Streitkräfte die Inseln als Versorgungszentren und warfen massenhaft Kleidung und Nahrungsmittel mit dem Flugzeug ab. Die Ureinwohner der Inseln ahmten anschließend das Verhalten der dort stationierten Soldaten nach, indem sie sich beispielsweise Kopfhörer aus Holz aufsetzten und Landebahnen mit Signalfeuern bauten. Alles um wie die Fremden die Flugzeuge mit den ersehnten Gütern anzulocken. Freilich blieb dieser Cargo-Kult erfolglos.
Unternehmen müssen heute über etwas verfügen, das früher noch nicht so wichtig war: Sie brauchen ständig neue, gute Ideen. Und das geht nur mit einer anderen Organisationsform als der klassisch tayloristischen Organisation, denn die kann vieles produzieren, vor allem soziale Verschwendung, nur eines eben nicht: Ideen.
Lars Vollmer. Zurück an die Arbeit)
Wenn die traditionellen Unternehmen in Umbruchssituationen hervorgerufen durch disruptive Technologien nun das Gebahren von Technologiefirmen nachahmen, sollte man sich dieser Gefahr eines Cargo-Kults bewusst sein. Umso mehr, wenn die Nachahmung nur oberflächlich bleibt und sich auf einen Wandel der Kultur beschränkt. Beispielsweise ist an der Leitlinie in kleinen, schlagkräftigen und interdisziplinären Teams zusammenarbeiten zu wollen nichts auszusetzen. Außer natürlich, dass allein die Verkündung dieser Leitlinie nichts bewirkt. Daran ändert auch das Arsenal des Changemanagements nichts. Solange die kleinen Teams immer noch sozialistisch anmutenden Planungsprozessen unterworfen sind, die Interdisziplinarität an den auf Konkurrenz getrimmten Abteilungszielen scheitert, die Bereitstellung neuer Server Wochen dauert und solange die Beschaffungsprozesse an den Passierschein A 38 aus Asterix erobert Rom erinnern, wird man vergeblich mit den Holzkopfhörern an der Landebahn sitzen.
Völlig egal, in welcher Branche oder in welcher Hierarchie- oder Gehaltsstufe Sie nachschauen: Das, was stört, ist nicht die Arbeit, denn Menschen wollen produktiv sein und etwas Sinnvolles schaffen. Was stört, sind vielmehr immer die Bedingungen der Arbeit, das Arbeitsumfeld, das zur Verfügung gestellt wird.
Lars Vollmer. Zurück an die Arbeit)
Kulturwandel ist immer die Folge einer Veränderung der Organisation, der Arbeitsweisen und des Arbeitsumfelds, nicht umgekehrt. Wer kleine und schlagkräftige Teams will, die mutig innovative Ideen erproben, muss Rahmenbedingungen schaffen in denen diese gedeihen. Freiräume schaffen beispielsweise oder Autonomie und Subsidiarität stärken und Emergenz zulassen ohne Planwirtschaft und Kontrollzwang. Aber natürlich ist es viel einfacher ein paar geschliffene Sätze zum Kulturwandel an die Wand zu hängen und in bunten Vorstellungen des Changemanagement-Theaters unters Volk zu bringen.
Mehr zum Thema Cargo-Kulte in Unternehmen im sehenswerten Vortrag von Gunter Dueck auf der diesjährigen re:publica
6 Kommentare
Vielen Dank, dass Du/Sie in dem kurzen Blogbeitrag mehr brauchbare Tipps/Anregungen gibst, als Prof. Dr. Gunter Dueck in einer ganzen Stunde rüberbringt. „In der Kürze liegt die Würze“ – Danke.
Gruß Werner
PS: wo hast Du das Flugzeugwrack fotografiert?
Danke für Dein tolles Feedback. Das Foto habe ich auf Pexels gefunden: https://www.pexels.com/photo/airplane-plane-wreck-damaged-6709/
Hallo Marcus, nochmals Danke, für den tollen Link, den ich noch nicht kannte und bei dem ich auch gleich noch was zum Thema “ Creative Commons Zero (CC0)“ gelernt habe. Vielen Dank und viele Grüße von Weißenburg nach Poing.
Gerne. Auf http://thestocks.im findest Du noch mehr solche CC0 Bilder. Viele Grüße zurück nach Weißenburg!
@Werner
Das Flugzeugwrack liegt in Island, kurz googeln, interessante Geschichte.
@Marcus
Vielen Dank für den super Artikel über Unternehmenkultur
Gruß,
Mario
Vielen Dank, Mario!