In vielen Organisationen gibt es inzwischen ein Social Intranet. Weil man das so macht und weil gerade die jüngeren Mitarbeiter mit Social Media vertraut sind und diese Kommunikation schätzen und verlangen. Die wenigsten Mitarbeiter und noch weniger Manager aber haben verstanden, welche Machtverschiebung ein Social Intranet bedeuten kann und welches kreative Potential in der Vernetzung steckt.
In seiner Rede am 3. Juli 2010 vor der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des deutschen Bundestags erklärte der leider mittlerweile verstorbene Prof. Dr. Peter Kruse sehr prägnant die revolutionäre Sprengkraft des Internets und insbesondere der sozialen Medien. Eine hohe Vernetzungsdichte, hohe Spontanaktivität und kreisende Erregung führen demnach durch die Tendenz zur Selbstaufschaukelung zu nichtlinearen Effekten. Je besser sich die Menschen also vernetzen und je einfacher es ist, schnell etwas zu teilen und je besser diese Inhalte dann zirkulieren können, desto eher und desto ausgeprägter kommt es zu solchen viralen, nichtlinearen Effekten. Diese sind prinzipiell weder planbar noch vorhersagbar, man kann höchstens nah an den Märkten und Gesprächen sein um so ein „Gefühl für die Resonanzmuster der Gesellschaft“ (Peter Kruse) zu entwicklen.
In kürzester Zeit viele Menschen erreichen zu können und Resonanz zu finden bedeutet letztlich Macht. Oder eine Bedrohung der herrschenden Machtstrukturen, die auch immer auf einem Informationsvorsprung und einem Ungleichgewicht der Vernetzung, der Kommunikationsmittel und ‑kanäle und damit der Breitenwirkung und Deutungshoheit basieren. Zwar finden die Machtinhaber und ihre Meinung auch in sozialen Netzwerken Resonanz, genauso und vielleicht noch deutlich mehr aber andere. Oder mit den Worten von Peter Kruse: „Man bekommt einen extrem starken Kunden, einen extrem starken Mitarbeiter und einen extrem starken Bürger.“
Warum aber sollte man diese Machtverschiebung in Form eines Social Intranets in die Organisation holen? Weil diese Resonanz und Aufschaukelung keineswegs nur negativ zu sehen ist, sondern letztlich Themen und Ideen einen demokratisch-kreativen Resonanzraum bietet. Und das werden auch Ideen sein, die das Morgen der Organisation betreffen: Innovationen, Verbesserungen bis hin zu neuen Geschäftsideen. Oder einfach nur der kurze Dienstweg, um einem Kunden ganz pragmatisch zu helfen.
Der Nährboden dafür ist aber weniger relevante und teilweise auch belanglose Kommunikation, die jedoch dazu dient Verknüpfungen zwischen Menschen herzustellen und zu vertiefen. Isoliert betrachtet bringt also es wenig und sieht wie Zeitverschwendung aus, wenn Menschen ihr Essen fotografieren und teilen. Vielleicht entstehen aber genau durch die gemeinsame Grillleidenschaft die entscheidenden Verbindungen für eine bahnbrechende Innovation. Menschen sind Gemeinschaftswesen. Gemeinschaften aber basieren auf Vertrauen und jede dieser kleinen scheinbar sinnlosen Interaktionen bringt ein Stückchen Vertrauen indem Gemeinsamkeiten entdeckt und ausgebaut werden.
Power is of two kinds. One is obtained by the fear of punishment and the other by acts of love. Power based on love is a thousand times more effective and permanent then the one derived from fear of punishment.
Mahatma Gandhi
Es gäbe also viele Gründe ein Social Intranet wie einen Garten gut zu pflegen, so dass dort durch eine hohe Vernetzungsdichte, hohe Spontanaktivität und kreisende Erregung nichtlineare Effekte entstehen. Für die Mitarbeiter, weil sie dadurch an Macht gewinnen und sich ganzheitlich über ihre Rollen hinaus einbringen können, aber auch für das Management, weil dadurch schnell sichtbar wird, was die Menschen beschäftigt und was zur Zeit in der Organisation resonanzfähig ist. Voraussetzung dafür ist allerdings eine ausgeprägte Empathiefähigkeit der formal Mächtigen, die Bereitschaft zuzuhören und sich auf Augenhöhe einzubringen.
Die Praxis zeigt allerdings einen bestenfalls halbherzigen und inkonsistenten Umgang mit dem Social Intranet. Es wird eingeführt, weil man das jetzt eben so macht, andere es auch so machen und Mitarbeiter danach verlangen. Bewusst oder unbewusst wird die Vernetzung und die Spontanaktivität dann aber gedämpft oder jedenfalls nicht konsequent gefördert. Vernetzt wird oft nur im ohnehin schon bekannten Kontext der Organisation, also innerhalb der Abteilung oder des Projekts und das oft in geschlossenen Gruppen. Die Aktivität wird dann beschränkt auf Informationen in der auch sonst üblichen Richtung absteigender Macht. Echte Diskussionen über andere Themen sind selten und werden gerne auch als Zeitverschwendung abgetan („Hat der denn nichts zu tun?“) Aus Sicht der Mächtigen ist das vielleicht verständlich, aber nicht besonders klug und vorausschauend. Für alle anderen aber gilt:
If you want to achieve greatness, stop asking for permission!
Eddie Colla
3 Kommentare
Hallo Marcus, vielen Dank für den tollen Artikel! Dass Social Intranets zu mehr Mitarbeiter-Motivation (und damit wie du schreibst „stärkeren“ Mitarbeitern) führen kann, zeigen auch Studien (ich habe hier ein klein wenig was dazu zusammengetragen: http://www.arbeitsplatz40.de/mehr-mitarbeiter-engagement-durch-social-intranet/). Wichtig ist dabei sicher, dass man den Mitarbeitern ihre Freiheiten lässt. Zusätzlich sollte der Austausch im Social Intranet aber auch vom Management „vorgelebt“ werden. Das ist ja auch eine Stärke solcher Plattformen: Der Geschäftsführer kann hier auf Augenhöhe mit dem Azubi gehen – und davon profitieren, wenn er sich darauf einlässt.
Lieber Christoph, danke für Deine Zustimmung und Deine wichtige Ergänzung: Wenn das Social-Intranet wirklich gut werden soll, braucht es Erlaubnis und Vorbild, siehe auch: http://fuehrung-erfahren.de/2016/08/social-intranet-eine-frage-der-kultur/
Lieber Christoph, vielen Dank für Deine Ergänzung. Dem kann ich nur zustimmen: Es braucht Erlaubnis und Vorbild.