Als meine Frau letzten November nach der Elternzeit unseres Jüngsten wieder in das Arbeitsleben zurückkehrte, übernahm ich morgens an vier Tagen unsere drei Kinder und den Hund. Zunächst war ich besorgt, weil das bedeutete, dass ich erst um 9 Uhr am Computer sitzen oder im Büro sein konnte. Ich würde also rein rechnerisch in etwas eine Stunde Arbeitszeit einbüßen, die ich abends wieder dranhängen musste, um auf dieselbe Produktivität zu kommen.
Soweit meine mathematische Sicht auf die Situation. Diese Logik enthielt allerdings zwei Fehler. Einerseits und recht offensichtlich verhält sich Wissensarbeit keineswegs linear: doppelter Input generiert nicht doppelten Output. Im Gegenteil, der Grenznutzen nimmt nach der dritten oder vierten Stunde konzentrierter Arbeit schnell ab. Und weniger ist manchmal sogar mehr. „Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.“ Dieses Parkinsonsche Gesetz gilt nicht nur für Behörden und andere große Organisationen, die in erheblichem Umfang mit sich selbst beschäftigt waren. Es wirkt auch umgekehrt, wie jeder bezeugen kann, der kurz vor Antritt eines längeren Urlaubs angesichts der wenigen verbleibenden Zeit einen wahren Produktivitätsschub erleben durfte.
Ich kann Ihnen versichern, dass es einen Ort gibt, an dem Ihre Mitarbeiter kreativ sind, nur ist dieser Ort möglicherweise nicht ihr Arbeitsplatz.
Gary Hamel
Mein zweiter Denkfehler war weniger offensichtlich. Arbeit und insbesondere die kreativen Anteile von Wissensarbeit finden nicht unbedingt im Büro oder vor dem Computer statt. Vermutlich dort sogar am wenigsten. Archimedes hatte seinen Heureka-Moment, als er ein Bad nahm. Insofern stellte sich die zusätzliche Bürde des morgendlichen Spaziergangs mit unserem Hund in Wahrheit als ein großer Gewinn heraus. „Solvitur ambulando“ pflegte der Kirchenvater Augustinus zu sagen und er hatte recht: „Es löst sich beim Gehen“. Ich nahm mir ganz bewusst schwierige Themen für meine morgendliche Runde vor: mal ein herausforderndes Gespräch, mal eine Überlegung zur Strategie, mal auch nur eine etwas schwierigere E‑Mail. Und nach einer halben oder dreiviertel Stunde an der frischen Luft hatte ich immer einen neuen und frischen Blick auf das Problem und oft eine gute Lösung, die ich nie und nimmer in derselben Zeit am Schreibtisch sitzend hätte erarbeiten können.
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