Scheitern erlauben – Fehler vermeiden 

So reich die deut­sche Spra­che im All­ge­mei­nen ist, Feh­ler sind nicht so unser Ding. Wir reden ein­heit­lich von Feh­ler und Feh­ler­kul­tur, wo das Eng­li­sche fein zwi­schen errors und fail­ure unter­schei­det. Die­ser Unter­schied macht einen Unter­schied, denn Feh­ler ist nicht gleich Fehler.

Fail­ure is sim­ply the oppor­tu­ni­ty to begin again, this time more intelligently.
Hen­ry Ford

Wenn es um posi­ti­ve Feh­ler­kul­tur geht, sind eigent­lich kei­ne Feh­ler gemeint, son­dern Schei­tern. Noch weni­ger als Feh­ler mögen wir in Deutsch­land aller­dings das Schei­tern, dar­um reden wir nicht von einer Kul­tur des Schei­tern (cul­tu­re of fail­ure), son­dern doch lie­ber von posi­ti­ver Feh­ler­kul­tur. Die Kon­no­ta­ti­on von Schei­tern ist im Deut­schen deut­lich nega­ti­ver als im Eng­li­schen und ins­be­son­de­re in der ame­ri­ka­ni­schen Start­up-Kul­tur, wo Schei­tern dazu­ge­hört und in Fuck­up-Nights gefei­ert wird. Made in Ger­ma­ny steht aber immer noch für Qua­li­tät im Sin­ne von Feh­ler­frei­heit, wor­auf wir zu Recht stolz sind.

The­re is a belief in the com­pa­ny that if you don’t fail often enough, you’re not try­ing hard enough.
Gopi Kal­lay­il, Chief Evan­ge­list bei Google

Im Grun­de zählt heu­te nur noch ein ein­zi­ger Unter­neh­mens­wert und der heißt Mut. Die Digi­ta­li­sie­rung birgt unglaub­li­che Chan­cen und um die zu nut­zen, muss man mutig Neu­es wagen. Wer dabei nie schei­tert hat zu wenig gewagt. Auch wenn es im Deut­schen so klingt, ist die­ses Schei­tern kein Man­gel, son­dern ein völ­lig natür­li­cher Pro­zess sich unbe­kann­tes Ter­rain durch Aus­pro­bie­ren zu erschlie­ßen. Das Schei­tern liegt dann aber dar­an, dass das Aus­pro­bier­te nicht wie ange­nom­men funk­tio­niert oder ankommt und nicht weil es feh­ler­haft oder schlam­pig war. Eine posi­ti­ve Feh­ler­kul­tur erlaubt also Schei­tern, ver­mei­det aber Fehler.

Suc­cess is the abili­ty to go from fail­ure to fail­ure wit­hout losing your enthusiasm.
Win­s­ton Churchill



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7 Kommentare

derDoubleD 13. Mai 2017 Antworten

Eine Kul­tur des Schei­terns? Das hal­te für Unfug und einen voll­kom­men fal­schen Fokus. Schei­tern, also nicht erfolg­reich sein, ist und bleibt unan­ge­nehm bis dahin, dass Depres­sio­nen aus­ge­löst wer­den. Eine Kon­zen­tra­ti­on auf das Schei­tern ist m.E. über­haupt nicht förderlich.

Mehr zu mei­ner Mei­nung hier:
http://www.inspectandadapt.de/scheitern-ist-scheisse/

Marcus Raitner 13. Mai 2017 Antworten

So woll­te ich das auch nicht ver­stan­den wis­sen. Es geht mir nicht dar­um das Schei­tern in den Fokus zu set­zen oder gar als Ziel zu sehen, son­dern als unver­meid­lich auf dem Weg zu Neu­em. Ich erle­be lei­der oft das Gegen­teil, näm­lich dass Schei­tern ver­bo­ten ist und das ver­hin­dert Gro­ßes. Dar­um „erlau­ben“.

Götz Müller 13. Mai 2017 Antworten

Es kommt auf den Kon­text an. Wenn es um die Erbrin­gung von Leis­tun­gen für einen Kun­den geht, sind Feh­ler natür­lich uner­wünscht. Wenn es aber um Ver­bes­se­rung geht, sind Feh­ler abso­lut not­wen­dig. Neu­es Wis­sen kann nur durch Feh­ler ent­ste­hen. Wenn ich Feh­ler hier ver­mei­de, ken­ne ich den Weg zum Ziel schon, was wie­der­um kein neu­es Wis­sen schafft.

Marcus Raitner 13. Mai 2017 Antworten

Das ist genau der Unter­schied: Feh­ler im Sin­ne von Schlam­pig­keit soll­ten ver­mie­den wer­den, Feh­ler im Sin­ne von Schei­tern, also weil man nach bes­tem Wis­sen und Gewis­sen Neu­es pro­biert, müs­sen erlaubt sein.

derDoubleD 13. Mai 2017 Antworten

Wahr­schein­lich ist es eine Fra­ge des Rei­fe­grads und der Erfah­rung bzw des Umfelds. In mei­nem Umfeld pri­vat wie größ­ten­teils beruf­lich ist die Tat­sa­che, dass Feh­ler „trotz­dem“ pas­sie­ren, längst ange­kom­men und akzep­tiert. Die Bereit­schaft, anschlie­ßend Zeit zu inves­tie­ren um wirk­lich zu ler­nen besteht vor allem im beruf­li­chen Kon­text viel zu wenig.

Natür­lich ist ein gemein­sa­mes Ver­ständ­nis dar­über, dass Feh­ler nicht immer ver­meid­bar sind, wich­tig. Das Ver­ständ­nis allei­ne führt aber nicht zwin­gend zu dem anschlie­ßen­den Ler­nen und Ver­än­dern. Das ist eben wie inspect ohne adapt.

Und habt ihr wirk­lich den Ein­druck, dass unse­re Kul­tur noch durch­setzt ist von der Hal­tung, dass Feh­ler schlecht sind? Und sind „Feh­ler“ wie „Die­sel­ga­te“ wirk­lich trag­fä­hig? Und ist es über­haupt hilf­reich und gut, bei der gan­zen Dis­kus­si­on auch auf das Feh­ler machen und Schei­tern zu kon­zen­trie­ren? Ist es nicht bes­ser zu beto­nen, was nach einem Feh­ler gelernt wur­de und sich ver­än­dert hat auch um zu einer ande­ren und nach vor­ne gerich­te­ten „Kul­tur“ zu kom­men, statt über das Schei­tern allei­ne zu sprechen?

Bei­spiel: die bes­ten Retro­spek­ti­ven waren bei mir meis­tens die, in denen man über das gespro­chen hat, was beson­ders gut lief statt über das, was nicht geklappt hat.

Marcus Raitner 13. Mai 2017 Antworten

Selbst­ver­ständ­lich muss es um das gehen, was man aus dem Schei­tern gelernt hat. So hat­te ich Fuck­up-Nights auch ver­stan­den. Dazu muss man aber erst mal etwas wagen, das einen gewis­sen Grad an Unsi­cher­heit und das Poten­ti­al zum Schei­tern hat. Und dar­um ging es mir. Die­sel­ga­te ist übri­gens kein Bei­spiel für Schei­tern, son­dern für einen Feh­ler im Sin­ne von Schlam­pig­keit und Nach­läs­sig­keit. So etwas zu tole­rie­ren oder zu fei­ern wäre falsch ver­stan­de­ne Fehlerkultur.

Patrick 13. Mai 2017 Antworten

Nach­dem ich bei­de Arti­kel gele­sen habe, glau­be ich, dass du einer unzu­tref­fen­den Ver­kür­zung auf­ge­ses­sen bist.

Dass Schei­tern unan­ge­nehm ist, steht außer Fra­ge. Auch gilt dies für psy­chi­sche Erkran­kun­gen, die ganz klar ein­tre­ten kön­nen (ob das aus­ge­rech­net für die Depres­si­on gilt, ist unklar, weil deren Ursa­chen nach wie vor unzu­rei­chend ver­stan­den werden).

Aller­dings ist die Ursa­che nicht das Schei­tern an sich, son­dern wenn ein Mensch über län­ge­re Zeit den Gefüh­len aus­ge­setzt ist, die mit dem Schei­tern ver­bun­den sind (näm­lich das unan­ge­neh­me Gefühl nicht gut genug zu sein) und dass die­se Gefüh­le durch äuße­re Anrei­ze stän­dig bestärkt wer­den. Das Pro­blem mit nega­ti­ven Gefüh­len: damit lernt es sich schlecht.

Dar­um klingt es auch nur vor­der­grün­dig nach dem rich­ti­gen Ansatz, sich auf das Ler­nen zu kon­zen­trie­ren, wenn man nicht gleich­zei­tig davon weg­kommt, das schlech­te Gefühl bei sich oder ande­ren über­haupt auf­kom­men zu lassen.

Anders aus­ge­drückt: wir müs­sen auf­hö­ren der „har­ten Rea­li­tät gerecht wer­den zu wol­len“, indem wir Men­schen erst­mal in eine Ver­tei­di­gungs­si­tua­ti­on drän­gen, wenn etwas nicht nach Plan gelau­fen ist, und dann zu erwar­ten, dass sie aus die­ser Situa­ti­on etwas zum Lern­erfolg bei­tra­gen. Das kann nicht funktionieren.

Des­halb mag Feh­ler fei­ern viel­leicht etwas over-the-top wir­ken, aber viel­leicht ist ein gewis­ses Über­steu­ern ja not­wen­dig, um von die­ser „Du hast Schei­ße gebaut! … Pau­se … aber hey lass uns was draus lernen“-Herangehensweise weg­zu­kom­men. Denn Feh­ler unter den Tisch keh­ren zu wol­len ist nicht die Fol­ge davon, Feh­ler oder Schei­tern als etwas Posi­ti­ves zu sehen, son­dern im Gegen­teil: weil man erst­mal mit einer Back­pfei­fe rech­nen muss, bevor man sich Lösun­gen wid­men kann.

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