Veränderung gibt es nicht zum Nulltarif

Wie gehen Men­schen mit Ver­än­de­rung um? Dazu hat die Fami­li­en­the­ra­peu­tin Vir­gi­nia Satir ein inter­es­san­tes Modell gelie­fert, das sich auch auf Orga­ni­sa­ti­ons­ver­än­de­run­gen über­tra­gen lässt. Ein sta­bi­ler Sta­tus quo wird durch ein frem­des Ele­ment in Fra­ge gestellt. Nach anfäng­li­chem Wider­stand gegen das Neue führt die Aus­ein­an­der­set­zung damit zunächst zu Unsi­cher­heit und Cha­os und dadurch zu einem Ver­lust an Pro­duk­ti­vi­tät. Je nach Stär­ke die­ses Impul­ses durch das frem­de Ele­ment dau­ert die­se Pha­se mehr oder weni­ger lan­ge an bis es schließ­lich gelingt die Chan­cen der Ver­än­de­rung zu begrei­fen und zu nut­zen. Nach und nach kehrt die Grup­pe dann zur ursprüng­li­chen Pro­duk­ti­vi­tät zurück und wächst hof­fent­lich sogar dar­über hin­aus. Im Kern bedeu­tet die­ses Modell aber, dass es Ver­än­de­rung nie zum Null­ta­rif geben kann. So banal das klingt, so sel­ten geste­hen sich Orga­ni­sa­tio­nen das bei gro­ßen und klei­nen Ver­än­de­rungs­pro­zes­sen ein. Und schei­tern dann an fal­schen Erwar­tungs­hal­tun­gen und ihrer Ungeduld.

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Quel­le: Ste­ven M. Smith

Die­se Gra­fik aus dem aus­führ­li­chen Arti­kel von Ste­ven M. Smith ver­an­schau­licht gut das Modell von Vir­gi­nia Satir, auf des­sen ein­zel­ne Pha­sen und ihre Bedeu­tung für Ver­än­de­rungs­pro­zes­se ich kurz ein­ge­hen möchte.

Phase 1: Der späte Status quo

In die­ser Pha­se herrscht Sta­bi­li­tät. Sowohl die Bezie­hun­gen zuein­an­der als auch die Erwar­tun­gen anein­an­der sind sta­bil. Die Zusam­men­ar­beit ist ein­ge­spielt, wenn auch nicht rei­bungs­frei und opti­mal, aber doch immer mit den­sel­ben bekann­ten Unzulänglichkeiten.

Phase 2: Widerstand

Der unter Umstän­den über Jah­re bestehen­de Sta­tus quo wird durch ein frem­des Ele­ment her­aus­ge­for­dert. Das kann eine neue Tech­no­lo­gie sein, die das bis­he­ri­ge Geschäfts­mo­dell bedroht (z.B. die MP3 in Kom­bi­na­ti­on mit Breit­band-Inter­net oder Block­chain) ein neu­er Wett­be­wer­ber mit ande­rer Arbeits­wei­se und höhe­rer Pro­duk­ti­vi­tät (z.B. Lean Pro­duc­tion bei Toyo­ta) sein oder eine zuneh­mend VUCA wer­den­de Welt, die eine Trans­for­ma­ti­on in Rich­tung mehr Agi­li­tät erfor­dert. Oder eine Kom­bi­na­ti­on aus allem. Die ers­te Reak­ti­on dar­auf ist Ver­leug­nung, Ableh­nung und Widerstand.

Phase 3: Chaos

Nach dem anfäng­li­chen Wider­stand zer­fal­len als Reak­ti­on auf das frem­de Ele­ment die sta­bi­len Bezie­hun­gen. Die kla­ren Rol­len und sta­bi­len Pro­zes­se, die den spä­ten Sta­tus quo gekenn­zeich­net haben, ste­hen zur Dis­po­si­ti­on. Das führt zu Unsi­cher­heit und Angst, weil noch nicht klar ist wie der neue Sta­tus quo aus­se­hen wird. Die­se Pha­se ist aller­dings essen­ti­ell und darf nicht aus Unge­duld durch Wun­der­mit­tel wie anders­wo bewähr­te Blau­pau­sen („Lasst es uns ein­fach machen wie bei Spo­ti­fy!“) über­brückt werden.

Phase 4: Integration

In die­ser Pha­se erkennt die Grup­pe, wie das einst frem­de Ele­ment gewinn­brin­gend inte­griert und genutzt wer­den kann. Die Men­schen wech­seln die Per­spek­ti­ve gegen­über dem Neu­en und begin­nen in Fol­ge davon damit zu expe­ri­men­tie­ren und Erfah­run­gen damit zu sam­meln. Nach und nach bil­den sich trotz Rück­schlä­gen und Feh­lern bei die­sen Expe­ri­men­ten neue ver­läss­li­che Bezie­hun­gen, kla­re Rol­len und sta­bi­le Prozesse.

Phase 5: Der neue Status quo

Das frem­de Ele­ment ist nun voll­stän­dig inte­griert und wie­der alles ähn­lich sta­bil ein­ge­schwun­gen wie im vor­he­ri­gen Sta­tus quo. Aller­dings hof­fent­lich auf höhe­rem Niveau.

Den Wandel begleiten

Um Ver­än­de­rungs­pro­zes­se sinn­voll als Coach beglei­ten zu kön­nen gilt es zunächst zu erken­nen wo die Grup­pe gera­de steht. Dabei hilft das Modell von Vir­gi­nia Satir. Ent­schei­dend ist es die Pha­se 3 des Cha­os durch­zu­ste­hen. In ihr liegt der Keim für den neu­en und pro­duk­ti­ve­ren Sta­tus quo. Hier­bei gilt es den Men­schen zu neu­en Sicht­wei­sen zu ver­hel­fen und nach und nach ein Expe­ri­men­tie­ren mit dem Neu­en und Frem­den und dabei ein Ler­nen von­ein­an­der zu för­dern. Wich­tig ist es ers­te Erfol­ge die­ser Expe­ri­men­te für alle sicht­bar zu machen, denn genau die­se Erfol­ge kön­nen für ande­re Teams der ent­schei­den­de Impuls (die trans­for­mie­ren­de Idee im Modell von Vir­gi­nia Satir) sein. Noch wich­ti­ger ist es Unge­duld zu bekämp­fen und ver­lo­cken­de Abkür­zun­gen durch schein­ba­re Wun­der­mit­tel zu vermeiden.

Pro­blems are not the pro­blem; coping is the problem.
Vir­gi­nia Satir



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