Erfolgreiche agile Organisationen sind bei aller Selbstorganisation stark an einer gemeinsamen Mission ausgerichtet. Autonomie braucht Orientierung, sonst endet sie im Chaos. Natürlich beanspruchen auch alle anderen Organisationen für sich eine griffige Vision und Mission. Agile Organisationen orientieren sich dabei viel stärker an der Wirkung, die sie mit ihrem Tun erzielen wollen, während klassische Organisationen sich eher an Plänen, Ressourcen und vereinbarten Lieferergebnissen orientieren.
Klassische Organisationen: Analysieren, Planen, Ausführen
Klassische Organisationen sind stark plangetrieben. Ein Vorhaben wird zerlegt, analysiert und geplant. Das ist ein langwieriger Prozess der Abstimmung, der viel Innovation bereits im Keim erstickt. Geplant und geschätzt wird dabei immer der Aufwand für das (dank der umfassenden Abstimmung mittlerweile ziemlich aufgeblähte) Vorhaben. Dem gegenüber steht dann ein angenommener Geschäftsnutzen.
Je besser das Verhältnis von Aufwand und Nutzen desto höher die Wahrscheinlichkeit der Genehmigung, was gerne zu unterschätzten Aufwänden und Risiken und zu überschätzten und geschöntem Nutzen führt. Schließlich soll das Vorhaben in das man schon so viel Zeit investiert hat zur Untersuchung und Bewertung dann auch umgesetzt werden (was trotz aller Rationalität bei der Analyse wenig rational ist; vgl. Eskalierendes Commitment)
It is fundamentally the confusion between effectiveness and efficiency that stands between doing the right things and doing things right. There is surely nothing quite so useless as doing with great efficiency what should not be done at all.
Peter Drucker (1963) Managing for Business Effectiveness. p. 53 – 60.
Immerhin spielte der Nutzen – also die erwartete Wirkung – zum Zeitpunkt der Genehmigung noch eine Rolle. Später tritt er schnell in den Hintergrund. Das ist weder ein Versehen noch Unfähigkeit der ausführenden Mitarbeiter, sondern hat Methode. Und diese Methode hat ihren Ursprung im Taylorismus: Zuerst wird analysiert und geplant und diese Analyse bildet die Grundlage für eine Entscheidung (durch das Management).
Ist diese gefallen, steht der Plan zur Umsetzung. Ab diesem Zeitpunkt ist die nicht weiter hinterfragte Annahme, dass eine planmäßige Umsetzung der vereinbarten Lieferergebnisse auch den angenommenen Nutzen bringt und die erwartete Wirkung zeigt. Entsprechend liegt der Fokus auf der Ausführung und der Lieferung und den dazu notwendigen Ressourcen. Überprüft wird der angenommene Nutzen allenfalls am Ende der Umsetzung.
Agile Organisationen: Ausprobieren, Messen, Anpassen
Funktionierende Software ist das wichtigste Fortschrittsmaß.
Prinzipien hinter dem Agilen Manifest
Agilität basiert ganz wesentlich auf kurzen Feedbackschleifen. Darum steht beispielsweise in Scrum am Ende jedes Sprints ein potentiell auslieferbares Produktinkrement. So kann nach jedem Sprint die angenommene Wirkung überprüft werden. In agilen Unternehmen wie Spotify und Amazon tun das die Teams dann auch indem sie live mit ihren Nutzern immer wieder A/B‑Tests durchführen, also einem Teil der Kunden das neue oder modifizierte Feature zeigen und einem Teil das bisherige und dann die Wirkung auswerten.
Das erfordert aber, dass sich alle darüber klar sind, welche Wirkung im Moment überhaupt erzielt werden soll. Für diese Orientierung eignen sich beispielsweise Objectives & Key-Results, mit denen strukturiert auf verschiedenen Ebene beschrieben wird welche Ziele gerade verfolgt werden (Objectives) und wie man messbar erkennt, ob man sich ihnen nähert (Key-Results). Mit diesem Wissen kann jedes Team sich entsprechend der Ziele ausrichten und die Wirkung seiner Arbeit bewerten.
Spotify ist nach Objectives & Key-Results seit 2016 zu einem eigenen Rahmenwerk übergegangen, das sie DIBB nennen, was für die Kette der Herleitung „Data > Insight > Belief > Bet“ steht. Entscheidend dabei ist im obigen Bild wieder die Feedbackschleife. Entsprechend hat jede Wette in ihrer zweiseitigen Beschreibung eine Rubrik „Erfolgsmetriken“, wie Henrik Kniberg in seinem Blog-Post und den Folien dazu beschreibt. Dazu sammelt Spotify (wie vielen datengetriebene agile Unternehmen) ständig Daten über das Nutzerverhalten, um damit neue Einsichten (Insights) zu erzeugen, daraus in kurzen Schleifen (auf Unternehmensebene jedes Quartal und darunter entsprechend schneller) die Überzeugungen (Beliefs) und Wetten (Bets) abzuleiten oder zu überprüfen.