Die Corona-Pandemie deckt schonungslos Missstände auf. Da wären zuallererst die Missstände in unserem Gesundheitssystem zu beklagen, das offensichtlich schon vor der Pandemie kaputtgespart war und während der letzten zwanzig Monate zwar viel Beifall und Solidarität erfuhr, aber letztlich keine nachhaltige Verbesserung erlebte, sondern im Gegenteil heute ca. 4.500 Intensivbetten weniger als vor einem Jahr betriebsbereit sind. Unsere gewählten Volksvertreter nehmen diese offensichtlich dringende und eigentlich recht naheliegende Aufgabe nicht annähernd so ernst wie ihre publikumswirksame Rolle als Warner und Mahner im Panikorchester oder wie Markus Söder als unbeugsamer Feldherr und Kreuzritter wild entschlossen zu harten Einschränkungen, auch wenn sich die dann wie im Falle der Ausgangssperren in Bayern nachträglich als unrechtmäßig herausstellen.
Aufgedeckt hat diese Krise auch ein kollektives Führungsversagen unserer gewählten Volksvertreter. Das einzige Instrument, das seit Beginn der Pandemie durchweg zum Einsatz kommt, ist das Schüren von Angst und das Verbreiten von Panik. Damit folgt die Regierung — und die Opposition in weiten Teilen genauso — dem Fahrplan aus dem Papier des Innenministeriums vom April 2020. Dort ist bewusst von Schockwirkung die Rede, die in der (mittlerweile haltlosen) Behauptung gipfelt, dass Kinder ihre Eltern anstecken und diese dann qualvoll zu Hause sterben — alles nur, weil das Kind vergessen hat, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen (sic!). Hier wurde und wird bis zum heutigen Tag bewusst mit Urängsten (Ersticken, Schuld) gearbeitet, um der Bevölkerung den Ernst der Lage zu verdeutlichen und sie auf eine Linie der Vorsicht und — ein Schelm und Querdenker wer Böses dabei denkt — des unbedingten Gehorsams einzuschwören.
Angst und Schrecken war schon das Führungsprinzip von Caligula, der von 37 bis 41 n. Chr. als Kaiser in Rom regierte. Mit seinem Wahlspruch „Oderint, dum metuant“, zu deutsch: „Sollen sie mich hassen, solange sie mich fürchten“, beschrieb er seine wenig liebevolle Beziehung zu seinem Volk. Eine Haltung die noch viele Autokraten nach ihm in ähnlicher Weise kultivierten. Druck erzeugt Gegendruck und Gewalt führt zu Gegengewalt und so wurde Caligula nach nur vier Jahren als Kaiser im Alter von 29 Jahren von einer Prätorianergarde ermordet und anschließend das Andenken an ihn in großen Teilen vernichtet.
Derart offensiv mit Angst und Schrecken zu operieren, um Gehorsam zu erzwingen funktioniert nur kurzfristig und endet blutig, auch das zeigt die Geschichte am Beispiel vieler Despoten vor und nach Caligula. In einer Demokratie verbietet sich dieser Ansatz ohnehin, will es sich doch kein Politiker mit zu vielen potentiellen Wählern verderben. Praktisch und verlockend sind eingeschüchterte und dadurch widerspruchslos gehorsame Untertanen für die gewählten Vertreter freilich dennoch. Die hohe politische Kunst ist es also, Ängste zu schüren ohne selbst zur Zielscheibe des Hasses der Mehrheit zu werden oder noch besser mit entsprechend entschlossenem Auftreten und harten Maßnahmen dann sogar von der Masse als Retter gefeiert zu werden.
Die Bedrohung durch ein neuartiges Virus eignet sich perfekt, um durch Angst einerseits Einheit und Gehorsam zu erzwingen und gleichzeitig für Schutz und harte Maßnahmen von den meisten auch noch als Retter gefeiert zu werden. Welcher Politiker kann dieser Verlockung widerstehen. Vielleicht ähneln sich diese bisweilen totalitären Reaktionsmuster deshalb in den meisten Demokratien weltweit, wodurch — befeuert durch die Medien, denen diese Massenpsychose konstant hohe Einschaltquoten und Klickraten beschert — eine Eskalationsspirale der Panik und ein Überbietungswettbewerb der Maßnahmen in Bewegung gesetzt wurde. Dass mittlerweile auch Wissenschaftler das Schüren von Angst zur Verhaltenskontrolle als unethisch ablehnen, kommt leider zu spät. Das Kind ist schon in den Brunnen gefallen.
Fear of a threat to the community unites. But fear of someone within the community divides and corrodes. It corrupts both him who uses fear and him who fears.
Peter F. Drucker
Angst vor den Folgen der Maßnahmen ist freilich nicht gewünscht und wird daher seit Beginn der Pandemie konsequent ignoriert, kleingeredet und faktengecheckt und die Kritiker als Coronaleugner, Querdenker, Aluhutträger oder — als ultima ratio — Nazis diffamiert. Selbst wer gute Fragen hat und berechtigte Bedenken äußert macht sich verdächtig, untergräbt die Geschlossenheit und wird dadurch zum Maßnahmengegner oder Impfverweigerer. Die Rhetorik der Politik und der Medien verrutscht Monat für Monat weiter in Richtung Glaubenskrieg einer verängstigten, gehorsamen und Beifall klatschenden Mehrheit gegen eine kritisch hinterfragende Minderheit. Diese umfasst tatsächlich auch einige abseitige Gruppierungen und Meinungen, die aber in dieser Minderheit nur eine Randerscheinung sind, auch wenn sie in den Medien gerne zum Pars pro Toto stilisiert werden.
Die Angst vor der äußeren Bedrohung, die anfangs nützlich und praktisch schien, um die Gemeinschaft in dieser Krise zu einen, wandelt sich zunehmend in eine Angst, welche die Gemeinschaft Woche für Woche tiefer spaltet. Wer nun von „Tyrannei der Ungeimpften“ redet wie der Weltärtzepräsident Montgomery jüngst, nimmt es nicht nur billigend in Kauf, dass aus Angst Hass wird, sondern gießt aktiv Öl ins Feuer und bewegt sich am Rande des Tatbestands der Volksverhetzung, was die Medien aber freilich nicht abhält genau diesen vor zwei Jahren noch undenkbaren Tabubruch ohne weitere Fragen oder gar Einspruch zu verbreiten.
Fear is the path to the dark side … fear leads to anger … anger leads to hate … hate leads to suffering.
Yoda
Hier stehen wir aktuell und ich will diesen Weg nicht weitergehen. Wenigstens den letzten Teil dieser Kausalkette von Yoda, das Leid als Folge des Hasses, will ich verhindern. Wir mögen diese komplexe Situation unterschiedlich betrachten, wir mögen unterschiedlicher Meinung sein, unsere Ängste mögen andere sein und unsere Bedürfnisse, aber wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen und aufhetzen. Niemals. Nicht in diesem Land. Wir reden miteinander, streiten uns über Daten, Fakten und ihre Interpretation, wir bringen Argumente und Gegenargumente, wir hören einander zu und bemühen uns um Verständnis. Und am Ende reichen wir uns die Hand für eine gemeinsame Zukunft in Frieden.
Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.
Rumi
Foto von Plato Terentev von Pexels.
13 Kommentare
Lieber Marcus,
Danke für Deine Perspektive auf die heutige Situation, die ich gut unterstützen kann. Und ja, auch ich mag diese Art der Spaltung nicht, beobachte ich den Hass der deutlich, der sich bei vielen breit Macht, die sich hofften dei Freiheit erimpft zu haben. Diese Angst wird damit nochmals verstärkt, zumindest die aus Gründen sich derzeit entschieden haben, an dem weltweiten Feldexperiment nicht zu beteiligen. Ich habe schon eine Reihe von Bekannten, geimpft und ungeimpft, die inzwischen ziemlich ob der wenig nachvollziehbaren Maßnahmen am Rad drehen, und dadurch erkranken, aber eben nicht am Virus.
Ja, lasst uns wieder zuhören, in welchen Schuhen der anderen wandelt und uns verstehen und schauen, wie wir aus dieser Hölle wieder rauskommen.
Herzliche Grüße
Martin
p.s.: Ich bin geimpft und stehe dennoch für die Gleichbehandling der Ungeimpften ein!
p.s. 2: guter Artikel zu dem, was gerade hier mit zwischen Regierung und Bürgern passiert: https://de.rt.com/meinung/127482-milgram-medien-im-gefangnisexperiment/
Es gibt keine Spaltung, das ist rechtsesotherisches Geschwafel. Dafür müsste eine Gesellschaft nämlich erst einmal eine plitisch homogene Masse sein, das waren staatlich verfasste Gruppen aber noch nie, dafür sind sie zu groß.
Dass man Angst erzeugen könnte ist genauso Unsinn. Angst hat man oder nicht. Punkt. Wenn jemand eine Arachnophobie hat kann ich diese mit einem Photo des Subjekts vervorrufen, mehr aber nicht. Man kann bei Menschne ohne diese „Schwäche“ keine Panik herbeireden.
Danke für den Kommentar. Ich lasse ihn hier ohne weiter darauf einzugehen stehen als Illustration dafür, was ich mit dem Artikel beklage: Ein Diskurs findet nicht mehr statt und ist nicht gewünscht. Es geht nur darum die eigenen Position durchzusetzen und die andere Seite abzuwerten. Wobei ich bei dem Begriff „rechtsesoterisches Geschwafel“ tatsächlich ein wenig lächeln musste …
Danke Titus. Du schriebst mir aus der Seele. Wer drauf pocht, dass „die Anderen“ spalten oder Angst schüren, könnte bei sich anfangen…
Aber ich mache niemanden Vorschriften, wie er zu Denken hat. Sind alle Erwachsen. Aber am Ende gibt es einen Mehrheitsentscheid. Wenn jemand eine bessere Idee hat, her damit.
Dieses Mimimi gegen Dinge, die nicht zu ändern sind und die anderen haben „Schuld“. Einfach Quark und ich bin müde.
Marcus, fand Dich mal kuhl. Schade eigentlich.
Danke auch dir, Sören, für diesen Kommentar. Aus denselben Gründen, wie ich Titus dankte. Schade eigentlich, dass du eine Diskussion in der Sache nicht mal versuchst, sondern mir anlässlich eines Beitrags gegen die Spaltung der Gesellschaft selbst Spaltung vorwirfst. Ich würde es eher Abweichung vom gängigen Narrativ nennen oder mit deinen Worten von den „Dingen, die nicht zu ändern sind“. Doch diese Spaltung ist zu ändern und nicht hinzunehmen. Ich schrieb im Manifest für menschliche Führung „Diversität und Dissens über Konformität und Konsens“ und genau das ist mir hier und heute wichtiger denn je. Aber ich habe verstanden, dass du darüber nicht diskutieren willst und muss nun damit leben, dass ich für dich nicht mehr kuhl bin. Das ist ok.
Schade dass hier kein Diskurs über das eigentliche Thema dieses Blogs entsteht – Führung.
Wäre Deutschland ein Unternehmen und ich musste auf kununu bewerten, gäbe es für Führungsverhalten nicht mehr als zwei Sterne. Und das obwohl ich einige der Pandemie-Lösungen wie Impfung voll und ganz unterstütze. Ich befürchte wir erzeugen gerade einen unbeweglichen Tanker, wie z.B. ein Nokia es war. Aber vielleicht muss man auch erst mal einen Eisberg rammen bevor sich unser politisches und gesellschaftliches Betriebssystem transformiert. Schade, denn das Manifest für menschliche Führung, das offensichtlich viele ganz kuhl fanden, zeigt eigentlich wie es besser geht.
PS: Es gibt tatsächlich gute Alternativen zum Mehrheitsentscheid. Zum Beispiel den Konsent, bei dem Widerstände integriert werden.
Vielen Dank, lieber Tobias, für deinen Kommentar und den Versuch, die Diskussion auf das Thema des Blogs zurückzubringen: Auf Führung und in dem Fall auf Führungsversagen. Darum schrieb ich den Artikel auch hier (ich halte mich sonst ja mit politischen Themen eher zurück, obwohl es mich oft reizt). Danke auch für deinen Hinweis auf das Manifest für menschliche Führung, das ein paar kleine Fingerzeige enthält. „Diversität und Dissens mehr als Konformität und Konsens“ steht dort genau um Groupthink zu vermeiden und gemeinsam bessere Lösungen zu finden. Der Mehrheitsentscheid hilft da tatsächlich nur bedingt, wie man auch am Thema der Impfpflicht schön sieht. Alexis de Tocqueville spricht daher schon 1836 von einer Gefahr der „Tyrannei der Mehrheit“
Arachnophobie ist keine angeborene Angst sondern eine Angst die durch Sozialisationensteht, so wie die meisten Ängste. Es lassen sich Ängste sehr wohl erzeugen.
Lieber Marcus,
vielen Dank für diesen Artikel und für den Mut, in diesen dogmatischen Zeiten das Narrativ und seine Folgen kritisch zu beleuchten.
Der nicht stattfindende Diskurs, ja, die tw. erheblichen persönlichen Folgen für Diskursangebote sind oft erschreckend. Die ganz offensichtliche, von Anbeginn zunehmende Spaltung (und ihre Leugnung) sind etwas, das noch sehr viele Jahre ein hochbelastender Teil unser Gesellschaft sein wird.
Die unterschwelligen Feindseligkeiten, die sich in ersten Kommentaren zeigen, sind ein Zeugnis davon; landauf landab. Ich spüre sie leider auch in mir; also versuche ich, nicht mit Steinen zu werfen.
Ich zerbreche mir schon lange den Kopf darüber, wie wir das überwinden können, wie ich das überwinden kann. Wie wir das heilen können. Aber die Absolutheitsansprüche beider Seiten manifestieren sich aktuell eher noch.
Es ist ja auch nicht so, dass das die ersten sich gegenüberstehenden Dogmen in unserer Geschichte sind. Das war nicht immer einfach.
Aber zum ersten Mal seit langer Zeit leitet eine Seite daraus wieder das Recht ab, grundgesetzlich garantierte Freiheiten und das Recht auf körperliche Unversehrtheit (und einiges mehr) auszuhebeln.
Ok, wenn ich weiter schreibe wird es noch ein eigener Blog ;-).
Ach ja, für mich hat Dein Blog 1:1 mit dem Thema menschliche Führung zu tun, weil er erhebliche Defizite in unserer Gesellschaft aufzeigt.
Viele Grüße
Rainer
Herr Dr. Raitner,
ich bin geimpft! Ich vertraue Ärzten. Ich vertraue 50 Millionen meiner Mitmenschen in Deutschland, die sich ebenfalls für eine Impfung entschieden haben. Sich gegen eine Impfung zu entscheiden hat meines Erachtens viel mit Egoismus zu tun und weniger mit gesellschaftlicher Verantwortung. Die Polemik, wir leben in einer Demokratie und jeder hat darin seine Freiheit für sich selbst zu entscheiden, finde ich an der Stelle spätestens beschämend, wo die soziale Wohlfahrt gefährdet ist. Ich vertraue auch Locke, Hobbes und Rousseau. Die nicht ohne Grund in ihren Gedanken zum Gesellschaftsvertrag den natürlichen Egoismus im Naturzustand vorangestellt haben. Die persönliche Nutzenmaximierung vs. gesellschaftlicher Verantwortung, auch in Form von Ethik und Moral. Der Staat legitimiert durch den Gesellschaftsvertrag, greift an der Stelle ein, wo die soziale Wohlfahrt gefährdet ist und die individuelle Nutzenmaximierung zuviel Raum gewinnt. Ich teile Ihre Ansicht zur Spaltung als Ergebnis des staatlichen Handelns nicht. Die Pandemie ist für mich analog 2015 eine Bühne, auf der sich vorhandener Hass, Narzissmus und fehlende Moral als Protagonisten breit machen. Es mag an meinem Umfeld liegen, aber ich führe weniger Diskussionen im akademischen Umfeld, als in einem fernen Bildungsmilieu und erlebe dort keine konstruktive Auseinandersetzung auf der „Seite“ der Impfgegner, sondern Angriffe und ein perverses, faktenfernes Selbstverständnis für die eigene Meinung, aber im Gegenzug keinerlei Respekt für die gesellschaftlicher Verantwortung. Die Tonalität liegt regelmäßig auf subjektiven Einschätzungen. Ergo bin ich auch weniger bereit zuzuhören und andere Meinungen zu akzeptieren. Ich treibe es sogar noch auf die Spitze. Wenn eine Meinung rein auf dem eigenen Egoismus beruht, dann hat diese Meinung auch keinerlei Akzeptanz verdient. Was ich allerdings in der Tat mehr als bedaure, dass die Majorität des individuellen Egoismus die Möglichkeiten der konstruktiven Diskussion erheblich einschränkt. Das liegt aber nicht daran, dass die „Geimpften“ gegen die „Ungeimpften“ (wenn mir der Dualismus an dieser Stelle erlaubt sei) aufbegehren, sondern dass in meiner Wahrnehmung die fehlende Elastizität der Meinungen gegen Impfung und Unverständnis für Maßnahmen so starr ausfällt, dass jeglicher Raum für ehrliches Hinterfragen verlorengegangen ist. Das sieht man selbst auf Linkedin…hier werden Videos aus einer Pathologie gepostet und „gefeiert“, die mit ein wenig Recherche als Polemik, Fake Fakts etc. kenntlich gemacht werden können. Trotzdem macht sich dies selbst in einem intellektuellen Netzwerk breit. Warum?
Nun ist es aber auch so, dass ich Ihnen viele Jahre folge und ihre Ansichten oftmals teile. Deswegen zählen Sie auch zu einem Kreis von Menschen, denen ich ebenfalls vertraue und mich definitiv zum Nachdenken bringen. Nicht wegen Meinungen, sondern wegen Fakten. Allerdings kann ich in der hier beschriebenen Haltung (nicht Meinung) nur wenig erkennen, wie Sie dem Thema Pandemie, Impfung etc. grundsätzlich gegenüber stehen und woraus Sie Ihre Haltung ableiten. Denn da wäre meine aktuelle Antwort…die evidenzbasierte Medizin lieferte mir als Fachfremden genügend Gründe, dass ein Schutz vor dem Virus erforderlich ist…auch wenn wir aktuell noch nicht alle adäquaten Antworten gefunden haben…und aus diesem Grund muss auch ein Souverän manchmal die vermeintlich erstmal offensichtlichen Schlüsse und Maßnahmen ziehen, die sich im Nachhinein als nicht vollständig korrekt erweisen, die aber in der Faktenlage vorerst nicht anders begründet werden konnten. Sie sind aber insofern als korrekt zu werten, solange kein Leid für Leib und Leben daraus resultiert.
Herzlichst, Jens König
Lieber Herr König, danke für diesen ausführlichen Kommentar, der mich auch zum Nachdenken gebracht hat. Ich gebe Ihnen Recht, dass beide Seiten diesen Graben vertiefen, ich in dem Artikel aber nur von der Seite der Minderheit argumentiert hatte. In dieser Minderheit der Menschen die sich warum auch immer gegen eine Impfung entschieden haben gibt es tatsächlich diese von Ihnen beschriebenen radikalen Elemente. Aus meiner Sicht (und in meiner Filterblase) sind das aber die Minderheit und umgekehrt erlebe ich gerade in akademischen Umfeldern sehr viele sehr gut informierte und gerade dadurch kritische Menschen.
Im Kern geht es mir aber ja darum, dass wir miteinander und deshalb will ich mich Ihrem Dialog auch nicht entziehen, auch wenn der Artikel natürlich gar nicht dazu gedacht war mittels Fakten über ein Für und Wider einer Impfung oder gar eine Impfpflicht aufzuklären. Sie nennen Rousseau und da kommt mir seine Definition von Freiheit in den Sinn, die ich sehr schätze:
Was kann man also jemand vorwerfen, der sich nicht impfen lassen will? Sie schreiben von Egoismus und argumentieren gleichsam mit einer moralischen und gesellschaftlichen Verpflichtung, sich impfen zu lassen.
Die Fakten sprechen derzeit allerdings eine andere Sprache: Die derzeit verfügbaren Impfstoffe sind nicht geeignet, eine sterile Immunität und damit eine Herdenimmunität herzustellen. Sie schützen allenfalls in gewissem Maß für eine gewisse Zeit (Booster!) vor einem schweren Verlauf der Krankheit, was ja nicht nichts ist. Gleichzeitig haben die derzeit verfügbaren Impfstoffe signifikante Nebenwirkungen, z.B. ein Risiko von 1:5000 bis 1:1000 (je nach Studie) für eine schwere Herzmuskelentzündung.
Die einzige moralische Verpflichtung die folglich bleiben könnte, wäre durch die flächendeckende Impfung die Schwere der Krankheitslast in der Bevölkerung zu reduzieren und dadurch das Gesundheitssystem zu entlasten oder es wenigstens nicht zu überlasten.
Diese Schwere der Krankheitslast – auch das wissen wir mittlerweile sehr genau – ist in der Bevölkerung völlig ungleich verteilt: alte und / oder vorerkrankte Menschen sind im Wesentlichen die Leidtragenden. Daraus folgt aber, dass das Argument der Reduktion der Krankheitslast differenziert nach Alter betrachtet werden muss. Soll heißen, der gesunde 20-Jährige oder noch extremer das 5‑jährige Kind hat ohnehin ein verschwindendes Risiko das Gesundheitssystem durch COVID-19 zu belasten; die Reduktion dieses Risikos durch die Impfung spielt also bei diesen ohnehin kaum betroffenen Menschen eigentlich keine Rolle.
Eine allgemeine moralische Verpflichtung kann ich daher beim besten Willen nicht erkennen und halte es mit Rousseau.
Sehr weise Antwort, die ich voll teile.
Mir fehlt bei den Kritikern (um mich zu überzeugen) auch das Aufzeigen von Alternativen oder alternativen Maßnahmen. Ich lass mich ja gern überzeugen, aber wer meint, „laufen lassen“ (ohne jede Maßnahme) sei richtig, dem kann ich aufgrund der drohenden Konsequenzen (direkte Todeszahlen, Auslastung Gesundheitswesen mit Kollateralschäden auf andere Erkrankte) sagen, dass ich diese Meinung sicher nicht teile.
Und mich stört ehrlich gesagt (am Beispiel Impfung und Meinungsfreiheit hin oder her), warum einige von diesen Kritikern oft mit Fehlinformationen (hab da schon einige Whatsapp Status gesehen, bei denen selbst Prozentrechnen nicht beherrscht wird) bewusst alle anderen verunsichern wollen. Von mir aus keine Impfzustimmung für sich selbst, aber alle anderen davon überzeugen wollen? Warum?
Und anders als bei manchen anderen Themen, hat in diesem Fall die eigene Haltung eine Auswirkung auf die Gesellschaft.
Ich bin auch nicht der Meinung, dass die Politik versagt hätte. Im Gegenteil, sehe ich es als große Errungenschaft der Politik, dass sie unliebsame Maßnahmen unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Beratung getroffen haben, obwohl sie damit Wählerstimmen riskieren. Das passiert oft genug nicht, sondern es werden in der Regel lieber nur Geschenke verteilt OHNE die Wahrheit zu sagen (Rente & Co.).
Ich glaube Angst funktioniert in (Quasi-)Diktaturen als Form von Machterhalt (siehe Weißrussland, Türkei, China), nicht aber in normalen Demokratien. Übrigens haben die meisten (westlichen) Länder ähnlich reagiert, so schlecht kann das im Großen und Ganzen nicht gewesen sein (oder zeige mir einer DAS Vorzeigeland).
Das zeigt mir weiterhin, dass in der Demokratie ja auch die Bürger mittelfristig Einfluss darauf haben und zwar mit dem Ergebnis des letzten Bundestagswahl, dass die Kritiker von allem (im Wesentlichen ja nur die AfD) nicht viel besser als vorher weg kamen und die bisher Verantwortlichen (halbe Regierung) aus dem Amt gewählt wurden.
Am Ende glaube ich, hätte es auch keinen optimalen Politiker gegeben, der alles richtig gemacht hätte (und man hat als Bürger den Vorteil, im Nachhinein klug daher reden zu können). Jeder hätte Fehler gemacht, jeder von uns an der Position, jeder Top-Manager, einfach jeder.
Ich glaub die Politiker machen es sich nicht zu leicht. Keiner hat Spaß daran solche Entscheidungen zu treffen (oder nicht zu treffen), keiner hat einen persönlichen Vorteil (die Masken-Dealer mal ausgenommen).
Und genauso sehe ich wie Jens als Fachfremder, dass man an manchen Punkten auch Fachleuten einfach vertrauen kann und sollte. Ja, hinterfragen, aber sich von Fakten und Argumenten überzeugen lassen.
Ich teile aber auf jeden Fall auch Marcus‘ Schlusswort, den Dialog zu pflegen und Argumente auszutauschen.
Hallo Marcus, ich konnte den beitrag jetzt erst lesen, aber erhat nur noch an Aktualität gewonnen, wenn man die Lage rund um die Ukraine mit einbezieht. Diskurs oder Konsens kommt heute nicht mehr vor, man sieht das deutlich an den Lagern Riegierung und Oposition. besser ist eine Spaltung doch gar nicht darzustellen. Niemand in der 3er Koalition ist an der meinung der Oposition interssiert und die Mächtigen wollen ihre Position, die sie als die einzig wahre und richtige sehen, durchsetzen. Das hat sich nun von der Politik deutlich auf die Geschellschaft übertragen. Die Frage, wer Hass und Hetze verbreitet oder zumindest begünstigt, möchte ich gar nicht erst stellen. Hoffentlich erreicht diese Schieflage nicht unsere betriebe und die Belegschaften. Und genau hier schließt sich der Kreis zum Thema Führung. Die Kunst der Diplomatie, ob in der Politik, der gesellschaft oder im Unternehmen, ist auf dem Rückzug. Die Auseinadersetzungen werden intensiver und härter. Die Lösungen aber schlechter.