Was bringt die Agilität? Eine berechtigte Frage vieler Manager, die spüren, dass die Methoden von vorgestern heute zu langsam und schwerfällig sind und sich deshalb Abhilfe durch agile Methoden versprechen. Immerhin verspricht der Titel eines (im Übrigen lesenswerten) Standardwerks über Scrum, dass damit doppelt so viel in der Hälfte der Zeit erledigt werden kann (Sutherland, 2019). Welcher Manager kann dazu schon Nein sagen? Aber lässt sich der versprochene Nutzen von Agilität wirklich derart verkürzen auf Schnelligkeit und Effizienz?
Es kommt darauf an. Es gibt tatsächlich Aspekte, die durch Agilität beschleunigt werden, das Lernen beispielsweise. Durch empirisches Vorgehen lernt das Team durch Versuch und Irrtum, was gut funktioniert und was weniger. Im Gegensatz zu einem analytischen und plangetriebenen Vorgehen wird viel früher und häufiger am lebenden Objekt und mit echten Kunden getestet, dadurch gelernt und die Richtung geändert. Agil bedeutet also primär wendig und nicht schnell oder effizient.
There is surely nothing quite so useless as doing with great efficiency what should not be done at all.
Peter Drucker (Drucker, 1963)
Lernen beschränkt sich bei agilen Methoden aber nicht nur auf das Produkt und seine Akzeptanz bei den Kunden, sondern bedeutet in bester Tradition des Lean Managements auch ein kontinuierliches Verbessern der Zusammenarbeit. „In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an“, heißt es deshalb in den Prinzipien hinter dem Manifest für agile Softwareentwicklung aus dem Jahr 2001. Zu beachten ist dabei, dass auch hier – und bestimmt nicht aus Versehen – von „effektiver“ und nicht „effizienter“ die Rede ist. Die Wendigkeit als Kern von Agilität zielt auf Effektivität, also darauf, die richtigen Dinge zu tun, anstatt einfach mehr Arbeit mit höherem Druck durch das System zu pressen.
If the ladder is not leaning against the right wall, every step we take just gets us to the wrong place faster.
Steven R. Covey (Covey, 2004, S. 98)
Agilität sorgt primär dafür, dass die Leiter immer an der richtigen Wand lehnt, bevor mit dem Streichen begonnen wird, auch und gerade dann, wenn diese Wand sich als „moving target“ herausstellt. Durch diese Effektivität ergibt sich über die gesamte Laufzeit der Produktentwicklung gerade in komplexen Umfeldern eine Beschleunigung, weil weniger Verschwendung anfällt. Die Beteiligten stellen eben nicht erst nach dem Streichen fest, dass die Leiter leider doch falschen Wand lehnte, sondern überprüfen das frühzeitig durch Feedback vom Hauseigentümer.
Literatur
Covey, S. R. (2004). The 7 Habits of Highly Effective People: Powerful Lessons in Personal Change (Rev. ed.). Free Press.
Drucker, P. F. (1963). Managing for Business Effectiveness. Harvard Business Review. https://hbr.org/1963/05/managing-for-business-effectiveness
Sutherland, J. (2019). Scrum: The art of doing twice the work in half the time. rh Random House Business.
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