Studie: Burnout-Gefahr in IT-Projekten steigt

Die Arbeit in IT-Pro­jek­ten wird zuneh­mend als belas­tend emp­fun­den. Das geht aus einer aktu­el­len Stu­die des Insti­tuts Arbeit und Qua­li­fi­ka­ti­on (IAQ) der Uni­ver­si­tät Duis­burg-Essen hervor:

Ledig­lich 29% der Befrag­ten gaben an, nach der Arbeit pro­blem­los „abschal­ten“ zu kön­nen […]. Nur noch 37% der IT-Spe­zia­lis­ten glau­ben, ihre Tätig­keit sei auf Dau­er durchzuhalten.

Im Ver­gleich zu frü­he­ren Unter­su­chun­gen ist dies eine deut­li­che Ver­schlech­te­rung: 2008 konn­ten noch 51% abschal­ten und fühl­ten sich 57% in der Lage die Tätig­keit auf Dau­er durchzuhalten. 

Die mit 331 Teil­neh­mern breit ange­leg­te Stu­die iden­ti­fi­ziert fünf Risikogruppen:

  1. Pro­jekt­ein­stei­ger ohne Pro­jekt- oder Pro­jekt­ma­nage­ment­kennt­nis­se. Zur Bewäl­ti­gung der Anfor­de­run­gen fehlt ihnen oft die nöti­ge Ein­ar­bei­tung; sie wer­den qua­si ins kal­te Was­ser geworfen.
  2. Auf­stei­ger in neu­er Posi­ti­on kämp­fen mit Pro­ble­men der Rol­len­fin­dung und man­geln­der Vor­be­rei­tung auf die neue Position.
  3. Mobi­le Beschäf­ti­ge ver­brin­gen den größ­ten Teil ihrer Arbeits­zeit beim Kun­den und kämp­fen daher mit erheb­li­chen Zusatz­be­las­tun­gen durch Rei­se­tä­tig­keit und mas­si­ven Ein­schnit­ten in das Privatleben.
  4. Mehr­stel­len­in­ha­ber sind „Die­ner meh­re­rer Her­ren“, sie haben meh­re­re Auf­ga­ben, mög­li­cher­wei­se in meh­re­ren Pro­jek­ten (aller­dings ohne Lei­tungs­funk­ti­on). Sie müs­sen selbst die Anfor­de­run­gen in Balan­ce brin­gen und Ter­mi­ne koordinieren.
  5. (Multi-)Projektmanager sind sozu­sa­gen Mehr­stel­len­in­ha­ber mit Lei­tungs­funk­ti­on. Selbst in einem ein­zel­nen Pro­jekt sind eine Viel­zahl von Auf­ga­ben und Hüten in Ein­klang zu brin­gen, was sich bei meh­re­ren Pro­jek­ten gleich­zei­tig noch mas­siv verstärkt.

Einen ers­ten Ansatz­punkt für eine Ver­bes­se­rung der Arbeits­be­din­gun­gen lie­fert ein Ver­gleich von hoch und gering Beanspruchten:

Gering Bean­spruch­te ver­fü­gen im Ver­gleich zu hoch Bean­spruch­ten über mehr Gestal­tungs­ein­fluss bei der Arbeit, über mehr arbeits­im­ma­nen­te Erho­lungs­mög­lich­kei­ten wie Pau­sen oder arbeits­freie Wochen­en­den, und sie erle­ben eine bes­se­re Führungsqualität.

Ent­spre­chend fal­len die Emp­feh­lun­gen zur Arbeits­ge­stal­tung aus. An der Stel­le grei­fe ich nur eini­ge Maß­nah­men her­aus, die ich aus eige­ner Erfah­rung sehr emp­feh­len kann:

  • Ein­satz von Füh­rung­stan­dems (Dop­pel­spit­zen) In grö­ße­ren Pro­jek­ten fast schon ein Muss, in klei­ne­ren kann die Dop­pel­spit­ze in Form eines erfah­re­nen Coachs für den (u.U. noch jun­gen und uner­fah­re­nen) Pro­jekt­lei­ter her­ge­stellt werden.
  • Block­zei­ten für das stö­rungs­freie Bear­bei­ten von kon­zen­tra­ti­ons­in­ten­si­ven Auf­ga­ben. Ich weiß, wie nütz­lich kur­ze Wege sind und wie schön es ist vie­les auf Zuruf machen zu kön­nen, aber ich weiß auch wie sehr es die Kon­zen­tra­ti­on für alle im Raum stört. Stil­le Stun­den oder Rück­zugs­räu­me sind ein fai­rer Kom­pro­miss für die­ses Dilem­ma. Die Eta­blie­rung und Durch­set­zung die­ser Regeln ist eine wich­ti­ge Füh­rungs­auf­ga­be für den Projektleiter.
  • Offe­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on über das The­ma Belas­tung, z.B. als regel­mä­ßi­ger Bestand­teil von Stan­dup­mee­tings. Ist aller­dings eine Fra­ge der Kul­tur, die der Pro­jekt­lei­ter in sei­nem Pro­jekt geschaf­fen hat: Wenn es nicht erlaubt ist „Schwä­che“ zu zei­gen, wird auch nicht dar­über gespro­chen wer­den. In die­sem Kli­ma prä­ven­tiv im Sin­ne einer gesün­de­ren Arbeits­ge­stal­tung tätig zu wer­den ist unmöglich.


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    Ein Kommentar

    Stephan List 23. Oktober 2015 Antworten

    Viel­leicht wür­de es manch­mal schon rei­chen, wenn man­che Unter­neh­men sich an ihre Pflich­ten erin­ner­ten und

    (a) sich ans Arbeits­zeit­ge­setz hiel­ten (ArbZG: http://goo.gl/57wfiy) und
    (b) eine umfas­sen­de Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung unter Ein­schluss der psy­chi­schen Gefähr­dungs­fak­to­ren durch­führ­ten (Arbeits­schutz­ge­setz ArbSchG: http://goo.gl/1wRm9L) durchführten.

    M.E. wäre mit die­sem ein­fa­chen Sich-an-die-Spiel­re­geln-hal­ten schon viel gewonnen.
    Die o.a. Vor­schlä­ge sind sicher rich­tig, jedoch soll­te vor dem Ergrei­fen von Maß­nah­men erst eine Ana­ly­se des Ist-Zustands (Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung) vor­ge­nom­men wer­den. Oder wie Kurt Lewin sagt: Kei­ne Maß­nah­me ohne Diagnose.

    Lie­be Grüße,
    Stephan

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