Mit dem Erfolg von Twitter ist das Thema Microblogging im Unternehmen angekommen. Das Whitepaper von Wilms Buhse auf doubleyuu zeigt verschiedene Einsatzszenarien des neuen Mediums im Unternehmen: von Projektmanagement bis zur Vertriebsunterstützung; Anforderungen an Microblogging-Werkzeuge werden definiert und verfügbare Lösungen evaluiert. Leider trägt das Whitepaper einen faden Beigeschmack der Voreingenommenheit – schließlich entstand es in Zusammenarbeit mit Communardo, dem Hersteller der Microblogging-Software communote. Wenig verwunderlich, dass die wichtigste Frage nicht gestellt wird: Wieviel nützt Microblogging im Unternehmen tatsächlich?
Im Unternehmen – und insbesondere im Projektmanagement – sind bereits eine Vielzahl von Medien im Einsatz. Nicht wenige klagen schon heute über „Information Overload“. Warum also Microblogging? Welche Probleme löst es und sind dies die wichtigsten Probleme? Mich erinnert der Hype um Enterprise Microblogging derzeit zu sehr am Paul Watzlawick:
Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.
Ich bezweifle nicht, dass Microblogging im Unternehmen einen Nutzen haben kann; als fein-granularer Ersatz für Statusberichte im Projekt und als permanente, asynchrone Standup-Meetings sehe ich durchaus Erfolg versprechende Anwendungsgebiete. Den weitaus größeren Hebel bietet eine Kommunikationskultur geprägt von Wertschätzung und Ehrlichkeit. Nur mit der richtigen Komunikationskultur bringen zusätzliche Kommunikationskanäle einen zusätzlichen Nutzen. Fehlt diese Kultur, herrscht gar Angst, bleibt auch Microblogging nur eine weitere Manifestation ineffizienter Kommunikationsmuster. Oder plakativer: Wird der Überbringer der schlechten Nachricht weiterhin geköpft, werden die schlechten Nachrichten auch über Twitter nicht bereitwilliger kommuniziert.
Wenn Projektleiter oder Manager das Gefühl haben, dass wichtige Informationen nicht, zu spät oder verfälscht und geschönt zu ihnen durchdringen, ist das in den allermeisten Fällen keine Frage des Mediums, sondern der Kultur. Diese Kultur zu verändern ist die wichtigste Führungsaufgabe; deutlich schmerzhafter als ein neues Werkzeug einzuführen, aber auch deutlich effektiver.
Update 14.06.2010
Dr. Stefan Hagen nennt in seinem Artikel Warum scheitern Projekte ebenfalls professionelle Kommunikation als wesentlichen Erfolgsfaktor:
Die Kommunikationskultur ist in vielen Projekten und Unternehmen einfach immer noch schlecht. Umgekehrt ist eine gute und professionelle Kommunikation DER größte “Hebel” in Projekten.
(Gefunden über die Liste Top-25: Warum Projekte ständig scheitern)
Update 16.6.2010
Schönes Beispiel über den Umgang eines CIO mit negativer Kritik seiner Mitarbeiter im Artikel von Naomi Kerten:
One of the most important responsibilities of a CIO (or anyone in a leadership position) is to serve as a role model. If he invites feedback and then suggests by word or deed that only positive feedback is welcome, he fails as a role model. He also guarantees that critical feedback – the kind he really ought to hear – will be withheld.
Wie gesagt: Wenn kritisches Feedback oder schlechte Nachrichten bestraft werden, werden genau diese Informationen zurückgehalten. Die Führungsaufgabe wird mit unvollständigen Informationen aber zum gefährlichen Blindflug.
2 Kommentare
Danke für die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Enterprise Microblogging.
Ich stimme mit Ihnen absolut überein, dass die Kultur ein viel wichtiger Faktor is als ein Tool wie z.B. Communote. Allerdings merken wir sehr wohl das eine offene Kulur im Unternehmen viel besser mit dem Einsatz von Web2.0 Tools wie Wikis, Blogs und auch eben Microblogs erfolgen kann und das Potential in der Kommunikation liegt. Bei Communardo haben wir die interne Kommunikation per E‑Mail abgeschafft und kommunizieren zu Themen und Projekten offen und Teamübergreifend in Mircoblogs.
Die Frage nach dem Nutzen von Microblogging beschäftigt uns gerade auch sehr, sodass wir im Rahmen einer Diplomarbeit hierzu eine Annährung versuchen.
Ich lade Sie ein sich hierzu im Rahmen einer Umfrage zu beteiligen: http://www.communote.com/homepage/2010/06/10/umfrage-zum-nutzen-und-einsatz-von-enterprise-microblogging/
Danke für den Hinweis auf die Diplomarbeit und die Umfrage. Habe soeben teilgenommen. Es ist definitiv eine wichtige Fragestellung, aber ich würde es begrüßen, wenn sie unabhängig bearbeitet würde und nicht durch einen Hersteller einer entsprechenden Softwarelösung. Ich zweifle nicht daran, dass sich der Einsatz von Enterprise Microblogging lohnt, wenn in einer Firma das richtige Klima herrscht. Ist das nicht der Fall, wird sich das Investment nie rechnen, weil es nicht das eigentliche Problem löst. In einer Diplomarbeit, die sich mit der Wirtschaftlichkeit auseinandersetzt, würde ich erwarten, dass auch dies thematisiert wird. Die Umfrage geht leider nicht in diese Richtung; sie hat die ideale Kultur wohl zur (unausgesprochenen) Voraussetzung.