Projekte scheitern zu Beginn

Pro­jek­te schei­tern nicht am Ende, Pro­jek­te schei­tern zu Beginn. Der Pro­jekt­start erfor­dert die gan­ze Füh­rungs­er­fah­rung des Pro­jekt­lei­ters. Anstatt aber das Pro­jekt mit sei­nem Umfeld aktiv zu gestal­ten, anstatt also am Sys­tem zu arbei­ten, wird sofort los­ge­legt, ein­fach mal gemacht, also im Sys­tem gear­bei­tet. Selbst wenn die Zie­le und der Umfang noch gar nicht so genau bekannt sind. Eini­ge weni­ge Tage Pro­jekt­in­itia­li­sie­rung brin­gen erstaun­li­chen Nut­zen: unaus­ge­spro­che­ne Annah­men kom­men früh­zei­tig auf den Tisch anstatt sich in der Tie­fe des Pro­jekts gärend anzu­stau­en. Die fol­gen­den Vor­ge­hens­wei­se hat sich für mich bewährt.

Am Anfang eines Work­shops zur Pro­jekt­in­itia­li­sie­rung steht die Fra­ge nach dem Nut­zen und den Zie­len: War­um soll das Pro­jekt gemacht wer­den? Die Grün­de sind viel­fäl­tig und rei­chen von der Erfül­lung neu­er gesetz­li­cher Vor­ga­ben über die Ablö­se ver­al­te­ter Tech­no­lo­gien bis hin zu einer völ­lig neu­en stra­te­gi­schen Aus­rich­tung eines Unter­neh­mens. In der Pra­xis fin­det sich meist aber eine Mischung aus meh­re­ren Grün­den, z.B. wenn eine alte Soft­ware auf dem Main­frame nach SAP migriert wer­den soll und die gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen eine will­kom­me­ne Begrün­dung dafür lie­fern. Eine sol­che Ver­mi­schung von ver­schie­de­nen Nut­zen­aspek­ten des Pro­jekts führt meist zu Abhän­gig­kei­ten und teil­wei­se zu Wider­sprü­chen. Das ist völ­lig nor­mal und auch beherrsch­bar, aber nur wenn man die­se Abhän­gig­kei­ten kennt und in der Pla­nung berück­sich­ti­gen kann. Um im Bei­spiel der SAP-Migra­ti­on auf­grund gesetz­li­cher Anfor­de­run­gen zu blei­ben, wäre es viel­leicht sinn­voll eine ers­te Pha­se so zu pla­nen, dass auf jeden Fall die gesetz­li­chen Bestim­mung erfüllt wer­den auch wenn ande­re Funk­tio­nen noch feh­len und die Migra­ti­on noch nicht abge­schlos­sen ist.

Nach dem Nut­zen geht es zu den Pro­jekt­in­ter­es­sen­ten: Wer ist direkt oder indi­rekt vom Pro­jekt oder den Ergeb­nis­sen des Pro­jekts betrof­fen oder hat Inter­es­se am Pro­jekt? Auch die­se Umfeld­ana­ly­se ist kein Hexen­werk, birgt aber erheb­li­che Risi­ken wenn sie schlam­pig oder gar nicht durch­ge­führt wird. Die Alarm­glo­cken schril­len bei mir immer dann, wenn es heißt: „Ist doch eh alles klar!“ Ist es näm­lich meist nicht. Oder ist jeden­falls nicht deckungs­gleich. Wie beim Nut­zen und den Zie­len des Pro­jekts liegt der Mehr­wert einer sau­be­ren Umfeld­ana­ly­se in einen Pro­jekt­in­itia­li­sie­rungs-Work­shop nicht nur im kon­kre­ten Ergeb­nis, also einer Lis­te von Zie­len oder einer Stake­hol­der-Matrix, son­dern haupt­säch­lich dar­in, dass expli­zit dar­über dis­ku­tiert wird und sich ein gemein­sa­mes Ver­ständ­nis einstellt.

Wäh­rend der Dis­kus­si­on über Nut­zen, Zie­le und Inter­es­sen­ten wer­den nor­ma­ler­wei­se jede Men­ge Risi­ken ent­deckt, die im drit­ten Teil des Work­shops auf­ge­sam­melt und bewer­tet wer­den. Für sich genom­men auch nicht schwie­rig, aber lei­der oft sträf­lich ver­nach­läs­sigt: Wer beschäf­tigt sich zu Beginn vol­ler Taten­drang schon ger­ne mit dem was schief gehen kann.

Sobald Nut­zen und Zie­le, das Umfeld und die Risi­ken aus­rei­chend ver­stan­den sind, kann mit der gro­ben Pha­sen­pla­nung begon­nen wer­den. Im oben genann­ten Bei­spiel der SAP-Migra­ti­on könn­te sich z.B. ein Vor­ge­hen in zwei Pha­sen erge­ben: die ers­te Pha­se hät­te das Ziel die gesetz­li­chen Bestim­mun­gen zu erfül­len, wäh­rend die zwei­te Pha­se, viel­leicht sogar ite­ra­tiv in klei­nen Sprints, die feh­len­de Funk­tio­na­li­tät lie­fert. Es geht in die­sem Schritt dar­um das Pro­jekt top-down zu pla­nen und die gro­ßen Pha­sen, ihre Zie­le und ihren Umfang grob zu definieren.

Nach einem Tag Work­shop ist das Pro­jekt damit grob umris­sen und es herrscht ein gemein­sa­mes Ver­ständ­nis des Pro­jekts. Der Anfang ist damit gemacht. Nun kann die ers­te Pha­se genau­er geplant wer­den und ein Pro­jekt­team zusam­men­ge­stellt werden.

Für eine Pro­jekt­in­itia­li­sie­rung ist es nie zu spät. In abge­wan­del­ter Form lohnt sich ein sol­cher Work­shop auch für bereits lau­fen­de Pro­jek­te zur Jus­tie­rung oder auch zur Neuausrichtung.

Bild­nach­weis: Das Arti­kel­bild wur­de von Nor­lan­do Pob­re unter dem Titel „Start your engi­ne“ auf Flickr unter eine Crea­ti­ve Com­mons Lizenz (CC BY 2.0) veröffentlicht.



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