Die Multiprojekt-Eskalationsspirale

Als ver­ant­wor­tungs­vol­ler Pro­jekt­ma­na­ger ist man immer bemüht um das rich­ti­ge Maß an Span­nung und Anfor­de­rung im Pro­jekt­team. Nicht zu viel, jeden­falls nicht zu lan­ge zu viel, aber auch nicht zu wenig. Ein Zustand des Flie­ßens, in dem kon­zen­triert und ruhig gear­bei­tet wer­den kann. Das Gefühl im Team alles schaf­fen zu kön­nen. Gelingt natür­lich nicht immer und wenn es gelingt, ist die­ser Gleich­ge­wichts­zu­stand stän­dig bedroht. Auch und gera­de durch die umge­ben­de Mul­ti­pro­jekt-Orga­ni­sa­ti­on, die sta­bil lau­fen­de Pro­jek­te als Res­sour­cen­puf­fer für weni­ger gut auf­ge­stell­te Pro­jek­te betrachtet.

Mul­ti­pro­jekt-Orga­ni­sa­tio­nen füh­ren mit einer gemein­sa­men Men­ge an Mit­ar­bei­tern gleich­zei­tig von­ein­an­der unab­hän­gi­ge Pro­jek­te durch. Das hat ohne Fra­ge Vor­tei­le. Hoch­spe­zia­li­sier­te Exper­ten, die jedes Pro­jekt braucht, aber eben nur zu einem Bruch­teil, kön­nen ihre Kapa­zi­tät meh­re­ren Pro­jek­ten zur Ver­fü­gung stel­len und so effi­zi­ent ein­ge­setzt wer­den. Außer­dem erreicht man durch die gleich­zei­ti­ge Bear­bei­tung von meh­re­ren Pro­jek­ten in der Regel eine höhe­re Aus­las­tung der Mit­ar­bei­ter wie bei rein sequen­ti­el­ler Bear­bei­tung der Pro­jek­te, weil Schwan­kun­gen der Team­stär­ke bes­ser kom­pen­siert wer­den können. 

In einer sol­chen Mul­ti­pro­jekt-Orga­ni­sa­ti­on ist es also nicht unge­wöhn­lich, son­dern sogar prin­zi­pi­ell gewünscht, dass Mit­ar­bei­ter zwi­schen den Pro­jek­ten wäh­rend der Pro­jekt­lauf­zeit wech­seln. Wenn bei­spiels­wei­se in Pro­jekt A die wesent­li­chen Wei­chen schon gestellt sind und der Weg bis zur Abnah­me eigent­lich klar erscheint, kann es gut sein, dass der erfah­re­ne Sys­tem­ar­chi­tekt schon in Pro­jekt B wech­selt, das gera­de in der Kon­zep­ti­ons­pha­se die Archi­tek­tur fest­legt und die­se Wei­chen erst stel­len muss. Klingt gut. Jeden­falls so lan­ge es in Pro­jekt A nicht zu einer grö­ße­ren Ände­rung oder Kata­stro­phe kommt. Dann geht der Kampf um die Kapa­zi­tät die­ses einen Sys­tem­ar­chi­tek­ten los.

In die­sem Kampf kommt es in ers­ter Linie dar­auf an, wel­cher Pro­jekt­ma­na­ger die schlim­me­ren Fol­gen eines Abzugs des umkämpf­ten Mit­ar­bei­ters dar­stel­len kann. Wenn ich nun mein Pro­jekt in den ein­gangs beschrie­be­nen Gleich­ge­wichts­zu­stand gebracht habe, dann habe ich in der Regel in die­sem Kampf die schlech­te­ren Kar­ten. Cha­rak­te­ris­tisch für die­sen Zustand ist ja gera­de eine ver­nünf­ti­ge Aus­las­tung und damit ein gewis­ser Puf­fer um Unvor­her­ge­se­he­nes abzu­fe­dern. Inso­fern kann man den Abzug eines woan­ders drin­gen­der benö­tig­ten Mit­ar­bei­ters schon kompensieren. 

In einer Mul­ti­pro­jekt-Orga­ni­sa­ti­on gewin­nen also die­se Res­sour­cen­kon­flik­te ten­den­zi­ell die­je­ni­gen Pro­jek­te die weni­ger gut auf­ge­stellt sind. Solan­ge bis es kei­ne Pro­jek­te in einem gesun­den Gleich­ge­wichts­zu­stand mehr gibt und alle hek­tisch und über­las­tet arbei­ten, weil jeg­li­che Puf­fer zur Kom­pen­sa­ti­on umver­teilt wur­den. Die Mul­ti­pro­jekt-Eska­la­ti­ons­spi­ra­le hat ihren obe­ren End­punkt erreicht. Folg­lich ten­die­ren auf­grund die­ser Umver­tei­lungs­pra­xis alle Pro­jek­te einer Mul­ti­pro­jekt-Orga­ni­sa­ti­on Rich­tung Mit­tel­maß und alle Teams Rich­tung Überlast.

(Bild­nach­weis: Das Arti­kel­bild wur­de von ZeroO­ne unter dem Titel „Spi­ral stair­ca­se“ auf Flickr unter einer Crea­ti­ve Com­mons Lizenz (CC BY-SA 2.0) ver­öf­fent­licht.)



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27 Kommentare

Wolfram Müller 28. Juli 2013 Antworten

Hal­lo Marcus,
dei­ne sys­te­mi­sche Beschrei­bung der Eska­la­ti­ons­spi­ra­le ist sehr gut getrof­fen – die­se Situa­ti­on sehen wir (als Bera­ter) in fast jedem Unter­neh­men zu dem wir geru­fen wer­den. Und irgend­wie fehlt in dei­nem Blog-Arti­kel die Lösung für die Eskalationsspirale…

Aber wenn man ein sys­te­mi­sches Pro­blem lösen will muss man an die grund­le­gen­den Glau­bens­sät­ze ran. Hier mal ein paar Bei­spie­le, wie man die Mul­ti­pro­jekt­steue­rung noch den­ken kann – näm­lich nicht als loka­le Opti­mie­rung von drei Rol­len – son­dern als abge­stimm­tes Kon­zert aller drei Beteiligten:

#1 man könn­te die Rol­le des Pro­jekt­ma­na­ger auch anders defi­nie­ren. Der Pro­jekt­ma­na­ger als der­je­ni­ge, der einen guten steu­er­ba­ren Pro­jekt­plan ver­ant­wor­tet – also gute Auf­trags­klä­rung, gute Struk­tu­rie­rung und Klä­rung der Ver­ant­wort­lich­kei­ten. Nix mit Kampf um Ressourcen.

#2 man könn­te (oder ist er das nicht schon) den Team­lei­ter für den unge­stör­ten Fluss ver­ant­wort­lich machen? Er wäre dann ver­ant­wort­lich, dass sei­ne Leu­te top befä­higt sind und unge­stört arbei­ten dür­fen! Er wür­de sei­ne Res­sour­cen immer dem Pro­jekt geben, das es am nötigs­ten hat.

#3 das obe­re Manage­ment ist dafür ver­ant­wort­lich, dass kein Team (z.B. gera­de die Exper­ten) über­las­tet ist. So dass alle im Fluss arbei­ten kön­nen und der bes­te Out­put (Durch­satz) entsteht.

Wenn man dann das Prin­zip ein­führt, dass das Pro­jekt mit der größ­ten Schief­la­ge – alle not­wen­di­ge Auf­merk­sam­keit bekommt – was übri­gens super sinn­voll ist, da ja am Schluss nur der Erfolg des gan­zen Port­fo­lio zählt – funk­tio­niert das gan­ze ohne Eskalationsspirale.

Die Knack­punkt sind a) wie macht man das, dass kein Team über­las­tet ist? und b) wor­an erkennt ich die ope­ra­ti­ve Schief­la­ge eines Projektes?
a) ist ein­fach wenn man am Eng­pass (z.B. den Exper­ten) die Pro­jek­te wie auf einer Per­len­schnur auf­reiht (staf­felt). Das obe­re Manage­ment sieht ob sie die Auf­ga­be rich­tig gemacht haben, wenn weni­ger als 10% der Pro­jek­te „rot“ (in Schief­la­ge) sind.
b) ist auch ein­fach, wenn man die gan­zen ver­steck­ten Puf­fer aus den Arbeits­pa­ke­ten nach hin­ten packt, kann man die Schief­la­ge über das Ver­hält­nis von Fort­schritt (auf der kri­ti­schen Ket­te) zu Puf­fer­ver­brauch jeden Tag ermit­teln. Mehr Puf­fer­ver­brauch als Fort­schritt = rot.

… das hört sich jetzt alles viel­leicht ver­rückt an – ist aber seit ca. 20 Jah­ren als Cri­ti­cal Chain bekannt (auf Open-PM gibt es einen ent­spre­chen­den Arti­kel https://www.openpm.info/display/openPM/Critical+Chain ). Es gibt immer mehr Unter­neh­men, die dar­auf umstel­len – ein­fach weil der Kampf zu viel Ener­gie kos­tet und die Men­schen beschä­digt. Der letz­te Erfolgs­be­richt für Cri­ti­cal Chain ist Maz­da – die haben durch die Umstel­lung 50% Pro­jekt­lauf­zeit und 30 – 40% Auf­wand im Pro­jekt gespart.

Cu Wolf­ram

p.s.: die Ein­füh­rung von Cri­ti­cal Chain ist dann nicht ganz so ein­fach – hier gilt es die alten „Kämpfer“-Glaubenssätze aus den Köp­fen des mitt­le­ren Manage­ments zu ent­ler­nen und die neue zu eta­blie­ren. Aber das ist ja unser Geschäft!

Marcus Raitner 29. Juli 2013 Antworten

Wie Du schon rich­tig fest­stellst, ging es mir weni­ger um eine Lösungs­fin­dung und mehr um die Beschrei­bung des Pro­blems. Dan­ke, dass Du auf Cri­ti­cal Chain als eine mög­li­che Lösung hin­weist. Ich kann nicht beur­tei­len, inwie­weit das tat­säch­lich hilf­reich ist, will Dir das aber ger­ne glau­ben. Aber nicht als Patent­re­zept, son­dern als eine Lösung in einem gro­ßen Lösungs­raum. Dei­nen Enthu­si­as­mus für Cri­ti­cal Chain in Ehren, aber Dei­ne Kom­men­ta­re und Arti­kel haben für mich immer ein klein wenig zu sehr den Ton eines Sales-Pitch. Das macht es mir (und ver­mut­lich auch eini­gen ande­ren) schwie­rig sich auf eine Dis­kus­si­on einzulassen.

Wolfram Müller 29. Juli 2013 Antworten

ooops ich woll­te sicher nichts verkaufen …

… nur ein­la­den mal über den Tel­ler­rand hin­aus­zu­schau­en. Die meis­ten Pro­ble­me, die wir im Mul­ti­pro­jekt­ma­nage­ment sehen (z.B. die Eska­la­ti­ons­spi­ra­le) hän­gen mit unse­rer Idee wie die Rol­le des Pro­jekt­ma­na­ger gestal­tet ist zusam­men – loka­le Opti­mie­rung – mein Sohn wür­de „Over Powered“ dazu sagen. Die meis­ten Lösun­gen, die ich sehe (u.a. agi­le Metho­den) sind lei­der nur Symptombehandlungen.

@Marcus – hast du eine Idee wie wir das mal dis­ku­tie­ren könn­ten – ohne, dass ich jemand auf die Füße tre­te? Auf­rüt­teln ohne vor den Kopf zu stoßen?

Ich bin hier sehr inter­es­siert – ein­fach wegen mei­nem Enthu­si­as­mus, der dadurch genährt ist, dass ich das halt schon bei einer gan­zen Rei­he Fir­men gese­hen habe wie es funk­tio­niert und das Leuch­ten in die Augen der Mit­ar­bei­ter zurück kommt …

Marcus Raitner 29. Juli 2013 Antworten

Es klingt bei Dir lei­der meist so als woll­test Du etwas ver­kau­fen. Für den Blick über den Tel­ler­rand und den Link zu Cri­ti­cal Chain, das ja wirk­lich eine Lösung für das Pro­blem sein könn­te. Wenn Du aber so lei­den­schaft­lich mit nur die­sem einen The­ma argu­men­tierst, dann füh­le ich mich immer an das Sprich­wort erin­nert, dass alles wie ein Nagel aus­sieht, wenn man nur einen Ham­mer als Werk­zeug hat. Ist nicht böse gemeint, son­dern als Feed­back, wie das bei mir (und ande­ren ver­mut­lich auch) ankommt. Wir kön­nen die­se The­ma­tik (also die Mul­ti­pro­jekt­the­ma­tik) ger­ne auf openPM oder noch bes­ser in einer Ses­si­on auf dem PM Camp in Dorn­birn diskutieren.

Bernhard Schloß 28. Juli 2013 Antworten

Ich glau­be, es greift zu kurz, nur auf den Res­sour­cen­kon­flikt abzu­zie­len. Das ein­zel­ne Pro­jekt im Kon­text eines Pro­jekt­port­fo­li­os ist voll­kom­men anders zu bewer­ten, als aus Port­fo­lio Sicht: Das Schei­tern eines ein­zel­nen Pro­jekts ist aus Sicht des Pro­jekts eine Kata­stro­phe, aus Sicht des Port­fo­li­os aber viel­leicht ein Schritt auf einer Lernkurve.

Nach­dem wir nicht in einer idea­len Welt leben, müs­sen wir auch ler­nen Wider­sprü­che und Kon­flik­te zu akzeptieren. 

@Wolfram: Opti­mie­rungs­lö­sun­gen, wie Cri­ti­cal Chain sug­ge­rie­ren ein kom­plett ande­res Welt­bild und kön­nen auf­grund ihrer Effi­zi­enz mit­un­ter gra­vie­ren­de Schä­den anrich­ten. Wer Opti­mie­rungs­lö­sun­gen anpreist, gibt vor, zu wis­sen, was das Bes­te ist. In unse­rer kom­ple­xen Welt wür­de ich mir solch ein Wis­sen nicht anmaßen.

Wolfram Müller 28. Juli 2013 Antworten

@Bernhard – das musst du mir mal erklä­ren, war­um man in einer nicht so idea­len Welt mit Wider­sprü­chen oder Kon­flik­ten leben muss – Sub­op­ti­ma wegen mir aber gleich Wider­sprü­che und Kon­flik­te … bald ist ja wie­der PM-Camp in Dornbirn :-)

Und ja du hast Recht – Cri­ti­cal Chain Ein­füh­run­gen kön­nen „auf­grund ihrer Effi­zi­enz mit­un­ter gra­vie­ren­de Schä­den anrich­ten“. Daher bit­te Ach­tung – nicht selbst ver­su­chen! Sys­te­mi­sche Ver­än­de­run­gen set­zen ganz schön Ener­gie frei – da muss man wis­sen was passiert …

… um Schä­den zu ver­mei­den ist eben ein gewis­sen Men­ge Vor­be­rei­tung not­wen­dig. Als ers­tes wird gecheckt ob Cri­ti­cal Chain über­haupt das Pro­blem löst – ja wir wis­sen auch, dass es nicht immer und über­all passt. Dann muss man che­cken, ob man die Effi­zi­enz über­haupt ver­kau­fen kann – ohne Markt – Fin­ger weg! Des wei­te­ren Muss man die Mana­ger abho­len – erst die obe­ren, dann die Pro­jekt­lei­ter und Team­lei­ter. Jeder muss ver­ste­hen, was in wel­cher Rei­hen­fol­ge pas­siert und wie er sich in den neu­en Rol­len wie­der fin­det. Last but not least – wird kon­se­quent schritt­wei­se vor­ge­gan­gen – bei jedem Schritt wird gecheckt ob der Erfolg da ist und dann erst kommt der nächste.

Aber wenn man Pro­blem im Mul­ti­pro­jekt­ma­nage­ment hat (und wer hat das nicht) – dann sind mas­siv kür­zer Pro­jekt­lauf­zei­ten (25%-50%), hohe Zuver­läs­sig­keit (>90%) und mehr Durch­satz (+50.…%) ohne neue Kos­ten ein­fach nicht von der Hand zu wei­sen – dafür kann man dann auch mal einen anspruchs­vol­le­ren Chan­ge wagen :-)

cu Wolf­ram

p.s.: die Sys­tem­theo­rie besagt, dass kom­ple­xe Sys­te­me dadurch beherrsch­bar wer­den, dass wir sie in ihren Frei­heits­gra­den beschrän­ken – sprich ein „Cons­traint auf­prä­gen“ … das Mul­ti­pro­jekt­ma­nage­ment erscheint uns aktu­ell so kom­plex, weil es zu vie­le Frei­heits­gra­de hat (die frei rum­ren­nen­den Pro­jekt­ma­na­ger) – sobald man die­se Frei­heit begrenzt ent­steht Sta­bi­li­tät und neben­bei noch neue emer­gen­te Eigen­schaf­ten – wie Flow :-) und Kom­pa­ti­bi­li­tät zu agi­len Methoden …

Marcus Raitner 29. Juli 2013 Antworten

Der Res­sour­cen­kon­flikt ist natür­lich nur einer von meh­re­ren mög­li­chen in einer kom­ple­xen Mul­ti­pro­jekt­land­schaft, wenn­gleich der pro­mi­nen­tes­te. Mir ist objek­tiv voll­kom­men klar, dass das Pro­jekt im Pro­jekt­port­fo­lio anders zu bewer­ten ist und den­noch füh­le ich mich als Pro­jekt­lei­ter „bestraft“, wenn ich mein Pro­jekt sau­ber auf­stel­le und dann von Außen durch ande­re Pro­jek­te in Bedräng­nis gebracht wer­de. Ich habe oft das Gefühl, dass ein­fach die Pro­jek­te die am schlech­tes­ten daste­hen die meis­te Auf­merk­sam­keit bekom­men und ten­den­zi­ell auch die Res­sour­cen. In letz­ter Kon­se­quenz führt das mei­ner Mei­nung nach zu einer Ver­schlech­te­rung für alle Pro­jek­te des Portfolios.

Hans-Peter Korn 29. Juli 2013 Antworten

Das „Basis­übel“ von all dem ist auch, dass alles als „Pro­jekts“ betrie­ben wird. Wir soll­ten mal dar­über nach­den­ken, die Men­ge an Pro­jek­ten radi­kal zu beschrän­ken. Mehr dazu im Kapi­tel „Kon­ti­nu­ier­li­che statt pro­jekt­spe­zifsch frag­men­tier­te Lie­fe­run­gen von Pro­dukt- und Ser­vice­inkre­men­ten“ in http://www.symposion.de/kapitel40600101_WERK0003442.html

Marcus Raitner 29. Juli 2013 Antworten

Die Pro­jekt­in­fla­ti­on ist sicher­lich eine Ursa­che die hier mit hin­ein spielt. Sie­he auch Und hin­ter tau­send Pro­jek­ten kei­ne Welt

Klaus-L. Schiff-Stilbauer 29. Juli 2013 Antworten

Hal­lo Mar­cus und alle Kommentatoren,
die Spi­ra­le ist prä­zi­se und zutref­fend beschrie­ben, ich habe sie lei­der häu­fi­ger als mir lieb war erle­ben „dür­fen“.
Lei­der habe auch ich kein Patent­re­zept, nach dem Mot­to „ man neh­me … und dann wird es schon“. Aber es gibt eini­ge Ansät­ze, mit deren Hil­fe das Leben leich­ter wird.
1. „Viel hilft viel“.
Häu­fig han­deln Füh­rungs­kräf­te nach dem Mot­to: „Ein Pro­jekt geht immer noch rein“. Damit haben sie sogar recht, aber Effi­zi­enz und Moti­va­ti­on der Pro­jekt­mit­ar­bei­ter sin­ken regel­mä­ßig und die Ergeb­nis­se ver­schlech­tern sich häu­fig auch.
2. „Bei uns sind alle Pro­jek­te gleich wichtig.“
Die­sen Sager höre ich oft von ver­ant­wort­li­chen Füh­rungs­kräf­ten, die bei ihren Pro­jek­ten kei­ne Prio­ri­tä­ten set­zen kön­nen oder wollen.
Durch bei­de Punk­te wird die Eska­la­ti­ons­spi­ra­le sicher und zuver­läs­sig gestar­tet. Meist geht es sogar eini­ge Zeit gut, bis dann die ers­ten Pro­jek­te anfan­gen zu rau­chen und zu bren­nen und plötz­lich und uner­war­tet gibt es eine Form der Pro­jekt-Prio­ri­sie­rung – wenn auch nicht immer die eigent­lich sinn­vol­le und erwünsch­te. Und dann begin­nen die Feu­er­wehr­ak­tio­nen für die­se Pro­jek­te und die Kol­la­te­ral­schä­den tref­fen die ande­ren Projekte.
Dabei ist die Prio­ri­sie­rung von Pro­jek­ten ist gar nicht so schwie­rig – sogar ohne kom­ple­xe Tools. Eine Mischung aus sys­te­mi­schen Den­ken und gesun­dem Men­schen­ver­stand reicht aus. Wenn alle Pro­jek­te regel­mä­ßig unter dem Gesichts­punkt der Dring­lich­keit, der Wich­tig­keit, des finan­zi­el­len und per­so­nel­len Auf­wands und des (rea­lis­tisch) zu erwar­ten­den Nut­zen betrach­tet wer­den, ergibt sich leicht eine sinn­vol­le Reihung.
Und nach dem Mot­to „weni­ger ist mehr“ soll­ten dann nur die Pro­jek­te mit der höchs­ten Prio­ri­tät gestar­tet und umge­setzt wer­den, die Zahl ergbt sich dann aus den ver­füg­ba­ren Res­sour­cen. Dabei set­ze ich natür­lich eine eini­ger­ma­ßen ehr­li­che und rea­lis­ti­sche Pla­nung der Pro­jekt vor­aus, sonst wird das nichts.
Mei­ne Erfah­rung: die Kon­zen­tra­ti­on auf eini­ge weni­ge Pro­jek­te ist auf Dau­er immer erfolg­rei­cher als zu vie­le Pro­jek­te gleichzeitig.

Hans-Peter Korn 29. Juli 2013 Antworten

JA!!! Und bei der Kon­zen­tra­ti­on auf WENIGE Pro­jek­te als „Pro­jek­te“ nur das bear­bei­ten, was TATSÄCHLICH eine zeit­lich befris­te­te, rela­tiv inno­va­ti­ve und risi­ko­be­haf­te­te Auf­ga­be von erheb­li­cher Kom­ple­xi­tät mit beacht­li­cher Schwie­rig­keit und Bedeu­tung darstellt.
Sehr vie­le „Kun­den­pro­jek­te“ etwa sind dann gar kei­ne sol­chen „Pro­jek­te“ son­dern „Auf­trags­ab­wick­lun­gen“, deren Manage­ment (auch der Res­sour­cen) – weil sie über­ra­schungs­frei­er sind – weit­aus mehr stan­dar­di­sier­bar als jenes von Pro­jek­ten ist.

Klaus-L. Schiff-Stilbauer 31. Juli 2013 Antworten

Ja, da stim­me ich sofort zu. Wenn im Unter­neh­men bzw. in der Orga­ni­sa­ti­on nie­mand wis­sen kann oder wis­sen will, wel­che Auf­ga­ben Pro­jek­te sind und wel­che nicht, dann gibt es gro­ße Pro­ble­me. Das reicht von „hur­ra, bei uns gibt es nur noch Pro­jek­te“ bis hin zu “ wir brau­chen kei­ne Pro­jek­te, eine Arbeits­grup­pe oder eine Task Force rei­chen doch aus“ – bei­de Ansät­ze sind weder ziel­füh­rend und noch erfol­reich. Hier sehe ich, wie auch Wolf­ram Mül­ler in sei­nem #3, das obe­re Manage­ment in der Pflicht und Ver­ant­wor­tung die Pro­jek­te von den „Nicht-Pro­jek­ten“ abzu­gren­zen, mög­lichst ein­fach und ver­ständ­lich. Dabei geht es pri­mär nicht um die wiss­ent­schaft­li­che rich­ti­ge, son­dern eine für das Unter­neh­men bzw. die Orga­ni­sa­ti­on erfolg­ver­spre­chen­de Lösung.

Marcus Raitner 29. Juli 2013 Antworten

Hal­lo Klaus, vie­len Dank für Dei­nen Kom­men­tar. Das glau­be ich Dir ger­ne, dass Du die­se Situa­ti­on schon viel zu oft erle­ben muss­test. Mit der ent­spre­chen­den Aus­wir­kung auf die Moti­va­ti­on der betrof­fe­nen „Res­sour­cen“ …

Die bei­den von Dir aus­ge­mach­ten Indi­ka­to­ren, „Viel hilft viel“ und „Bei uns sind alle Pro­jek­te gleich wich­tig“, hal­te ich auch für maß­geb­lich betei­ligt am Ent­ste­hen der Eska­la­ti­ons­spi­ra­le. Die Kunst bei der Prio­ri­sie­rung der Pro­jek­te liegt tat­säch­lich in der Kon­zen­tra­ti­on auf eine beherrsch­ba­re Men­ge. Wenn wir nun aber, wie bei vie­len IT-Dienst­leis­tern üblich, das Manage­ment haupt­säch­lich an der Aus­las­tung ihrer Mann­schaft mes­sen und viel­leicht noch – es lebe das Manage­ment by Objec­ti­ves – ent­spre­chend die­ses Ziels ent­loh­nen, dann nimmt das Unheil sei­nen Lauf … 

Stefan Hagen 31. Juli 2013 Antworten

Dan­ke für die­ses span­nen­de The­ma, Marcus.

Ich den­ke, die Pro­ble­ma­tik ist so viel­fäl­tig, dass wir hier kei­ne Lösung fin­den wer­den. Denn es wur­de schon mehr­fach ange­spro­chen: In kom­ple­xen sozia­len Sys­te­men gibt es kei­ne Patent­re­zep­te, die zum Gelin­gen beitragen.

Sehr wohl aber gibt es PRINZIPIEN, die man ein­hal­ten soll­te. Wenn wir bei­spiels­wei­se TOC nicht nur als Metho­de und Ansatz ver­ste­hen, son­dern die Prin­zi­pi­en dahin­ter ver­stan­den haben, stim­me ich Wolf­ram zu, dass dies ein Weg sein kann.

Grund­sätz­lich aber unter­stüt­ze ich Mar­cus Her­an­ge­hens­wei­se, nicht sofort in Lösun­gen zu den­ken, son­dern zuerst mal das Pro­blem gemein­sam zu ela­bo­rie­ren. Ein­stein hat es damals sehr tref­fend formuliert:

Die rei­ne For­mu­lie­rung eines Pro­blems ist oft­mals weit wich­ti­ger als sei­ne Lösung. Neue Fra­gen auf­zu­wer­fen, neue Mög­lich­kei­ten zu fin­den, alte Pro­ble­me aus einem neu­en Blick­win­kel zu betrach­ten, erfor­dert schöp­fe­ri­sche Vor­stel­lungs­kraft und macht die wirk­li­chen Fort­schrit­te in der Wis­sen­schaft aus.“

Denn wenn Wolf­ram schon mehr­fach den Begriff „sys­te­misch“ ver­wen­det, so bin ich der Ansicht, dass ein sys­te­mi­sches Her­an­ge­hen zuerst erfor­dert, das Pro­blem und die damit ver­bun­de­nen Fra­ge­stel­lun­gen rich­tig zu ver­ste­hen. Hier soll­ten wir aus mei­ner Sicht in jeder Dis­kus­si­on begin­nen, wenn es um kom­ple­xe Zusam­men­hän­ge und Phä­no­me­ne geht.

Wolfram Müller 31. Juli 2013 Antworten

Kann ich alles nur unterschreiben :-)

Kom­ple­xe Sys­te­me haben einen ganz beson­de­ren Reiz – man kann mit weni­gen Maß­nah­men dras­ti­sche Ver­än­de­run­gen (Ver­bes­se­run­gen) erzie­len. Das ist das, was ich manch­mal etwas zu stark her­vor­he­be – die super Erfolge!

Gleich­zei­tig steigt aber der Anspruch/Aufwand, das Sys­tem zuvor zu ver­ste­hen „das Pro­blem zu for­mu­lie­ren“. Also genau die ein/zwei Maß­nah­men zu iden­ti­fi­zie­ren, die dann die gewünsch­te neue Sys­tem­ei­gen­schaft hervorbringen. 

Ganz wich­tig ist auch, dass hier ein Bera­ter gar nicht rich­tig hel­fen kann – die Erkennt­nis­se müs­sen aus den Leu­ten selbst her­aus­kom­men – „sie müs­sen die Lösung sehen“. Daher gilt es die Prin­zi­pi­en (sys­tem thin­king u.a.) zuvor zu transportieren/übergeben. Aber genau hier­zu müs­sen wir „Bera­ter“ ebe­ne eine gan­ze Fül­le von Wis­sen um Sys­te­me und auch über Lösun­gen mitbringen. 

Ich fin­de es schön, dass hier die TOC ange­spro­chen wird – hier sind ganz vie­le hilf­rei­che sys­te­misch Ideen zu fin­den, die „manch­mal“ ganz erstaun­li­che Ver­ein­fa­chun­gen ermöglichen :-)

p.s.: die Idee von Ste­fan über die kom­ple­xen Zusam­men­hän­ge und Phä­no­me­ne zu dis­ku­tie­ren hal­te ich für super span­nend … das sind übri­gens die Cur­rent-Rea­li­ty-Trees der TOC

cu Wolf­ram

Marcus Raitner 31. Juli 2013 Antworten

Dan­ke für Dei­nen Kom­men­tar, Ste­fan. Allein die Anzahl und Viel­falt der Kom­men­ta­re zeigt mir, dass es einer­seits ein wich­ti­ges Pro­blem ist, es aber ande­rer­seits kein Patent­re­zept geben kann. Inso­fern bin ich Dei­ner Mei­nung, dass wir erst Mal das Pro­blem ver­ste­hen soll­ten bevor wir in Lösun­gen den­ken. Ich mer­ke mir das The­ma auf jeden Fall Mal vor für das PM Camp 13 im November.

Hans-Peter Korn 31. Juli 2013 Antworten

Das möch­te ich hinterfragen:
„nicht sofort in Lösun­gen zu den­ken, son­dern zuerst mal das Pro­blem gemein­sam zu ela­bo­rie­ren .… Die rei­ne For­mu­lie­rung eines Pro­blems ist oft­mals weit wich­ti­ger als sei­ne Lösung … dass ein sys­te­mi­sches Her­an­ge­hen zuerst erfor­dert, das Pro­blem und die damit ver­bun­de­nen Fra­ge­stel­lun­gen rich­tig zu verstehen“

Die Idee, zuerst das Pro­blem ver­ste­hen zu müs­sen ehe man Lösun­gen ent­wi­ckeln kann, passt nicht zu jeder Art von Pro­blem­stel­lun­gen. Ich gehe mal (gemäss C. Kurtz, D. Snow­den: The New Dyna­mics of Stra­tegy: Sen­se-making in a Com­plex-Com­pli­ca­ted World. In: IBM Sys­tems Jour­nal. vol. 42, no. 3 2003, S. 462 – 83) davon aus, dass es die­se Sicht­wei­sen von Pro­blem­stel­lun­gen gibt:
„“
Das Cyne­fin-Frame­work hat fünf Domä­nen. Die ers­ten vier davon sind:
o Simp­le, in der die Bezie­hung zwi­schen Ursa­che und Wir­kung für alle offen­sicht­lich ist. Die Her­ans­ge­hens­wei­se ist hier Sen­se – Cate­go­ri­se – Respond, und wir kön­nen bewähr­te Prak­ti­ken (best prac­ti­ce) anwenden.
o Com­pli­ca­ted, in der die Bezie­hung zwi­schen Ursa­che und Wir­kung Ana­ly­se oder eine ande­re Form der Prü­fung erfor­dert und/oder die Anwen­dung von Fach­wis­sen. Hier geht man mit­tels Sen­se – Ana­ly­ze – Respond her­an, und man kann gute Prak­ti­ken (good prac­ti­ce) anwenden.
o Com­plex, in der die Bezie­hung zwi­schen Ursa­che und Wir­kung nur im Nach­hin­ein wahr­ge­nom­men wer­den kann, aber nicht im Vor­aus. Hier ist der Ansatz Pro­be – Sen­se – Respond, und wir kön­nen emer­gen­te Prak­ti­ken (emer­gent prac­ti­ce) feststellen.
o Chao­tic, in der es kei­ne Bezie­hung zwi­schen Ursa­che und Wir­kung auf Sys­tem­ebe­ne gibt. Hier ist der Ansatz Act – Sen­se – Respond, und wir kön­nen inno­va­ti­ve Prak­ti­ken entdecken.
Die fünf­te Domä­ne ist Dis­or­der, der Zustand des Nicht-Wis­sens, wel­che Art von Kau­sa­li­tät besteht. In die­sem Zustand gehen die Leu­te in ihre eige­ne Kom­fort-Zone zurück, wenn sie eine Ent­schei­dung fällen.
„“
Vor die­sem Hin­ter­grund macht eine aus­gie­bi­ge Pro­blem­ana­ly­se nur bei als sim­pel oder kom­pli­ziert erschei­nen­den Fra­ge­stel­lun­gen Sinn. Das sind u.a. Fra­ge­stel­lun­gen im tech­nisch-natur­wis­sen­schaft­li­chen Bereich (und dar­auf bezog sich Ein­stein). Bei „kom­plex-adap­ti­ven“ Sys­te­men jedoch, so etwa sozia­len Hand­lungs­sys­te­men (und dazu gehö­ren auch Pro­jek­te), ist die aus­gie­bi­ge Pro­blem­ana­ly­se nicht ange­mes­sen. Im Gegen­teil: Sie führt vom Hun­derts­ten ins Tau­sends­te .… und schluss­end­lich zu einer alles wei­te­re Den­ken blo­ckie­ren­den „Pro­blem­trance“. Im Pro­jekt­kon­text sind das z.B. jene Mee­tings, die mona­te­lang alle mög­li­chen „wenn und aber“ pro­du­zie­ren … aber kei­ner­lei Fortschritt. 

Bei kom­plex erschei­nen­den Situa­tio­nen ist es bes­ser, statt das Pro­blem „wirk­lich“ ver­ste­hen zu wol­len so rasch als mög­lich mit einem ers­ten Lösungs­schritt zu begin­nen, also „inkre­men­tell-adap­tiv“ vorzugehen. 

Von Ste­ve de Shazer stam­men dazu die­se „irri­tie­ren­den“ Aussagen:
„Pro­blem talk crea­tes pro­blems, solu­ti­on talk crea­tes solution.“
„Die detail­lier­te Unter­su­chung und Ana­ly­se des Pro­blems hat auf die Lösungs­fin­dung kei­nen Einfluss“
„Pro­ble­me sind Pro­ble­me weil wir sie „Pro­ble­me“ nennen“ 

Mehr dazu hier:
http://www.solworld.org/notes/Jumpstart_into_Solution_Focus

Wolfram Müller 31. Juli 2013 Antworten

Hi, der Thread wird ja immer bes­ser … das Cyne­fin-Frame­work is IMHO sehr inter­es­sant und hebt sich wohl­tu­end von den ande­ren Kom­ple­xi­tät-Cha­os-Abgren­zun­gen ab, in dem es 5 Fel­der defi­niert und somit die Welt, wie ich sie wahr­neh­me, bes­ser abbildet.

Auf der TOCICO 2013 in Bad Nau­heim wur­de noch eine wei­te­re Mög­lich­kei­ten dis­ku­tiert den kom­ple­xen Bereich zu adres­sie­ren. In der Tat ist der Ver­such das kom­ple­xe Sys­tem in all sei­nen Über­tra­gungs­funk­tio­nen vor­her­zu­se­hen frucht­los (das ist wie Wet­ter­vor­her­sa­ge). Was aber auch in kom­ple­xen Sys­te­men geht ist – die Cha­rak­te­ris­tik und die Wirk­zu­sam­men hän­ge zu ver­ste­hen – ohne die­ses Ver­ste­hen kann man kei­ne Ein­grif­fe in das Sys­tem vor­neh­men ohne es zu gefäh­ren und ins Cho­as zu trei­ben. Die TOCler reden daher nicht von Pro­blem-Talks – son­dern von Cur­rent-Rea­li­ty-Tree. Also wie sieht unse­re Wirk­lich­keit gera­de aus – wobei nur die Wirk­zu­sam­men­hän­ge von Rele­vanz sind.

Ste­ve Holt (Asso­cia­te Tech­ni­cal Fel­low Boe­ing und Board Mem­ber Theo­ry of Cons­traints Inter­na­tio­nal Cer­ti­fi­ca­ti­on Orga­niza­ti­on (TOCICO)) hat auf der TOCICO einen super Vor­trag gehal­ten wie die alter­na­ti­ve zu „rum­pro­bie­ren – ali­as inspect and adapt“ bei kom­ple­xen sys­te­men aus­se­hen kann. Die Sys­te­me erschei­nen uns so kom­plex weil sie zu vie­le Frei­heits­gra­de haben – der Trick ist also – die Frei­heits­gra­de zu begren­zen (ein „Cons­traint“ auf­zu­prä­gen) – an dem kann sich dann wie­der all­s­es aus­rich­ten – der Cons­traint lie­fert das Steu­er­si­gnal und ermög­lich stra­te­gi­sche Entscheidungen.

z.B. ein Flug­ha­fen ist defi­ni­tiv ein kom­ple­xes Sys­tem – die Lan­de­bahn ist der auf­ge­präg­te Cons­traint … oder im Auto­mo­bil­bau – die „Hoch­zeit“ ist der Cons­traint nach dem sich alles rich­tet … oder im Anla­gen­bau ist es die Inbe­trieb­nah­me … oder in „nor­ma­len“ Unter­neh­men die Pro­duk­te ent­wick­len und pro­du­zie­ren ist es der Über­gang in die Produktion … 

alle gro­ßen kom­ple­xe Sys­te­me haben einen Cons­traint um die Frei­heits­gra­de zu redu­zie­ren – ansons­ten wären sie Cha­os und damit auf Dau­er nicht lebensfähig.

Emer­gen­te Sys­tem­ei­gen­schaf­ten ent­ste­hen übri­gends nur und genau in dem Moment in dem das Sys­tem in den Frei­heits­gra­den begrenzt wird – von allei­ne emer­giert tat­säch­lich auch nichts. Die­se Erkennt­nis kommt aus der Ther­mo­dy­na­mik und ist noch älter als TOC. In dem Moment in dem man nicht mehr die Bewe­gung aller Ato­me berech­nen will – hat man Ther­mo­dy­na­mi­sche Glei­chun­gen auf eine höhe­ren Abs­trak­ti­ons­ebe­ne ein­ge­führt (Tem­pe­ra­tur) – damit das Gan­ze aber wie­der stim­mig wird muss­te man die Entro­pie ein­füh­ren. Sprich nur durch die Begren­zung der Kom­ple­xi­tät ist die neue Eigen­schaft entstanden.

cu Wolf­ram

p.s.: ich darf kein Link auf die Prä­sen­ta­ti­on raus­ge­ben – auf Anfra­ge eine raus­schi­cken ist ok Ste­ve hat da nichts dagegen …

Stefan Hagen 31. Juli 2013 Antworten

Hans-Peter,

dan­ke für Dei­nen tol­len Input. Du hast voll­kom­men recht – ich war in der Wahl der Spra­che zu unpräzise. 

…das Pro­blem und die damit ver­bun­de­nen Fra­ge­stel­lun­gen rich­tig zu ver­ste­hen…“ ist für kom­ple­xe Sys­te­me nicht kor­rekt. Denn kom­ple­xe Sys­te­me / Pro­ble­me kann man nicht verstehen.

Eben­falls stim­me ich Dir zu, dass für kom­ple­xe Pro­ble­me nach dem Cyne­fin Modell der Lösungs­fo­kus ange­wen­det wer­den soll­te (sie­he hier­zu z.B. die Beschrei­bung von Paul Bay­er: http://www.wandelweb.de/blog/?p=1110)

Aller­dings gibt es auch ande­re Ansät­ze, Model­le und Theo­rien, die mei­nes Erach­tens nicht weni­ger rele­vant sind. Aber wir soll­ten tat­säch­lich beim PM Camp eine oder zwei Ses­si­ons dazu machen ;-)

Vie­le Grü­ße, Stefan

Bernhard Schloß 31. Juli 2013 Antworten

Das Pro­blem ist doch, was ist eine ange­mes­se­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit der Pro­blem­stel­lung: Auch bei kom­ple­xen Situa­tio­nen soll­te ein Pro­blem­be­wusst­sein vor­han­den sein, sonst mutiert die Lösungs­fin­dung zum rei­nen Aktio­nis­mus. Also zumin­dest um eine rudi­men­tä­re Aus­ein­an­der­set­zung mit der Pro­blem­stel­lung wird man in kei­nem Fall umhin kommen.

Hans-Peter Korn 31. Juli 2013 Antworten

Was bringt eine Aus­ein­an­der­set­zung mit der Pro­blem­stel­lung vor die­sem Hintergrund:

Com­plex, in der die Bezie­hung zwi­schen Ursa­che und Wir­kung nur im Nach­hin­ein wahr­ge­nom­men wer­den kann, aber nicht im Vor­aus. Hier ist der Ansatz Pro­be – Sen­se – Respond, und wir kön­nen emer­gen­te Prak­ti­ken (emer­gent prac­ti­ce) feststellen.

UND:
“Pro­blem talk crea­tes pro­blems, solu­ti­on talk crea­tes solution.”
“Pro­ble­me sind Pro­ble­me weil wir sie “Pro­ble­me” nennen”

??

Das Über­tra­gen von pro­blem­ori­en­tier­ten Lösungs­stra­te­gien, die im tech­nisch-natur­wis­sen­schaft­f­li­chen (= kom­pli­zier­ten) Bereich ange­mes­sen sind auf kom­ple­xe Situa­tio­nen ist eine „schlech­te Gewohnheit“!

Wolfram Müller 31. Juli 2013 Antworten

Hi,

WENN: Com­plex, in der die Bezie­hung zwi­schen Ursa­che und Wir­kung nur im Nach­hin­ein wahr­ge­nom­men wer­den kann, aber nicht im Voraus. 

Dann hat man zwei Mög­lich­kei­ten (nicht nur eine)
a) Hier ist der Ansatz Pro­be – Sen­se – Respond, und wir kön­nen emer­gen­te Prak­ti­ken (emer­gent prac­ti­ce) feststellen.
b) man ver­än­dert das kom­ple­xe Sys­tem so dass es wie­der beherrsch­bar wird

Ich woll­te nur ein biss­chen den Tel­ler­rand öff­nen, dass es noch mehr Mög­lich­kei­ten gibt – als sich der Kom­ple­xi­tät erge­ben. By-the-way Scrum, Kan­ban nut­zen die­sen Mecha­nis­mus mas­siv in dem sie das Sys­tem Begren­zen (Time­bo­xes oder WIP-Limits)

Ach so man hat auch noch eine drit­te – in Hoch­in­no­va­ti­ons­sys­te­men (ten­die­ren zum Cha­os) macht weder a) noch b) Sinn … hier kön­nen c) hoch­it­te­ra­ti­ve Design Thin­king o.a. Inno­va­ti­ons­tech­ni­ken zum Zug kommen

cu Wolf­ram

p.s.: dein State­ment find ich sym­pa­thisch „Das Über­tra­gen von pro­blem­ori­en­tier­ten Lösungs­stra­te­gien, die im tech­nisch-natur­wis­sen­schaft­f­li­chen (= kom­pli­zier­ten) Bereich ange­mes­sen sind auf kom­ple­xe Situa­tio­nen ist eine “schlech­te Gewohn­heit”!“ … wür­de es aber trotz dem als per­sön­li­ches State­ment von dir ste­hen las­sen – es ent­hält kei­ne sys­te­misch Begrün­de­ten Argu­men­te, Annah­men und per­sön­li­che Wertungen ;-)

Hans-Peter Korn 31. Juli 2013 Antworten

Zu dem:
„man ver­än­dert das kom­ple­xe Sys­tem so dass es wie­der beherrsch­bar wird“
1)
Ein Sys­tem kann kann ich nur dann ver­än­dern, wenn es von mir in der von mir gewünsch­ten Wei­se ver­än­der­bar ist. Bei von mir als kom­plex gese­he­nen Sys­te­men ist das lei­der nicht der Fall .… sonst wären sie ja nicht kom­plex son­dern kompliziert.
2)
Weder „Sys­te­me“ noch deren deren Merk­ma­le (kom­pli­ziert, kom­plex, …) sind „objek­ti­ve Tat­sa­chen“ son­dern mei­ne / unse­re Kon­struk­tio­nen und Zuschrei­bun­gen auf Basis des­sen, war wir wahr­neh­men (oder, bes­ser, „wahr­ge­ben“) und den­ken können.
3)
Mög­lich ist es, ein zunächst als „kom­plex“ betrach­te­tes „Sys­tem“ anders zu betrach­ten, näm­lich so, dass ich das, was ich als „Sys­tem“ betrach­te (z.B. sei­nen Gren­zen anders set­ze) oder mich ent­schei­de, den Ansatz Pro­be – Sen­se – Respond und die emer­gen­ten Prak­ti­ken auf­zu­ge­ben und mich statt des­sen dafür ent­schei­de, mit Sen­se – Ana­ly­ze – Respond her­an­zu­ge­hen, also gute Prak­ti­ken (good prac­ti­ce) anzuwenden.

ALSO:
Es liegt an mir/uns, was wir als „Sys­tem“ betrach­ten und wel­che Cha­rak­te­ris­tik wir ihm zuschrei­ben und mit ihm dem­entspre­chend umgehen.
Es gibt kei­ne „objek­ti­ven“ Kri­te­ri­en für „kom­pli­ziert“ oder „kom­plex“. Ob etwas kom­pli­ziert oder kom­plex ist, ist eine „unent­scheid­ba­re Fra­ge“, sie­he Heinz von Förs­ter. Und nur die „unent­scheid­ba­re Fra­gen“ sind – nach ihm – „ech­te“ Fra­gen. So etwa die Fra­ge: „Gibt es eine Leben nach dem Tod?“
Die Ant­wor­ten kön­nen wir nicht „wis­sen­schaft­lich ent­schei­den“, aber wir müs­sen uns für eine Ant­wort ent­schei­den – und Ver­ant­wor­tung gegen­über uns und der Welt für unse­re Ent­schei­dung übernehmen.

Wenn wir und also ent­schei­den, etwas „kom­pli­ziert“ zu sehen und es mit­tels Sen­se – Ana­ly­ze – Respond behan­deln, dann tra­gen wir auch die Ver­ant­wor­tung die dar­aus ent­ste­hen­den Folgen.
Bei Pro­jek­ten etwa die Ver­ant­wor­tung dafür, dass es klappt – oder in die Hosen geht.… 

Zu dem:
„es ent­hält kei­ne sys­te­misch Begrün­de­ten Argumente“
Was, bit­te, sind „sys­te­misch begrün­de­te Argu­men­te“? Ins­be­son­de­re im Unter­schied zu „nicht sys­te­misch begründete“?
Was genau meinst du mit „sys­te­misch“?
(Ich fra­ge das vor dem Hin­ter­gund mei­nes vor vie­len Jah­ren absol­vier­ten post­gra­dua­te Stu­di­ums zu „sys­te­mi­sches Manag­ment kom­ple­xer Pro­jek­te“ an der Uni Zürich… dank des­sen ich immer noch nicht genau weiss, was „sys­te­misch“ bedeutet…)

Wolfram Müller 31. Juli 2013

Dan­ke Hans-Peter für die letz­te Aus­füh­rung – ich hab nichts mehr hin­zu­zu­fü­gen – ich hab gera­de vie gelernt :-)

a) z.B. ich bevor­zu­ge wohl Sys­te­me, die ich ver­än­dern kann (ist wohl in mei­ner Per­sön­lich­keit – ich bin Macher) – daher sehe ich Sys­te­me of als kom­pli­ziert – ent­schei­de mich für enspre­chen­de Metho­den und ern­te dann die ent­spre­chen­den Erfolge :-)

b) „Am Schluss geht es dar­um sich für eine Ant­wort zu ent­schei­den und die Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men …“ das ist zitier­fä­hig – darf ich das verwenden?

Wolf­ram

p.s.: das mit dem „nicht sys­te­misch begrün­det“ war nicht son­der­lich ernst gemeint – aber dei­ne Ant­wort ist klas­se „… dank des­sen [Stu­di­um] ich immer noch nicht genau weiss, was “sys­te­misch” bedeu­tet …“ – das trifft es gut – je tie­fer man sich mit etwas befasst des­to mehr­schich­ti­ger stellt sich oft die Situa­ti­on dar :-)

Hans-Peter Korn 31. Juli 2013

Zu dem:
“ “Am Schluss geht es dar­um sich für eine Ant­wort zu ent­schei­den und die Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men …” das ist zitier­fä­hig – darf ich das verwenden?“

Du kannst das Ori­gi­nal zitieren:
„“
H.F. Eine ent­scheid­ba­re Fra­ge wird immer inner­halb eines Rah­mens ent­schie­den, der die mög­li­che und jeweils rich­ti­ge Ant­wort bereits vorgibt.
B. P. Was sind unent­scheid­ba­re Fragen?
H.F. Das sind Fra­gen, die etwa von der Exis­tenz höhe­rer Wesen­hei­ten, dem Sinn des Lebens, der Ent­ste­hung der Welt und dem Wei­ter­le­ben nach dem Tod han­deln. … Ich wür­de sogar sagen, daß die Fra­ge unent­scheid­bar ist, ob sich ein Expe­ri­ment fin­den läßt, das ein­deu­tig erweist, ob es sich um eine unent­scheid-bare Fra­ge han­delt. … Und in dem Moment, in dem ich eine unent­scheid­ba­re Fra­ge ent­schie­den habe, kommt die Ver­ant­wor­tung ins Spiel. Man ent­schließt sich, die Din­ge, die Welt und sei­ne Mit­men­schen auf eine beson­de­re Wei­se zu betrach­ten und ent­spre­chend zu han­deln. Man wird ver­ant­wort­lich für die Ent­schei­dung, die man getrof­fen hat und die einem nie­mand abneh­men kann.
„“
Quel­le: Wahr­heit ist die Erfin­dung eines Lügners
Heinz von Foers­ter (H.F.) /Bernhard Pörk­sen (B.P.)
Gesprä­che für Skeptiker
Carl-Auer-Sys­te­me Verlag

Sehr unter­halt­sam zu lesen !!!!! Und ein nur dün­nes Buch .…

Marcus Raitner 31. Juli 2013

Vie­len Dank für die rege und unglaub­lich anre­gen­de Dis­kus­si­on. Ich schlie­ße mich Wolf­ram an: Ich habe viel gelernt! Ins­be­son­de­re erhel­lend war die Erin­ne­rung, dass es kei­ne objek­ti­ven Maß­stä­be gibt son­dern letzt­lich alles mei­ne Kon­struk­ti­on ist. Auf Basis des­sen ent­schei­den wir und dafür müs­sen wir die Ver­ant­wor­tung tragen.

Marcus Raitner 31. Juli 2013 Antworten

Ich habe mir erlaubt die­ses The­ma zur Dis­kus­si­on nach openPM zu über­tra­gen. Eure Kom­men­ta­re sind zu wich­tig, so dass ich es scha­de fän­de, wenn sie hier im Blog blie­ben. Viel­leicht fin­det ja der eine oder ande­re die Zeit und Muße einen Extrakt sei­ner Bei­trä­ge hier in den ent­spre­chen­den Arti­kel auf openPM ein­zu­ar­bei­ten (Kom­men­ta­re gehen auch, aber ein­ar­bei­ten in einen Arti­kel wäre schöner).

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