Neben der Haltung, Führungsphilosophie und des Menschenbilds ist modernes Projektmanagement in erster Linie eine Frage der Flexibilität. „Responding to change over following a plan“ heißt es dazu im Agilen Manifest. Projekte waren definitionsgemäß noch nie vollständig planbar, das Management von Änderungen gehörte schon immer zum Geschäft. Mittlerweile leben wir in Zeiten in denen es »normal ist, dass vieles anders ist und immer schneller anders wird« (Karl-Heinz Geißler). Vorbei sind die Zeiten in denen man gemächlich für träge Massenmärkte produzierte. Mit anderen Worten das Umfeld der Projekte ist nun so instabil und komplex, dass die Änderung, die einst als Ausnahmefall gedacht war, mittlerweile der Regelfall ist.
Es macht natürlich einen Unterschied, ob ein Projekt zu 80% stabil und planbar ist und zu 20% instabil und von Veränderungen betroffen oder ob das Verhältnis eher umgekehrt ist. Es sollte jedenfalls einen Unterschied machen im Projektmanagement. Dazu muss man aber erfahren genug sein, die Situation richtig einzuschätzen und man muss über einen großen Fundus an Methoden und Werkzeugen verfügen, um die Vorgehensweise auf Projekt und Umfeld passgenau zuschneiden zu können.
Hans-Peter Korn hat in der Diskussion meines letzen Artikels basierend auf dem Cynefin-Framework zu Recht angemerkt:
Bei komplex erscheinenden Situationen ist es besser, statt das Problem „wirklich“ verstehen zu wollen so rasch als möglich mit einem ersten Lösungsschritt zu beginnen, also „inkrementell-adaptiv“ vorzugehen.
Nun will ich nicht darüber philosophieren, ob Projekte und ihr Umfeld jemals gut planbar waren oder es grundsätzlich sind, also nicht so sehr komplex sondern vielleicht nur kompliziert sind, sondern nur feststellen, dass es nicht wenige in diesem Sinne komplexe Projekte gibt und dass diese immer mehr werden.
Plant man nun ein komplexes Projekt langfristig über mehrere Jahre Laufzeit im Detail, wird man während der Durchführung unweigerlich an den Änderungen ersticken. Nicht ohne Grund werden für die Probleme beim Bau des Berliner Flughafens oft die vielen Änderungen als Ursache genannt. Und im Kleinen kennt jeder, der nach erfolgreich absolvierter Projektmanagement-Zertifizierung den detailliertesten und kompliziertesten Projektplan der Welt erstellt hat, um ihn dann nach einigen Monaten als nicht handhabbar stillschweigend zu beerdigen.
Sei wie der Bambus: beuge und biege dich anmutig , wie der Wind es will, und du wirst niemals brechen.
Asiatische Weisheit
Die grundsätzliche Frage modernen Projektmanagements ist also die nach dem richtigen Maß an Flexibilität. Darauf kann es keine allgemein gültige Antwort geben, sondern das richtige Maß ist im Einzelfall des Projekts und seines Umfelds, oder sogar der jeweiligen Projektphase, zu entscheiden. Tendenziell nimmt die Komplexität von Projekten zu, weil ihr Umfeld instabiler und komplexer wird, weshalb tendenziell zu einer eher agilen, inkrementell-adaptiven Vorgehensweise zu raten ist.
(Bildnachweis: Das Artikelbild wurde von Jeff Garris unter dem Titel „Bamboo Dream“ auf Flickr unter einer Creative Commons Lizenz (CC BY 2.0) veröffentlicht.)