Gerne wird behauptet: »Planung ersetzt Zufall durch Irrtum.« Und daraus geschlossen, dass Planung keinen Wert hätte. Vorschnell, wie ich meine: Ist denn Irrtum nicht wertvoller als Zufall? Und wenn ja, warum?
Nehmen wir an, die These »Planung ersetzt Zufall durch Irrtum« ist zutreffend. Welchen Wert hat Planung dann, wenn ihre Funktion sich nur darauf beschränkt, Zufall durch Irrtum zu ersetzen? Die Antwort hängt offensichtlich allein davon ab, welchen relativen Wert wir dem Irrtum gegenüber dem Zufall beimessen.
Hätten wir nur einen Versuch, der einerseits zufällig ausgeht oder andererseits das Resultat eines fehlgeschlagenen Plans ist, dann ist es in beiden Fällen höchstwahrscheinlich so, dass das Ergebnis nicht die Erwartung treffen wird. Insofern wir unsere Betrachtung also auf einen einzigen Versuch beschränken, sind Zufall und Irrtum mehr oder weniger gleichwertig.
Spannend wird es erst bei vielfacher Wiederholung. Wenn sich der erste Plan als Irrtum herausstellt, hat diese Erkenntnis (in der Regel) Einfluss auf die weitere Planung. Der Mensch und die Organisation lernt durch den Irrtum, was nicht oder jedenfalls nicht wie geplant funktioniert. Ein rein zufälliges Vorgehen hat diesen Lerneffekt nicht, weil gar keine Erwartung formuliert wurde gegen die man die eingetretene Realität messen und bewerten könnte.
Ein Plan ist dazu da, von der Realität widerlegt zu werden. Und das ist gut so. Dadurch lernen wir. Planung ist daher immer iterativ, eine Folge von Experimenten, Versuch und Irrtum. Dadurch wird der Schaden des Irrtums begrenzt und die Planung Schritt für Schritt verbessert. Keinesfalls werden Pläne in Stein gemeißelt und sklavisch befolgt.
Kein Plan überlebt die erste Feindberührung.
Helmuth von Moltke
Foto: Das Artikelbild wurde von Daniel Dionne unter dem Titel „Dice“ auf Flickr unter einer Creative Commons CC BY-SA 2.0 Lizenz veröffentlicht.
7 Kommentare
Um die Wortklauberei fortzusetzen: hätten wie nur einen Versuch, dann hätten wir mit dem Zufall immerhin die Chance zum Erfolg, mit dem Irrtum ist dieser aber völlig ausgeschlossen. Und auch bei mehrmaligem Experiment ist die Wahrscheinlichkeit, zufällig erfolgreich zu sein grösser, als durch einer Reihe von Irrtümern, auch wenn diese immer kleiner werden. Aber lassen wir das.
Wenn ich Dich richtig verstehe, dann sagst Du, dass systematisches Trial-and-error-Vorgehen einem blinden Würfeln vorzuziehen sei. Da widerspricht Dir wohl keiner.
Ich bin vor einiger Zeit mal einer ähnlichen Frage nachgegangen. Die Frage war, ob man modellfrei lernen kann. Wer keine Hypothese (Modell) hat, der entscheidet sich stets für ein Vorgehen, das in ähnlichen Situationen erfolgreich war. Er lässt sich also von positiven Erfahrungen leiten. Das nennt man Frequency Gambling und mag in wenig komplexen Umgebungen nützlich sein. Dem gegenüber steht das modellbasierte Lernen. Ein Plan ist z.B. ein Modell. Wenn ich damit nicht erfolgreich bin, muss ich das Modell anpassen. Ich lerne also durch Fehler.
Modellbasiertes Lernen ist in hochkomplexer Umgebung angebrachter als modellfreies. Damit sind wir vermutlich zum selben Schluss gelangt.
http://www.anchor.ch/wordpress/denkmuster/wie-andert-man-weltanschauungen
Vielen Dank, Peter, auf Deinen Kommentar hatte ich gewartet und gehofft!
Das wollte ich auch schon fast schreiben, erschien mir dann aber doch zu kleinlich …
Schön ausgedrückt, viel besser als ich es vermochte. Ja, damit sind wir zum selben Schluss gekommen.
Mir ging es in erster Linie darum meinen eigenen Denkfehler bei dem Satz »Planung ersetzt Zufall durch Irrtum« zu hinterfragen.
ich war lange nicht mehr hier – deine Seite sieht toll aus!
das mit dem Planen ist *seufz* immer wieder schwer, so wie du das beschreibst. tut man es nicht, kann das der Grund für Scheitern sein. tut man zu viel, sind all genervt. handelt man rein aus dem Bauch, fühlt sich keine involviert. lässt man andere mitplanen, bricht Chaos aus…
ich habe mir daher eine „rollierende Planung bis zur nächsten Straßenecke“ angewöhnt und definiere jedes Mal mit dem Team, was unsere „Straßenecken“ (Kreuzungen, Entscheidungspunkte) sind. das funktioniert!
Danke, Nadja! Freut mich sehr, dass Dir mein Blog gefällt. Auch das eine völlig ungeplante Aktion ;-) Ich sehe das ganz ähnlich wie Du und bevorzuge ebenfalls eine rollierende Planung: genau bis zur nächsten Straßenecke und je weiter weg, desto ungenauer.
Zum Thema Planung kann man sich natürlich locker die Finger wund schreiben oder ein paar tausend Bücher lesen…was mir aber immer wieder hilft, der sich anbahnenden Verzweiflung zu entgehen ist folgendes Zitat:
„In preparing for battle I have always found that plans are useless, but planning is indispensable.“ (Eisenhower)
Natürlich geht es schlussendlich darum einen Plan zu haben, wichtiger scheint mir aber der Weg dahin…das Abtiefen in die Materie um einen Plan zu erstellen. Wenn man dann noch das Specific Goal 3 aus Project Planing von CMMI „Obtain commitment to the Plan“ berücksichtigt und mit dem Team und dem Sponsor ein ECHTES Commitment erreicht werden kann – dann hat man fast schon gewonnen!
Weiter scheint mir wichtig, nicht ein ganzes Projekt „pseudo-mathematisch-wissenschaftlich“ durch zu planen, weil das eben ganz bestimmt nie stimmt, sondern nur dort in die 3. Nachkommastelle zu gehen, wo es echt kritisch und wichtig ist!
Danke, René! Insbesondere für das tolle Zitat von Eisenhower, das ich noch gar nicht kannte.
Es geht nicht darum, ob ich eher durch Zufall oder durch Planung zum Ziel komme, sondern darum, wie groß die Abweichung vom Ziel im einen und im anderen Fall ist. Wenn ich auf ein Ziel lossteuere und den Weg nicht kenne und drauflos gehe, kann es sein, dass ich in eine völlig falsche Richtung marschiere und abstürze, es kann auch sein,dass ich unvermutet rasch genau zum Ziel komme. Die Wahrscheinlichkeit für letzteres nimmt mit der Komplexität der Aufgabe ab. Geplant sind Totalabstürze ziemlich unwahrscheinlich, Volltreffer aber eher die Ausnahme als die Regel. Ich muss nur wissen, wofür ich mich unter diesen Voraussetzungen entscheide.