Der Begriff Scrum ist hierzulande sehr eng mit dem Namen Boris Gloger verbunden. Nicht zuletzt wegen seines Buches »Scrum. Produkte zuverlässig und schnell entwickeln«, das seit kurzem in der vierten und vollständig überarbeiteten Auflage vorliegt (Amazon Affiliate Link). Wer eine gute und umfassende Einführung zu Scrum mit vielen Beispielen sucht, ist mit diesem Buch gut beraten. Aber auch dem erfahrenen Projektmanager und Scrum Master bietet das Buch einige weiterführende Themen und neue Ideen beispielsweise zur Skalierung von Scrum für große Projekte oder Organisationen.
Eigentlich ist Scrum ganz einfach und schnell erklärt, weshalb es in dem Buch auch eine gerade Mal 30-seitige »Scrum Checklist« zum Heraustrennen gibt, in der alles Wesentliche zusammengefasst ist (sehr praktisch!). Wozu also ein Buch mit über 300 Seiten, mittlerweile in der vierten Auflage, für die Beschreibung von sechs Rollen, sechs Meetings und acht Artefakten? Weil Scrum mehr ist als die Summe dieser Prozess- und Rollenbeschreibungen. Weil der Teufel im Detail steckt. Und weil Scrum in der Praxis enorme organisationsverändernde Sprengkraft am jeweiligen Einsatzort entwickeln kann und muss.
Zunächst ist das Buch eine der besten Einführungen für Scrum auf dem Markt. Ohne Wenn und Aber. Hochwertig ausgestattet mit der handlichen »Scrum-Checklist« als Zusammenfassung und dem E‑Book im PDF-Format zum kostenlosen Download. Man merkt dem Buch die lange Reifezeit über mehrere Auflagen deutlich und sehr positiv an. Die Beispiele sind zahlreich und aus der realen Praxis gegriffen. Hier schreibt jemand der sich mit Scrum nicht nur theoretisch und als Trainer auseinander gesetzt hat, sondern Scrum täglich zum Einsatz bringt und um die Weiterentwicklung von Scrum bemüht ist.
So einfach Scrum nämlich in der Theorie klingt, so zahlreich sind die Hürden in der Umsetzung. Nicht weil es schwierig zu verstehen wäre (das ist es nicht), sondern weil es einer adäquaten Geisteshaltung aller den Beteiligten bedarf. Gerade in eher klassisch-hierarchisch organisierten Unternehmen tuns sich schwer mit Selbstorganisation, Vertrauen und Eigenverantwortung. Und dennoch – oder gerade deswegen – erwarten diese Organisationen oft wahre Wunder von agilen Vorgehen wie Scrum ohne aber sich der nötigen Rahmenbedingungen bewusst zu sein geschweige denn diese herstellen zu wollen. Diese Hürden und Widerstände werden ausführlich und mit vielen Beispielen thematisiert.
Das Buch geht weit über die reinen Grundlagen des Scrum hinaus. Insbesondere hinsichtlich der Skalierung von Scrum für große Projekte und Organisationen. Diesem immer wichtiger werdenden Aspekt ist ein ganzes Kapitel gewidmet, das aber nicht bei der Anwendung von Scrum in großen Projekt Halt macht, sondern auch die Führung ganzer Abteilungen und sogar Unternehmen mit Scrum zum Thema hat.
Oft werden in dem Buch Parallelen zum klassischen Projektmanagement gezogen und Unterschiede dazu aufgezeigt. Besonders auffällig ist das bei der Projektplanung. Hier wird sehr schön in Bezug auf Carl von Clausewitz zwischen der Ebene der Strategie und der Ebene der Taktik unterschieden. Auf der Ebene der Strategie geht es um das Warum, während die Ebene der Taktik das Wie beschreibt.
Ein traditionell gemanagtes Projekt wird langfristig auf der Ebene der Taktik gemanagt, ein agil gemanagtes Projekt auf der Ebene der Strategie.
Boris Gloger
Sehr plakativ, aber im Kern und in der Tendenz richtig: klassische Projektplanung (siehe die Serie Projektplanung 101) verleitet eher zum Verharren auf der Ebene der Taktik als auf der Ebene der Strategie, wohingegen Scrum so angelegt ist, das zu vermeiden. Dennoch schaffen erfahrene Projektmanager diese Unterscheidung auch in klassischem Umfeld und fahren damit sehr gut.
Fazit
Natürlich wird man aus der Lektüre noch kein guter Scrum Master – übrigens genauso wenig wie durch irgendwelche Zertifizierungen – sondern erst durch wiederholtes Ausprobieren, Reflektieren (eine der lobenswerten Grundtugenden auf verschiedenen Ebenen in Scrum) und kontinuierliches Verbessern. Eine solide Grundlage dafür bietet das Buch aber ohne Frage und ist daher eine klare Leseempfehlung. Auch und gerade für eher klassisch geprägte Projektmanager, die daraus viele wertvolle Impulse und Anregungen für jegliche Projekte erhalten, denn die Prinzipien des Vertrauens, der Eigenverantwortung und der Selbstorganisation sind universell nützlich und eher eine Frage des eigenen Stils als der Methode.
Ein Kommentar
Danke – für die netten Worte über die 4. Auflage. Hat sich die viele Arbeit also gelohnt. :) Boris