Wer in unserer Vorzeige-Industrienation Spass bei der Arbeit hat, macht sich verdächtig. Eine Initiative mit dem Namen „EnjoyWorkCamp“ ins Leben zu rufen, um dort über Lebens- und Arbeitswelten mit Zukunft nachzudenken, kann man also getrost als Ketzerei werten. Umso mehr freut es mich, dass die Gemeinwohl-Ökonomin Franziska Köppe den Mut hatte genau das zu tun und zum nächsten EnjoyWorkCamp am 14. & 15. November 2014 ins Literaturhaus Stuttgart einlädt. Ich unterstütze die Initiative aktiv als Impulsgeber, weil wir am Übergang vom Industriezeitalter in das Zeitalter der Wissensarbeit unsere Lebens- und Arbeitswelten radikal überdenken müssen.
Man mag die Generation Y für weltfremde Träumer, ein bedingungsloses Grundeinkommen für sozialistische Utopie und die Forderung nach dem Sinn der Arbeit für ein Luxusproblem am oberen Ende der Maslowschen Bedürfnispyramide halten, alles sind aber Symptome eines Umbruchs. Der Übergang vom Industriezeitalter ins Zeitalter der Wissensarbeit erfordert ein radikales Umdenken unserer Lebens- und Arbeitswelten. In den Strukturen von vorgestern mit die Methoden von gestern werden wir niemals die Probleme von morgen lösen.
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
Albert Einstein
Wie klug, wirtschaftlich und sinnvoll ist es heute noch, täglich lange Arbeitswege in Kauf zu nehmen, nur um sich dann gegenseitig bei der Wissensarbeit im Großraumbüro zu stören? Noch vor wenigen Jahrzehnten war diese Art der Zusammenarbeit in Büros notwendig, weil nur dort die kostspielige Infrastruktur zur Verfügung stand. Heute in Zeiten des Cloud- und Mobile-Computing ist die IT-Infrastruktur für den einzelnen Mitarbeiter ein vernachlässigbarer Kostenfaktor.
Paradoxerweise ist die IT-Infrastruktur in den großen Unternehmen mittlerweile sogar spürbar schlechter als es die Menschen im Privaten gewohnt sind. Dateien schnell Mal per Dropbox austauschen? Fehlanzeige in vielen Unternehmen; aus Sicherheitsgründen gesperrt ohne eine auch nur annähernd komfortable Alternative bieten zu können. Moderne und schnelle Browser? Mehr als Internet Explorer 8 ist oft nicht durchsetzbar, weil sonst Altanwendungen nicht mehr richtig funktionieren. Gleichzeitiges Arbeiten an Dokumenten wie in Google-Docs? Noch nie gehört. Stattdessen Dateiablagen und Versand per E‑Mail.
Mit der richtigen Infrastruktur wäre heute schon ein deutlich flexibleres und produktiveres Arbeiten in den Unternehmen möglich. Theoretisch jedenfalls. Praktisch verhindern das Misstrauen, Kontrollwahn und Präsenzfetisch. Dass auch eigentlich als innovativ geltende Internetunternehmen wie zuletzt Yahoo in das gleiche Horn stoßen und die Mitarbeiter ins Büro zwingen, ist da natürlich Wasser auf die Mühlen der Theorie‑X Apologeten.
Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber soviel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.
Georg Christoph Lichtenberg
Das sind nur einige Fragen zu den Lebens- und Arbeitswelten mit Zukunft, die mich als Mensch und Unternehmer umtreiben. Darum halte ich das EnjoyWorkCamp am 14. & 15. November 2014 im Literaturhaus Stuttgart für eine sehr wichtige Initiative und unterstütze es von ganzem Herzen.
Artikelbild: Viktor Hanacek bei picjumbo