PM Camp Dornbirn 2014: Offener Austausch auf Augenhöhe

Zum vier­ten Mal fand vom 20. bis zum 22. Novem­ber an der FH Vor­arl­berg in Dorn­birn das PM Camp statt. An der Quel­le der PM Camp Bewe­gung mit PM Camps in Wien, Zürich, Mün­chen, Ber­lin, Bad Hom­burg und Stutt­gart ist die­ses Ver­an­stal­tungs­for­mat noch immer etwas ganz beson­de­res, „das größ­te und span­nends­te Klas­sen­tref­fen von Pro­jekt-Machern im deutsch­spra­chi­gen Raum“ (Frank Blo­me, ProjectWizards).

Der Erfolg der PM Camps in Sum­me und der – trotz haus­ge­mach­ter Kon­kur­renz durch die zahl­rei­chen Able­ger – unge­bro­chen gro­ße Andrang beim PM Camp in Dorn­birn, macht mich als Mit­or­ga­ni­sa­tor der ers­ten Stun­de unglaub­lich glück­lich, aber auch ein wenig rat­los. Natür­lich könn­ten wir es rück­bli­ckend als so geplant und gewollt dar­stel­len, den­noch war das ers­te PM Camp 2011 zunächst nur ein Expe­ri­ment mit dem Ver­an­stal­tungs­for­mat Bar­camp in unse­rer Domä­ne des Pro­jekt­ma­nage­ments. Ein sehr erfolg­rei­ches Expe­ri­ment. So erfolg­reich, dass sich in den fol­gen­den Jah­ren Able­ger in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz bil­de­ten und wei­te­re schon in den Start­lö­chern stehen.

Nichts ist mäch­ti­ger als eine Idee, deren Zeit gekom­men ist.
Vic­tor Hugo

Auch nach dem vier­ten PM Camp in Dorn­birn und eini­gen wei­te­ren, die ich als Teil­neh­mer besucht habe, bleibt bei mir ein Stück ungläu­bi­ge Rat­lo­sig­keit über die­sen Erfolg. Ein ganz wesent­li­cher, wenn nicht sogar der ent­schei­den­de, Erfolgs­fak­tor scheint mir aber der offe­ne Aus­tausch auf Augen­hö­he (vgl. auch Zusam­men­ar­beit gestal­ten auf Augen­hö­he). Das gera­de für Pro­jekt­ma­na­ger unge­wöhn­li­che For­mat einer Un-Kon­fe­renz ohne fest geplan­te Vor­trä­ge nimmt offen­sicht­lich viel von dem Druck sich per­fekt prä­sen­tie­ren zu müs­sen und lädt ein zu Expe­ri­men­ten. Plötz­lich rücken die drän­gen­den Fra­gen des Pro­jekt­le­bens in den Mit­tel­punkt ohne gleich als Schwä­che aus­ge­legt zu wer­den. Wäh­rend auf klas­si­schen Kon­fe­ren­zen in Hoch­glanz prä­sen­tiert wird was vor­her von Mar­ke­ting und Hier­ar­chie poliert und weich­ge­spült wur­de, steht auf PM Camps der mög­lichst unmas­kier­te offe­ne Aus­tausch auf Augen­hö­he im Vor­der­grund. Es geht dar­um von- und mit­ein­an­der zu ler­nen auch und gera­de aus Feh­lern, Pro­ble­men und Misserfolgen.

Wenn es auch man­chem im Vor­feld der Ver­an­stal­tung komisch vor­kam, das Pro­gramm eines Bar­camps gestal­ten die Teil­ge­ber selbst. Und das funk­tio­nier­te wie­der ganz her­vor­ra­gend. Die Ses­si­ons, die ich besucht habe, waren durch­weg von hoher Qua­li­tät. Sicher­lich tru­gen auch die bei­den her­vor­ra­gen­den Key­notes von Geb­hard Borck am ers­ten Tag und Mela­nie Kai­ser am zwei­ten Tag erheb­lich zu die­sem hohen Niveau bei. Wie immer ent­steht die Doku­men­ta­ti­on der Ses­si­ons und der Key­notes (die Vide­os fol­gen dem­nächst) gera­de auf openPM, so dass die Dis­kus­si­on dort fort­ge­führt wer­den kann.

Ein The­ma beschäf­tig­te mich ganz beson­ders: Wie schaf­fen wir es die vie­len guten und manch­mal auch sehr idea­lis­ti­schen Ansät­ze, die wir auf PM Camps und in unse­ren Blogs dis­ku­tie­ren, in einer deut­lich weni­ger idea­len Arbeits­welt in unse­ren Unter­neh­men und bei unse­ren Kun­den umzu­set­zen. In einem der letz­ten Bei­trä­ge hier im Blog habe ich bereits über die­ses rich­ti­ge Leben im fal­schen nach­ge­dacht und bin zu dem Schluss gekom­men, dass wir es best­mög­lich ver­su­chen müs­sen, „beharr­lich im Bemü­hen, beschei­den in der Erfolgs­er­war­tung“, um es mit den Wor­ten von Götz W. Wer­ner zu sagen. Mei­ne Gedan­ken konn­te ich in einer sehr inten­si­ven und inter­es­san­ten Ses­si­on ver­tie­fen. Von einer kla­ren Abgren­zung des eige­nen Spiel­felds über offe­nes Anspre­chen der Defi­zi­te im Sin­ne einer Sorg­falts­pflicht bis hin zu der The­se, dass man das fal­sche Leben nicht künst­lich ver­län­gern soll­te durch sein Bemü­hen um ein rich­ti­ges. Ein neu­er Aspekt, den ich bei der Dis­kus­si­on bis­her ver­nach­läs­sigt hat­te, war die Fra­ge, ob die Mit­ar­bei­ter in mei­nem Ein­fluss­be­reich mein „rich­ti­ges“ Leben über­haupt wol­len und brau­chen. Dar­über wer­de ich aber in einem wei­te­ren Arti­kel län­ger nach­den­ken müssen.

Die vol­le Wir­kung des PM Camps ent­fal­tet sich typi­scher­wei­se erst noch über die nächs­ten Wochen, wenn die Ses­si­ons nach und nach doku­men­tiert sind und die Key­notes als Video noch inten­si­ver wir­ken kön­nen. Für mich war es aber jetzt schon ein rund­um gelun­ge­nes, sehr inten­si­ves und inspi­rie­ren­des PM Camp. Herz­li­chen Dank an alle Teil­ge­ber für einen span­nen­den Aus­tausch auf Augen­hö­he. Ich freue mich auf vie­le wei­te­re PM Camps.

Bild­quel­le: Foto mit freund­li­cher Geneh­mi­gung von Thi­lo Nie­wöh­ner. Nach geta­ner Arbeit ver­ab­schie­den wir zufrie­den und erschöpft als Orga­ni­sa­ti­ons­team des PM Camp Dorn­birn die Teil­ge­ber. Wir das sind (von rechts nach links): Eber­hard Huber, Ste­fan Hagen, Roland Dür­re und ich



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5 Kommentare

Thilo 24. November 2014 Antworten

Hal­lo Marcus,
eine sehr span­nen­de und im Detail nach­denk­lich stim­men­de Zusam­men­fas­sung des #PMCamp­DOR.

Ich den­ke, defi­niert man die Rol­le des Pro­jekt­lei­ters als Schnitt­stel­le und Koor­di­na­tor zwi­schen Manage­ment und Team, zwi­schen ver­schie­de­nen Gewer­ken und/oder Abtei­lun­gen, oder auch zwi­schen dem Kun­den und dem eige­nen Unter­neh­men, wird klar, daß es hier ein Span­nungs­feld gibt, in dem es gilt, immer wie­der Kom­pro­miß und Kon­sens herbeizuführen.

In Bezug auf das „rich­ti­ge Leben im Fal­schen“ setzt sich dies direkt und zwangs­läu­fig fort.
Als Pro­jekt­lei­ter hat man natur­ge­mäß ein ande­res Welt­bild als ein Mana­ger oder ein Mit­ar­bei­ter. Es ist nicht bes­ser oder schlech­ter, son­dern ein­fach anders und geprägt von Schnittmengen.

Das bedingt jedoch, daß wir in die­sem Welt­bild und im Ver­gleich zu dem ande­rer Men­schen man­che Spe­zia­li­tät ent­de­cken, die den ande­ren ver­bor­gen bleibt oder sie auch gar nicht erst interessiert.

Wei­sen wir jedoch dar­auf hin, daß hier und da etwas „falsch*“ läuft, kom­men manch­mal Ableh­nungs­ges­ten, manch­mal aber auch erhell­te Gesich­ter, die ein Aha-Erleb­nis verheißen.
Und wie­der gibt es etwas zu ver­mit­teln oder zu synchronisieren.

Man­ches Mal machen wir uns damit unbe­liebt, aber das ficht uns nicht an. Denn man­ches Mal fin­den wir auch zusam­men mit ande­ren einen klei­nen Bau­stein des „ech­ten Lebens“, den wir gewis­ser­ma­ßen als Fun­ke zu einem klei­nen Flämm­chen erhe­ben können.

Und ist das nicht viel­leicht sogar die Keim­zel­le für den sich ankün­di­gen­den Flä­chen­brand, der dann die Erneue­rung zum „Rich­ti­gen Leben“ brin­gen könnte?

Das beim PMCamp bespro­che­ne Bild des Tumors gefällt mir noch nicht recht. Nicht, weil ich es absto­ßend fän­de, son­dern weil der damit ver­bun­de­ne schlei­chen­de Pro­zeß mir nicht behagt.

Viel­mehr sehe ich hier das Bild des Waldbrandes:
Jeder Wald braucht regel­mä­ßig einen Wald­brand, der den Bestand rei­nigt und die Grund­la­ge für einen Neu­auf­bau lie­fert. Bleibt die­ser aus, erkrankt der Wald und ver­geht schließlich.
Begin­nend mit einem klei­nen Fun­ken oder Flämm­chen wan­delt es sich in eine tosen­de Revo­lu­ti­on, die dann Neu­es erste­hen läßt.

*: Falsch ist hier im Sin­ne von „nicht abge­stimmt“ oder auch „nicht im Sin­ne der Betei­lig­ten“ gemeint.
Wer einen bes­se­ren prä­gnan­ten Begriff kennt, der mir gera­de nicht ein­fal­len will, möge ihn ger­ne hier kommentieren.

Marcus Raitner 24. November 2014 Antworten

Lie­ber Thi­lo, dan­ke für Dei­nen aus­führ­li­chen Kom­men­tar. Ich soll­te viel­leicht prä­zi­sie­ren, was ich mit falsch und rich­tig mei­ne. Mir geht es gar nicht um abso­lu­te Wahr­hei­ten, son­dern dar­um, dass ich für mich (und jeder ande­re für sich) ein rich­ti­ge Form der Zusam­men­ar­beit und des Umgangs mit­ein­an­der ent­wi­ckelt hat und wir dar­über auf PM Camps inten­siv dis­ku­tie­ren. Und die­se Vor­stel­lung von rich­tig trifft dann auf sub­op­ti­ma­le Bedin­gun­gen in den Unter­neh­men in denen oder für die wir arbei­ten. Damit müs­sen wir uns irgend­wie auseinandersetzen.

Thilo 26. November 2014 Antworten

Hal­lo Marcus,

kein Wider­spruch von mei­ner Seite.

Das mein­te ich auch mit dem Nachsatz.
Abso­lu­te Wahr­hei­ten wird es dies­seits der Phy­sik nicht geben.

Marcus Raitner 26. November 2014 Antworten

Auch die Phy­sik lie­fert kei­ne abso­lu­ten Wahr­hei­ten, son­dern bis­her nicht wider­leg­te Hypo­the­sen, sie im Gegen­teil sogar fal­si­fi­zier­bar sein müs­sen. Lan­ge dach­te man, dass die Mathe­ma­tik in der Lage wäre abso­lu­te Wahr­hei­ten zu lie­fern, aber auch das hat sei­ne Gren­zen in den Unvoll­stän­dig­keits­sät­zen von Kurt Gödel, nach denen es in for­ma­len Sys­te­men prin­zi­pi­ell immer Aus­sa­gen gibt die weder beweis­bar noch wider­leg­bar sind. Jetzt höre ich aber auch wie­der auf mit klu­gen Sprüchen ;-)

Thilo 4. Dezember 2014

Respekt! Du hast beim Kol­le­gen Lesch auch gut aufgepaßt.
Ich habe mir zwar nicht gemerkt, wer „fal­si­fi­zier­bar“ ursprüng­lich geprägt hat, ken­ne die Anmer­kung aber von Prof. Harald Lesch (LMU München).

Natür­lich hast Du recht.
Die Phy­sik gibt uns aber, zumin­dest im Meso­kos­mos, einen Rie­sen­vor­teil gegen­über der rei­nen Denk­ar­beit mit Individuen:
Sie ist zumin­dest in die­sen Gren­zen berechenbar.
Das fehlt im wah­ren Leben.

Also bleibt nur die gemein­sa­me Fest­le­gung der Wahr­heit, da im Team hin und wie­der der Apfel nach oben fällt, wenn man nicht gemein­sam aufpaßt.

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