Zum vierten Mal fand vom 20. bis zum 22. November an der FH Vorarlberg in Dornbirn das PM Camp statt. An der Quelle der PM Camp Bewegung mit PM Camps in Wien, Zürich, München, Berlin, Bad Homburg und Stuttgart ist dieses Veranstaltungsformat noch immer etwas ganz besonderes, „das größte und spannendste Klassentreffen von Projekt-Machern im deutschsprachigen Raum“ (Frank Blome, ProjectWizards).
Der Erfolg der PM Camps in Summe und der – trotz hausgemachter Konkurrenz durch die zahlreichen Ableger – ungebrochen große Andrang beim PM Camp in Dornbirn, macht mich als Mitorganisator der ersten Stunde unglaublich glücklich, aber auch ein wenig ratlos. Natürlich könnten wir es rückblickend als so geplant und gewollt darstellen, dennoch war das erste PM Camp 2011 zunächst nur ein Experiment mit dem Veranstaltungsformat Barcamp in unserer Domäne des Projektmanagements. Ein sehr erfolgreiches Experiment. So erfolgreich, dass sich in den folgenden Jahren Ableger in Deutschland, Österreich und der Schweiz bildeten und weitere schon in den Startlöchern stehen.
Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.
Victor Hugo
Auch nach dem vierten PM Camp in Dornbirn und einigen weiteren, die ich als Teilnehmer besucht habe, bleibt bei mir ein Stück ungläubige Ratlosigkeit über diesen Erfolg. Ein ganz wesentlicher, wenn nicht sogar der entscheidende, Erfolgsfaktor scheint mir aber der offene Austausch auf Augenhöhe (vgl. auch Zusammenarbeit gestalten auf Augenhöhe). Das gerade für Projektmanager ungewöhnliche Format einer Un-Konferenz ohne fest geplante Vorträge nimmt offensichtlich viel von dem Druck sich perfekt präsentieren zu müssen und lädt ein zu Experimenten. Plötzlich rücken die drängenden Fragen des Projektlebens in den Mittelpunkt ohne gleich als Schwäche ausgelegt zu werden. Während auf klassischen Konferenzen in Hochglanz präsentiert wird was vorher von Marketing und Hierarchie poliert und weichgespült wurde, steht auf PM Camps der möglichst unmaskierte offene Austausch auf Augenhöhe im Vordergrund. Es geht darum von- und miteinander zu lernen auch und gerade aus Fehlern, Problemen und Misserfolgen.
Wenn es auch manchem im Vorfeld der Veranstaltung komisch vorkam, das Programm eines Barcamps gestalten die Teilgeber selbst. Und das funktionierte wieder ganz hervorragend. Die Sessions, die ich besucht habe, waren durchweg von hoher Qualität. Sicherlich trugen auch die beiden hervorragenden Keynotes von Gebhard Borck am ersten Tag und Melanie Kaiser am zweiten Tag erheblich zu diesem hohen Niveau bei. Wie immer entsteht die Dokumentation der Sessions und der Keynotes (die Videos folgen demnächst) gerade auf openPM, so dass die Diskussion dort fortgeführt werden kann.
Ein Thema beschäftigte mich ganz besonders: Wie schaffen wir es die vielen guten und manchmal auch sehr idealistischen Ansätze, die wir auf PM Camps und in unseren Blogs diskutieren, in einer deutlich weniger idealen Arbeitswelt in unseren Unternehmen und bei unseren Kunden umzusetzen. In einem der letzten Beiträge hier im Blog habe ich bereits über dieses richtige Leben im falschen nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir es bestmöglich versuchen müssen, „beharrlich im Bemühen, bescheiden in der Erfolgserwartung“, um es mit den Worten von Götz W. Werner zu sagen. Meine Gedanken konnte ich in einer sehr intensiven und interessanten Session vertiefen. Von einer klaren Abgrenzung des eigenen Spielfelds über offenes Ansprechen der Defizite im Sinne einer Sorgfaltspflicht bis hin zu der These, dass man das falsche Leben nicht künstlich verlängern sollte durch sein Bemühen um ein richtiges. Ein neuer Aspekt, den ich bei der Diskussion bisher vernachlässigt hatte, war die Frage, ob die Mitarbeiter in meinem Einflussbereich mein „richtiges“ Leben überhaupt wollen und brauchen. Darüber werde ich aber in einem weiteren Artikel länger nachdenken müssen.
Die volle Wirkung des PM Camps entfaltet sich typischerweise erst noch über die nächsten Wochen, wenn die Sessions nach und nach dokumentiert sind und die Keynotes als Video noch intensiver wirken können. Für mich war es aber jetzt schon ein rundum gelungenes, sehr intensives und inspirierendes PM Camp. Herzlichen Dank an alle Teilgeber für einen spannenden Austausch auf Augenhöhe. Ich freue mich auf viele weitere PM Camps.
Bildquelle: Foto mit freundlicher Genehmigung von Thilo Niewöhner. Nach getaner Arbeit verabschieden wir zufrieden und erschöpft als Organisationsteam des PM Camp Dornbirn die Teilgeber. Wir das sind (von rechts nach links): Eberhard Huber, Stefan Hagen, Roland Dürre und ich
5 Kommentare
Hallo Marcus,
eine sehr spannende und im Detail nachdenklich stimmende Zusammenfassung des #PMCampDOR.
Ich denke, definiert man die Rolle des Projektleiters als Schnittstelle und Koordinator zwischen Management und Team, zwischen verschiedenen Gewerken und/oder Abteilungen, oder auch zwischen dem Kunden und dem eigenen Unternehmen, wird klar, daß es hier ein Spannungsfeld gibt, in dem es gilt, immer wieder Kompromiß und Konsens herbeizuführen.
In Bezug auf das „richtige Leben im Falschen“ setzt sich dies direkt und zwangsläufig fort.
Als Projektleiter hat man naturgemäß ein anderes Weltbild als ein Manager oder ein Mitarbeiter. Es ist nicht besser oder schlechter, sondern einfach anders und geprägt von Schnittmengen.
Das bedingt jedoch, daß wir in diesem Weltbild und im Vergleich zu dem anderer Menschen manche Spezialität entdecken, die den anderen verborgen bleibt oder sie auch gar nicht erst interessiert.
Weisen wir jedoch darauf hin, daß hier und da etwas „falsch*“ läuft, kommen manchmal Ablehnungsgesten, manchmal aber auch erhellte Gesichter, die ein Aha-Erlebnis verheißen.
Und wieder gibt es etwas zu vermitteln oder zu synchronisieren.
Manches Mal machen wir uns damit unbeliebt, aber das ficht uns nicht an. Denn manches Mal finden wir auch zusammen mit anderen einen kleinen Baustein des „echten Lebens“, den wir gewissermaßen als Funke zu einem kleinen Flämmchen erheben können.
Und ist das nicht vielleicht sogar die Keimzelle für den sich ankündigenden Flächenbrand, der dann die Erneuerung zum „Richtigen Leben“ bringen könnte?
Das beim PMCamp besprochene Bild des Tumors gefällt mir noch nicht recht. Nicht, weil ich es abstoßend fände, sondern weil der damit verbundene schleichende Prozeß mir nicht behagt.
Vielmehr sehe ich hier das Bild des Waldbrandes:
Jeder Wald braucht regelmäßig einen Waldbrand, der den Bestand reinigt und die Grundlage für einen Neuaufbau liefert. Bleibt dieser aus, erkrankt der Wald und vergeht schließlich.
Beginnend mit einem kleinen Funken oder Flämmchen wandelt es sich in eine tosende Revolution, die dann Neues erstehen läßt.
*: Falsch ist hier im Sinne von „nicht abgestimmt“ oder auch „nicht im Sinne der Beteiligten“ gemeint.
Wer einen besseren prägnanten Begriff kennt, der mir gerade nicht einfallen will, möge ihn gerne hier kommentieren.
Lieber Thilo, danke für Deinen ausführlichen Kommentar. Ich sollte vielleicht präzisieren, was ich mit falsch und richtig meine. Mir geht es gar nicht um absolute Wahrheiten, sondern darum, dass ich für mich (und jeder andere für sich) ein richtige Form der Zusammenarbeit und des Umgangs miteinander entwickelt hat und wir darüber auf PM Camps intensiv diskutieren. Und diese Vorstellung von richtig trifft dann auf suboptimale Bedingungen in den Unternehmen in denen oder für die wir arbeiten. Damit müssen wir uns irgendwie auseinandersetzen.
Hallo Marcus,
kein Widerspruch von meiner Seite.
Das meinte ich auch mit dem Nachsatz.
Absolute Wahrheiten wird es diesseits der Physik nicht geben.
Auch die Physik liefert keine absoluten Wahrheiten, sondern bisher nicht widerlegte Hypothesen, sie im Gegenteil sogar falsifizierbar sein müssen. Lange dachte man, dass die Mathematik in der Lage wäre absolute Wahrheiten zu liefern, aber auch das hat seine Grenzen in den Unvollständigkeitssätzen von Kurt Gödel, nach denen es in formalen Systemen prinzipiell immer Aussagen gibt die weder beweisbar noch widerlegbar sind. Jetzt höre ich aber auch wieder auf mit klugen Sprüchen ;-)
Respekt! Du hast beim Kollegen Lesch auch gut aufgepaßt.
Ich habe mir zwar nicht gemerkt, wer „falsifizierbar“ ursprünglich geprägt hat, kenne die Anmerkung aber von Prof. Harald Lesch (LMU München).
Natürlich hast Du recht.
Die Physik gibt uns aber, zumindest im Mesokosmos, einen Riesenvorteil gegenüber der reinen Denkarbeit mit Individuen:
Sie ist zumindest in diesen Grenzen berechenbar.
Das fehlt im wahren Leben.
Also bleibt nur die gemeinsame Festlegung der Wahrheit, da im Team hin und wieder der Apfel nach oben fällt, wenn man nicht gemeinsam aufpaßt.