Werkzeug oder Waffe?

Jede Metho­de, jede Tech­nik oder jedes Werk­zeug ist nicht an sich gut oder schlecht, son­dern wird es erst durch die Art und Wei­se des Gebrauchs. Ein Ham­mer kann hilf­rei­ches Werk­zeug sein genau­so wie zer­stö­re­ri­sche Waf­fe. Was in der phy­si­schen Welt auf­grund unse­rer Erfah­rung sofort klar ist, gilt aber für weni­ger greif­ba­re Werk­zeu­ge eben­so: Auch ein schein­bar harm­lo­ses Burn­down-Chart im Scrum birgt in den fal­schen Hän­den mit zwei­fel­haf­ten Absich­ten viel Sprengkraft.

Zunächst ist ein Burn­down-Chart ein Hilfs­mit­tel, um den Fort­schritt im Sprint oder im Release ins­ge­samt auf­zu­zei­gen. Mit Hil­fe die­ses Werk­zeugs kann das Team ein­schät­zen, wie gut es vor­an­kommt. Dar­aus lässt sich die Geschwin­dig­keit des Teams (in Sto­ry­po­ints pro Sprint) ermit­teln und mit den vor­he­ri­gen Sprints des­sel­ben Teams ver­glei­chen. Da nach und nach Hin­der­nis­se besei­tigt wer­den und die Pro­zes­se im Team mit jeder Retro­spek­ti­ve selbst­or­ga­ni­siert ver­bes­sert wer­den, steigt die­se Geschwin­dig­keit in der Regel von Sprint zu Sprint. Die Visua­li­sie­rung des Fort­schritts als Burn­down und die Geschwin­dig­keit als Kenn­zahl hel­fen also dem Team die eige­nen Fort­schrit­te mess­bar und steu­er­bar zu machen.

Das funk­tio­niert aller­dings nur solan­ge die­se Mes­sung angst­frei erfolgt. Käme ein eben­so zah­len­ver­lieb­ter wie nai­ver Mana­ger auf die Idee, eine Norm­ge­schwin­dig­keit zu for­dern oder die Geschwin­dig­kei­ten von Teams mit­ein­an­der in Kon­kur­renz zu brin­gen und ent­spre­chen­de Bonus­sys­te­me zu instal­lie­ren, gin­ge der Nut­zen von Burn­down-Chart und Geschwin­dig­keits­mes­sung schnell ver­lo­ren. Nicht nur, dass die der­art unter Druck gesetz­ten Mit­ar­bei­ter die Mes­sung zu ihren Guns­ten ver­fäl­schen wür­den und damit das Werk­zeug für den Mana­ger wert­los wür­de, auch das Team ver­lö­re damit ein wich­ti­ges Instru­ment zur Jus­tie­rung der eige­nen Leis­tung. In den fal­schen Hän­den mit zwei­fel­haf­ter Absicht ver­wan­deln sich also nütz­li­che Werk­zeu­ge und Metho­den ganz schnell zu Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen von Moti­va­ti­on und Produktivität.

If you give a mana­ger a nume­ri­cal tar­get, he’ll make it even if he has to des­troy the com­pa­ny in the process.
W. Edwards Deming

Scrum ist in die­ser Hin­sicht ein wenig naiv, indem von einer recht idea­len und för­der­li­chen Umge­bung für das Team und Pro­jekt aus­ge­gan­gen wird. In der Rea­li­tät ist das aber nicht so. Da gibt es oft mäch­ti­ge Stake­hol­der die nur all­zu ger­ne die Offen­heit von Bespre­chun­gen und Trans­pa­renz von Steue­rungs­werk­zeu­gen für Ihre Zwe­cke nut­zen oder wenigs­tens die Daten unpas­send inter­pre­tie­ren. Ein guter Scrum-Mas­ter oder Pro­jekt­lei­ter beschützt sein Team auch in die­ser Hin­sicht und ver­hin­dert, dass Werk­zeu­ge absicht­lich oder unab­sicht­lich gegen das Team ver­wen­det werden.



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2 Kommentare

Eberhard 2. Dezember 2014 Antworten

Kannst Du Gedan­ken lesen? Genau die­se zwei Sei­ten der Medail­le habe ich ges­tern in mei­ner Vor­le­sung thematisiert.

Marcus Raitner 2. Dezember 2014 Antworten

Viel­leicht trei­ben uns ein­fach nur die glei­chen Pro­ble­me um? Freut mich jeden­falls, dass ich mit mei­ner Wahr­neh­mung nicht allei­ne bin.

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