Es gibt immer Faktoren, die zwar maßgeblichen Einfluss auf den Projekterfolg haben, aber nicht direkt vom Projektleiter gestaltet werden. Die Zuteilung von Budget oder Mitarbeitern ist dabei insbesondere in großen Unternehmen mit vielen Projekten ein wesentlicher solcher Faktor. Der Projektleiter soll einerseits das Projekt im magischen Dreieck der vereinbarten Kosten, Qualität und Zeit ins Ziel steuern, andererseits werden Budgets regelmäßig mal gekürzt oder verschoben und Mitarbeiter abgezogen. Mit diesen Missständen kann man sich entweder arrangieren oder man kann Konsequenzen aufzeigen.
Wie verhalten Sie sich, wenn Sie als Projektleiter wissen, dass das Anfang des Jahres zugeteilte Budget bis Mitte des Jahres zwei Kürzungsrunden unterliegen wird und der dann offene Rest vermutlich einem Kostenstopp zum Opfer fallen wird, weil das eben so ist und immer schon so war? Die meisten arrangieren sich mit dieser Rahmenbedingung, planen einfach entsprechend großzügiger und geben möglichst viel möglichst früh im Jahr aus, um überhaupt irgendwie arbeiten zu können. Für den Projekterfolg ist das zwar nicht so gut, aber das lässt sich eben nicht ändern.
Wenn Sie sich nun als Entscheider über das Budget feststellen, dass Sie jedes Jahr die Budgets der Projekte mehrfach kürzen und einfrieren können und die Projekte trotzdem einigermaßen laufen, warum sollten Sie etwas ändern? Zumal es letztlich um Ihre Kostenziele und damit Ihren Bonus geht.
Wenn Du immer wieder das tust,
was Du immer schon getan hast,
dann wirst Du immer wieder das bekommen,
was Du immer schon bekommen hast.
Wenn Du etwas anderes haben willst,
musst Du etwas anderes tun!
Und wenn das, was Du tust, Dich nicht weiterbringt,
dann tu etwas völlig Anderes –
statt mehr vom gleichen Falschen!
Paul Watzlawick
Offensichtlich sind die Akteure also gut aufeinander eingespielt oder haben sich wenigstens miteinander arrangiert. Viele Projektleiter empfinden es daher sogar als ihre Pflicht oder als Alleinstellungsmerkmal, möglichst schlau mit solchen Missständen umgehen zu können. Nur ändert sich dann auch nichts.
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
Albert Einstein
Die Alternative zur Anpassung ist deutlich unbequemer, aber auch deutlich professioneller. Voraussetzung dafür ist allerdings ein ordentlicher Plan und ordentliches Risikomanagement. Nur dann lässt sich nämlich leicht die Konsequenz eines Kostenstopps, eines Abzugs von Mitarbeitern oder einer Budgetkürzung aufzeigen. Und genau das sollten Sie dann auch tun: die Konsequenzen unnachgiebig aufzeigen und eine Entscheidung fordern. Und derart massive Einschnitte müssen Konsequenzen haben, sonst war die Planung von Anfang an nicht sehr ordentlich. Die Entscheidung mag dann trotzdem zu Ungunsten des Projekts fallen, aber dann trifft die Entscheidung aber derjenige der sie auch treffen sollte, nämlich der Auftraggeber. Diese Entscheidung schmerzt und da beginnt dann die Veränderung.
11 Kommentare
Meine Devise: Ganz klar Auflehnung!
Ich habe einen Projektauftrag bekommen und um den zu erfüllen, brauche ich entsprechend Budget und Ressourcen. Bekomme ich die nicht, kann das Projekt unmöglich in Budget und Zeit beendet werden.
Ich sehe es als Projektleiter als meine Pflicht, dies bei meinen Vorgesetzten aufzuzeigen. Dafür werde ich auch entsprechend von Ihnen geschätzt.
Meine Meinung: Anpassung und Runterschlucken ist nie gut. Für sich selbst und auch für die Karriere.
Viele Grüße
Torsten von www.ausdauerblog.de
Vielen Dank für Deinen Kommentar. Meine Rede: Es ist ein Zeichen guten Projektmanagements in solchen Situationen Konsequenzen aufzuzeigen und bewusste Entscheidungen zu fordern. Auch wenn das unbequem ist.
Gibt es einen Königsweg? Vermutlich nicht.
Aber zumindest für meinen Bereich, den Anlagenbau, gibt es einen Weg, der funktioniert:
ZDF – Zahlen, Daten, Fakten.
Wer sich ohne Dokumentation/Visualisierung auflehnt, wird kein Ziel erreichen.
Wer aber ein Projekt aus der Erfahrung grob durchplanen und die Ergebnisse darstellen kann, ist einen großen Schritt weiter.
Speziell Manpower-Kurven, Gantt-Charts und Kostenprognosen sind, augentauglich aufbereitet, geeignet, um erkannte Probleme zu thematisieren und dann die Entscheidungen zu dokumentieren.
„Bauchzahlen“ stellen dagegen ein großes Problem dar, da sie angreifbar sind.
Nach der Präsentation, etwa im internen KickOff gibt es meist zwei Möglichkeiten:
a) Die Budgets werden angepaßt und der PL erhält eine neue Baseline, an der er gemessen wird.
b) Die Budgets werden trotzdem nicht angepaßt, der PL kann aber die Risiken (mit entsprechend hohen Wahrscheinlichkeiten) dokumentieren und hat später eine gute Grundlage für die Lessons Learned.
Wichtig ist, daß diese Entscheidung sachlich und inklusive der vorgebrachten Argumente im Bericht dokumentiert wird.
Vor allem bei sog. „strategischen Projekten“ ist der Fall b) oft der Wahrscheinlichste: Stimmt der Angebotspreis nicht, wird dies meist über die Kostenbudgets schöngerechnet und der PL dann dafür in die Pflicht genommen.
„Das habe ich Euch ja damals schon gesagt“ ist natürlich blöd, aber manchmal der einzige Weg, in der Hoffnung, daß irgendwann die Lernkurve eine positive Steigung erhält.
Und wenn dem dann noch entsprechende Doku in Form von Besprechungsberichten beiliegt, hat das zumindest langfristig eine ganz andere Wirkung.
Nachtrag:
Anpassen ist natürlich erstmal keine Option.
Ein „Ja, Chef. Sofort, Chef“ widerspricht meiner Meinung nach in jeder Hinsicht der Rolle des Projektleiters als Verantwortungsträger im Unternehmen und auch seinen Pflichten als Mitarbeiter.
Anpassung erfolgt höchstens nach ausreichender Diskussion der Problemstellung und immer mit Dokumentation (Wer? Wann? Was?)
Ziel ist hier ein Konsens; realistisch wird es aber auf eine höherrangige Festlegung hinauslaufen, die dann aber wenigstens in Kenntnis der Lage getroffen wurde.
Danke für Deine beiden Kommentare, Thilo. Ich bin absolut Deiner Meinung, dass man Fakten braucht um diesen Missständen zu begegnen. Leider hapert es da schon oft und dann bleibt nur anpassen und irgendwie durchwursteln.
Hallo Marcus,
oft finden die Budgetkürzungen schon in der Schätzphase statt. Aber egal wann das Budget gekürzt wird: Nach der Planung steht dann fest, dass das Projekt ROT ist. Und wann ist der geeignetste Zeitpunkt ein Projekt ROT zu melden, als der, an dem es seine Arbeit noch nicht aufgenommen hat?
Wenn aber die Kürzung im Laufenden Projekt stattfindet (also nicht schon eingespartes Geld abgezogen wird), dann erhöht sich doch automatisch der Risikoanteil. Und dies um das eingesparte Budget mit der Eintrittswahrscheinlichkeit von (bei seriöser Planung) 80%. Also ist auch hier das Projekt in Schieflage. Und nachweislich wegen einer externen Managemententscheidung. Welcher Manager will aber auf der Risikoliste eines Projekt in seinem Verantwortungsbereich stehen?
Ich habe schon mehr als einmal mein eigenes Management/Vorstand auf die Risikoliste gesetzt. Mit jeweils sehr schnellem Ergebnis.
Widerstand lohnt sich nicht nur… er ist die Pflicht des PM. Denn seine Ausgabe ist es das Projekt zu schützen. Nach innen und außen.
SO einfach ist das!
Jens
Danke für Deinen Kommentar, Jens. Das eigene Management auf die Risikoliste zu setzen, ist tatsächlich nur konsequent, erfordert aber auch Mut. In der Praxis erkenne ich diesen Mut zu selten. Was ich aber sehe ist ein gewisser Stolz, sich mit den Defiziten klug arrangieren zu können, indem man früh viel ausgiebt und entsprechende Puffer einplant.
… was dann wieder die Kürzungen rechtfertigt. TV Kaiser würde sagen: „Ich verstehe: Ein Teufelskreis!“
Es sollte nicht der Charakterzug eines PMs sein, smooth zu sein. Nach PMI ist Smoothing keine PM Methode. Der eigentliche Wesenszug wäre Ehrlichkeit. Dazu gehört es zum einen auch zu sagen, wo Risiken herkommen und diese zu beziffern und zum anderen ehrliche Planungen vorzunehmen.
Ich leider unter den „Kollegen“ die so handeln wie Du es beschreibst. Denn deren Projekte darf ich dann als Project Firefighter übernehmen.
Ein Hauptaspekt, den ich für Projektleiteraufgaben immer wieder höre, ist Integrität.
Dazu gehört eine sachliche, aber schonungslose Offenheit zu Zahlen im Allgemeinen und zum Risiko im Speziellen.
Der Ansatz, eine Managemententscheidung als Risiko zu listen, paßt dort genau rein. Voraussetzung: Diese Entscheidung und ihre Grundlagen wurden im KickOff oder Review erörtert.
Dann ist es nur fair und konsequent, seine Bedenken zu dokumentieren und auch klarzustellen, daß diese Entscheidung ein zusätzliches Risiko ins Projekt bringt.
Alles andere macht den Projektleiter übrigens wieder angreifbar, da er unterm Strich seine Pflichten vernachlässigt, wenn er das nicht tut.
In welcher Form diese Doku erfolgt, ist dann wieder eine andere Frage.
So etwas in einem Review zu dokumentieren, das auch an die Konzernzentrale geht, kann politisch heikel sein und dem Projekt hinten rum schaden. Daher sollte das an der Stakeholder-Situation gespiegelt werden.
Genau der Teufelskreis war der Punkt. Den müssen wir durchbrechen. Und dazu braucht es aufrichtige und standhafte Profis. Das ist aber unbequem für das Management … schon wieder ein Teufelskreis.
Da ist auch was dran, Marcus.
Ich habe oft gesagt, daß wir Projektleiter ein Scheitern als ehrenrührig empfinden, und lieber hoffnungslos verkalkulierte Projekte irgendwie durchziehen, als sie ordentlich und mit Schwung gegen die Wand fahren zu lassen.
Hier braucht es auch Mut und vor allem die Erkenntnis, daß einfach nicht alles möglich ist.