Spezialisieren ohne zu trennen

Wenn die glei­che Spe­zia­lis­ten­tä­tig­keit an ver­schie­de­nen Stel­len im Unter­neh­men aus­ge­führt wird, stellt sich frü­her oder spä­ter die Fra­ge nach der Zen­tra­li­sie­rung. Die Bün­de­lung der Spe­zia­lis­ten in einer ent­spre­chen­den funk­tio­na­len Ein­heit ver­spricht Syn­er­gie­ef­fek­te und Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der jewei­li­gen Dis­zi­plin. Einer­seits und theo­re­tisch. Die­se posi­ti­ven Effek­te wer­den ande­rer­seits prak­tisch mehr als auf­ge­ho­ben durch Abgren­zung, Büro­kra­tie und Pra­xis­fer­ne. Im Zwei­fel also lie­ber auf die funk­tio­na­le Bün­de­lung ver­zich­ten. Die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung von Funk­tio­nen lässt sich heu­te unter­stützt durch die Digi­ta­li­sie­rung ohne­hin bes­ser durch einen Aus­tausch in funk­tio­na­len Netz­wer­ken quer zur an der Wert­schöp­fung aus­ge­rich­te­ten Orga­ni­sa­ti­on bewerkstelligen.

Wenn in jedem IT-Pro­jekt zeit­wei­se ein Archi­tekt benö­tigt wird, klingt es zunächst toll, auf eine Trup­pe der bes­ten Archi­tek­ten zugrei­fen zu kön­nen. Theo­re­tisch jeden­falls. Prak­tisch ist die­se Zuar­beit aus Grün­den der Opti­mie­rung der Aus­las­tung wenigs­tens ein hal­bes Jahr im Vor­aus auf Wochen genau zu bean­tra­gen – schrift­lich und durch per­sön­li­che Vor­spra­che in ent­spre­chen­dem Ent­schei­dungs­gre­mi­um. Die Bün­de­lung der Spe­zia­lis­ten in einer dedi­zier­ten Orga­ni­sa­ti­ons­ein­heit führt auto­ma­tisch zu Pro­duk­ti­vi­täts­ver­lust durch Büro­kra­tie min­des­tens in Höhe der erziel­ten Synergien.

Gute Spe­zia­lis­ten sei­en eben rar und die jewei­li­ge Funk­ti­on so emi­nent wich­tig für das Unter­neh­men, dafür loh­ne sich doch das Biss­chen Büro­kra­tie, heißt es dann. Zwar führt das Zusam­men­zie­hen der Spe­zia­lis­ten einer Dis­zi­plin sicher­lich zu einer gewis­sen Pro­fes­sio­na­li­sie­rung, aber lei­der meist auch zu einem gewis­sen theo­re­ti­sie­ren­den Dog­ma­tis­mus. Durch die Mani­fes­ta­ti­on des Spe­zia­lis­ten­tums in einer dedi­zier­ten Orga­ni­sa­ti­ons­ein­heit geht es näm­lich plötz­lich vor­ran­gig um die theo­re­ti­sche Spe­zia­lis­ten­tä­tig­keit und erst dann um die Anwen­dungs­do­mä­nen, wo sie zum Ein­satz kommt. Tat­säch­lich ist die Kau­sa­li­tät aber genau anders­her­um: Archi­tek­ten ohne IT-Pro­jek­te sind sinn­los, IT-Pro­jek­te ohne dedi­zier­te Archi­tek­ten viel­leicht nicht opti­mal, aber sehr wohl mög­lich. Die Anwen­dungs­do­mä­ne soll­te also Vor­rang haben, weil sie immer näher an der Wert­schöp­fung ist als eine Spezialisteneinheit.

Der theo­re­ti­sche Spe­zia­list ist zudem dem ambi­tio­nier­ten und pra­xis­na­hen Lai­en im kon­kre­ten Ein­satz (den der Laie bes­ser kennt) meist gar nicht über­le­gen. Nur darf der Laie die­se Tätig­keit dann nicht mehr selbst aus­füh­ren, die Regeln ver­bie­ten das nun, weil es dafür ja die Spe­zia­lis­ten­ab­tei­lung gibt. In der Pra­xis wüss­ten die Mit­ar­bei­ter an der Front der Wert­schöp­fung genau was prag­ma­tisch sinn­voll wäre, dür­fen aber nicht mehr und kom­men zudem auf­grund der aus­ufern­den Büro­kra­tie auch noch weni­ger zur rest­li­chen Arbeit.

Die Not­wen­dig­keit ein­zel­ne Tätig­kei­ten und Funk­tio­nen zu pro­fes­sio­na­li­sie­ren soll­te heu­te nicht mehr pin eine for­mel­le funk­tio­na­le Orga­ni­sa­ti­on mün­den. Ansons­ten bil­den sich Elfen­bein­tür­me, die sich durch Büro­kra­tie abgren­zen, die Wert­schöp­fung dadurch behin­dern und das Unter­neh­men durch ihre Pla­nungs­pro­zes­se erstar­ren las­sen. Bes­ser in die heu­ti­ge Zeit pas­sen auto­no­me wert­schöp­fen­de Ein­hei­ten. Die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung wich­ti­ger Funk­tio­nen lässt sich heu­te bes­ser durch eine ent­spre­chen­de digi­ta­le Ver­net­zung der Spe­zia­lis­ten und sol­cher die es wer­den wol­len erreichen. 

Unter­schei­de ohne zu tren­nen – ver­bin­de ohne zu egalisieren
Her­bert Pietschmann



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4 Kommentare

Bernd Ruffing 11. April 2016 Antworten

Kann ich aus Sicht eines frei­be­ruf­li­chen BPM Con­sul­tant (mit jah­re­lan­gem Ange­stell­ten-Back­ground im BPM von Kon­zer­nen) abso­lut bestätigen:
Zen­tra­le BPM Abtei­lun­gen wach­sen in der The­rie, ent­fer­nen sich dabei aber von Tag zu Tag von der rea­len Praxis.

Marcus Raitner 11. April 2016 Antworten

Genau das mei­ne ich. Und dann bil­den die Zen­tral­ab­tei­lun­gen wei­te­re zen­tra­le Grup­pen die noch wei­ter von der Pra­xis ent­fernt sind.

Martin Bartonitz 12. Mai 2016 Antworten

Hal­lo Marcus,

wir haben vor über einen Jahr unse­re spe­zia­li­sier­ten Ent­wick­ler­teams neu auf­ge­stellt, so dass nun in den neu­en Teams mög­lichst Spe­zia­lis­ten aus allen Domä­nen vor­han­den sind, so dass ver­ti­kal von der Anwen­der­ober­flä­che bis run­ter zur Daten­bank durch alle Schich­ten hin­durch die User Sto­ries bear­bei­tet wer­den können.

Nach der 4. SCRUM Inte­r­ati­on sag­te unser Top­ex­per­te für die Anwen­dungs­ober­flä­che: „Das ist ja geni­al. Wenn ich frü­her mal zum Ser­ver-Team ging und frag­te, ob ich mal was haben könn­te, bekam ich zu Ant­wort, dass ich noch 4 Mona­te war­ten müss­te, da so viel zu tun sei. Heu­te rufe ich mal durch den Raum und eine Stun­de spä­ter hat ich es.“

Für die ein­zel­nen Domä­nen-Exper­ten gibt es regel­mä­ßig Work­shops, in denen Erfah­run­gen aus­ge­tauscht und Ent­schei­dun­gen in Rich­tung Archi­tek­tur getrof­fen wer­den. In beson­de­ren Fäl­len wer­den dann vir­tu­el­le Teams auf­ge­stellt, wenn beson­de­re Umbau­maß­nah­men durchzuführen.

Fazit: Ins­ge­samt läuft es so deut­lich moti­vier­ter, zumal die Trans­pa­renz des Tuns durch die 2‑wöchigen Reviews zu wei­te­ren Syn­er­gien führt.

Ich habe Dei­nen Arti­kel wie­der refe­ren­ziert. Ist das so OK für Dich? http://wirdemo.de/2016/05/12/vernetzung-statt-buerokratisches-zentralisieren/

VG Mar­tin

Marcus Raitner 12. Mai 2016 Antworten

Hal­lo Mar­tin, genau das mei­ne ich. Wenn Spe­zia­li­sie­rung mit Tren­nung und Abgren­zung ein­her­geht, wird es lang­sam und müh­sam. Dan­ke für die Ver­lin­kung auf wir­de­mo. Passt so!

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