Es gab eine Zeit, da war Agile das Ding. Agilität war im Mainstream und damit in den mit Eichenholz getäfelten Vorstandsbüros angekommen – weniger in Form der eigentlichen Prinzipien freilich, sondern in Form von Hochglanz-Präsentationen mit vollmundigen Beraterversprechen. Die geweckten Hoffnungen waren entsprechend groß. Wer wollte nicht doppelt so schnell in der Hälfte der Zeit werden? Und wer wollte nicht attraktiver werden für die raren IT-Fachkräfte?
Nach der obligatorischen Pilgerreise der Führungsmannschaft zu Spotify oder ins Silicon Valley war dann schnell klar, was dem Unternehmen fehlte: Kickertische, Sitzsäcke und Sneaker statt Krawatte. Wen kümmert es, dass Korrelation keine Kausalität bedeutet, wenn man sich so einfach einen modernen und agilen Anstrich verpassen kann. Die Umstellung der Organisation auf das Spotify-Modell – oder für die etwas konservativeren Manager: die Einführung von SAFe – erfordert zwar mehr Aufwand, folgt aber letztlich demselben Schema: Das Kopieren von Artefakten und Abläufen von agilen Organisationen in der Hoffnung dadurch selbst agiler zu werden.
Auch hier ist aber Korrelation nicht mit Kausalität zu verwechseln. Spotify ist nicht wegen des Spotify-Modells (oder den Sitzsäcken) agil. All diese Artefakte, Abläufe und Modelle sind nicht Ursache, sondern Folge und Zeichen einer agilen Kultur und Organisation. Und so kommt es, wie es kommen muss: Die Imitation dieser Phänomene wird perfektioniert und die Organisation „transformiert“ ohne wirklich viel zu ändern. Cargo-Kult im Endstadium.
Viele Organisationen haben im Jahr 2025 diese Reise auf dem agilen Partyschiff schon mehr oder weniger hinter sich und wachen nun recht verkatert in der immer noch wenig agilen Realität auf. Agilität als schmückendes Beiwerk und zum Selbstzweck lässt sich deshalb mittlerweile nicht mehr verkaufen. Und das ist gut so.
Agile war nie als HR-Projekt aus der Rubrik „Schöner Wohnen“ gemeint. Im Manifest für agile Softwareentwicklung ist das Ziel schon im ersten Satz klar formuliert: „Wir erschließen bessere Wege, Software zu entwickeln.“ Dies lässt sich selbstverständlich erweitern auf Produktentwicklung oder noch allgemeiner auf schlanke Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette mit klarer Kundenorientierung, ein paar agile Zeremonien in den unveränderten funktionalen Silos machen dafür aber keinen Unterschied, sondern schaden mehr als sie nutzen. Und das Führungsteam, das indessen vorbildlich Stand-ups macht und sein Backlog pflegt, ist auch nur ein weiteres Beispiel für das auf Gottfried Benn zurückgehende Bonmot „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.“
So banal es klingt, aber Agile muss ein Problem der Organisation lösen oder zur Lösung eines Problems beitragen. Dieses „Wozu“ muss am Anfang geklärt und klar kommuniziert werden. So klappt es auch mit dem Changemanagement ohne das übergriffige Changetheater, das ansonsten aufgeführt werden muss in Ermangelung einer guten Motivation. Je überzeugender das Ziel ist, desto leichter sind die Durststrecken auf dem Weg zu ertragen. „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie“, hat uns Friedrich Nietzsche so treffend gelehrt.
Trotzdem – oder besser gesagt: gerade deswegen – ist Agile noch lange nicht tot. Veredelungspotenzial in der wertschöpfenden Zusammenarbeit, bei der Kundenorientierung, der Innovationsfreude oder der Anpassungsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit gibt es noch genug. Die Probleme wurden mit den Sitzsäcken und Tischkickern nicht weniger, sondern nur kurzzeitig erträglicher. Und nach dem Abklingen des Hypes gibt es endlich Hoffnung auf nachhaltige Veränderung jenseits oberflächlicher Kosmetik.
Es gibt noch viel zu tun, packen wir es an!
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100% commit! Danke!