Rein sachliche Arbeit ohne emotionale Störungen gibt es nicht. Wo Menschen sind, gibt es immer Emotionen. Die (sachliche) Arbeit beeinflussen unsere Emotionen aber nicht nur negativ. Exzellente Leistungen entstehen nicht durch sachliches Abwickeln, sondern erfordern eine gehörige Prise Leidenschaft. Wenn Emotionen unvermeidlich und sogar wünschenswert sind, bleibt die Frage wie man sinnvoll damit umgeht.
Die emotionalen Störungen zu ignorieren und die Arbeit auf die Sachebene zu beschränken, ist keine Lösung, wie Friedemann Schulz von Thun in Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation die Psychologin Ruth Cohn zitiert:
Störungen haben de facto den Vorrang, ob Direktiven gegeben werden oder nicht. Störungen fragen nicht nach Erlaubnis, sie sind da: als Schmerz, als Freude, als Angst, als Zerstreutheit.
Sach- und Beziehungsebene können also nicht scharf getrennt werden. Optimale Ergebnisse sind nur bei einer ganzheitlichen Betrachtung zu erwarten. Oft zu beobachten ist, wie Probleme auf der Beziehungsebene die Sacheebene beeinflussen. Andererseits kann die richtige Chemie auf der Beziehungsebene die Beteiligten zu Höchstleistungen in der Sache beflügeln. Aber wie entsteht diese „richtige“ Chemie? Was erzeugt diesen Zusammenhalt im Team? Friedemann Schulz von Thun schreibt wiederum der Sachebene großen Einfluss zu:
Beziehungsprobleme (zwischen Paaren, in Schulklassen) haben ihre fundamentale Ursache im Fehlen einer dritten Sache.
Nicht nur die Beziehungsebene wirkt also auf die Sachebene, umgekehrt sorgt die gemeinsame Sache für die richtige Chemie! Der richtige Zusammenhalt im Team braucht ein gemeinsames Thema auf der Sachebene.
Emotionen im Kontext unserer sachlichen Arbeitswelt haben ihre Ursache oft in einer subjektiv empfundenen Bedrohung des Selbstwertgefühls. Wie Tom deMarco und Timothy Lister in Peopleware: Productive Projects and Teams (Kapitel 4) schreiben, leiten wir unser Selbstwertgefühl ab aus der Qualität dessen, was wir produzieren. Welcher IT-Projektleiter war noch nie in der Situation, dass ein Produkt, sei es ein Fachkonzept oder die fertige Software, längst die vom Kunden erwartete Qualität gehabt hätte, aber die Mitarbeiter sich nur mit großem Druck zur Abgabe bewegen ließen? Niemand liefert gerne mittelmäßige Qualität. Darum kann man nicht erwarten, dass sich ein produktives Team formt, um Mittelmaß zu produzieren. Lässt man das Team selbst den Maßstab anlegen, auch wenn die Messlatte dadurch dann deutlich höher liegt als nötig, ist das die Keimzelle eines „Elite-Teams“ (deMarco & Lister).
Die selbstbestimmte Qualität des Produkts ist ein geeignetes Thema auf Sachebene, das die Entstehung eines produktiven Teams fördert, wie auch Tom deMarco und Timothy Lister in Peopleware: Productive Projects and Teams (Kapitel 23) schreiben:
This cult of quality is the strongest catalyst for team formation. It binds the team together, because it sets apart from the rest of the world.
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