Immer wieder werde ich gefragt, wie ich Projekte führe, welche Methodik ich einsetze oder nach welchem Standard ich vorgehe. Diese Fragen sind absolut verständlich, schließlich vertraut man ein wichtiges Projekt nicht irgendjemand an. Hier also einige Antworten.
Passend statt standardisiert
Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.
Paul Watzlawick
Ich habe eine Abneigung gegen Patentrezepte und verkaufe auch keine. Die einzig richtige Projektmanagement-Methodik gibt es nicht und kann es nicht geben. Jedes Projekt in dem jeweiligen Umfeld mit den daran beteiligten oder auch nur davon betroffenen Menschen ist einzigartig und verdient es auch so geführt zu werden: einzigartig.
Erfahren statt zertifiziert
Erfahrungen sind Maßarbeit. Sie passen nur dem, der sie macht.
Carlo Levi
Enstscheidend für ein angemessenes Projektmanagement ist einerseits der Umfang des individuellen Werkzeugkoffers und andererseits der kunstfertige Umgang mit den Werkzeugen und Methoden. Konferenzen, Bücher, Schulungen und Zertifikate bieten wichtige Anregungen, sind aber nicht mehr als der Gang durch die Werkzeugabteilung des örtlichen Baumarkts: theoretische Möglichkeiten, die erst erprobt werden müssen. Erfahrung ist im Projektmanagement durch nichts zu ersetzen. Außer durch mehr Erfahrung.
Gestalten statt verwalten
So much of what we call management consists in making it difficult for people to work.
Peter Drucker
Projekte sind temporäre soziale Systeme. Zunächst unstrukturiert und noch weit von jenem eingeschwungenen Zustand der Stabilität entfernt, in dem sie den verwaltenden Methoden des klassischen industriellen Managements zugänglich wären. Diesen Prozess der Gestaltung eines einmaligen sozialen Systems »Projekt« in förderlicher Weise zu beeinflussen sehe ich als meine wesentliche Führungsaufgabe. An Stelle der Anleitung zur Durchführung tritt im postindustriellen Projektmanagement jedoch die Anleitung zur Selbstverwaltung. Im klassischen, tayloristischen Sinne gibt es gar keinen Projektmanager mehr, sondern vielmehr einen Coach. Als Coach gestalte ich wie ein Gärtner das System »Projekt« in seinem Umfeld mit den beteiligten und betroffenen Menschen. Ich arbeite am System, nicht im System, denn das macht das Team selbstverwaltet besser.
Dienen statt herrschen
The most valuable »currency« of any organization is the initiative and creativity of its members. Every leader has the solemn moral responsibility to develop these to the maximum in all his people. This is the leader’s highest priority.
Edward Deming
Die entscheidende Frage des modernen, postindustriellen Projektmanagements ist für mich die der eigenen Haltung und des zugrunde liegenden Menschenbilds: Muss der prinzipiell arbeitsscheue Mensch angeleitet, geführt und kontrolliert werden (Theorie X) oder ist der Mensch prinzipiell leistungsbereit, von innen motiviert und übernimmt bereitwillig Verantwortung für ein Projekt mit dem er oder sie sich identifizieren kann (Theorie Y)? An der Antwort auf diese Frage entscheidet sich, wie man seine Rolle Projektmanager lebt. Ich lebe meine Rolle nicht als heroischer Macher oder einsamer Retter, den normalen Mitarbeitern überlegen, sondern als erster Diener des Projekts (in Abwandlung der Maxime von Friedrich des Großen: »Ich will der erste Diener meines Staates sein.«)?
Meine Aufgabe ist es, Menschen und Organisation zu befähigen, Projekte erfolgreich durchzuführen.
Foto: Das Artikelbild wurde von Bob Owen unter dem Titel „Garden Shrine“ auf Flickr unter einer Creative Commons CC BY 2.0 Lizenz veröffentlicht.
4 Kommentare
Hallo Marcus,
wieder so ein richtungsweisender Artikel von Dir!
Magst Du ein kurzes Intro auf dem Blog Wirtschaftsdemokratie einstellen mit Link hierher?
Viele Grüße
Martin
Danke, Martin! Schreibe gerne einen kleinen Artikel dazu im Blog Wirtschaftsdemokratie im Laufe der nächsten Tage.
Hallo Marcus,
Du trifftst den Nagel auf den Kopf.
Beste Grüße aus dem Nordschwarzwald
Holger
Vielen Dank für Deinen Zuspruch, Holger!