Messen und Steuern mit Maß und Ziel

Was man nicht mes­sen kann, kann man nicht kontrollieren.[1. Buch­ti­tel eines der ers­ten Bücher von Tom deMar­co: Was man nicht mes­sen kann, …: … kann man nicht kon­trol­lie­ren.]

Die Mess­bar­keit hat Gren­zen. Jen­seits die­ser Gren­zen gibt es ele­men­tar wich­ti­ge Din­ge, die Füh­rungs­kräf­te trotz­dem beein­flus­sen müs­sen. Ich gehe noch einen Schritt wei­ter: die Auf­merk­sam­keit von Füh­rungs­kräf­ten muss genau bei den nicht mess­ba­ren Din­gen sein. Dort lie­gen Krea­ti­vi­tät, Moti­va­ti­on, Enga­ge­ment, Wer­te, etc. Die nicht mess­ba­ren Fak­to­ren ent­schei­den lang­fris­tig über Erfolg oder Misserfolg.

Etwas nicht mess­ba­res ist schwer kon­trol­lier­bar und macht uns des­halb Angst. Den­noch gibt es wich­ti­ge Zie­le und Wer­te, die nicht mess­bar sind. Tom deMar­co selbst schraubt die Erwar­tun­gen an die Mess­bar­keit in einem spä­te­ren Interview[1. „Soft­ware-Engi­nee­ring ist eine Idee, deren Zeit gekom­men und auch wie­der gegan­gen ist“ – Tom DeMar­co zum The­ma Metri­ken im Spe­zi­el­len und Soft­ware-Engi­nee­ring im All­ge­mei­nen. In OBJEKT­Spek­trum 06/2008.] zurück:

Stel­len Sie sich vor, dass wir nicht ein Soft­ware­pro­jekt len­ken wol­len, son­dern uns über die Erzie­hung unse­rer Kin­der Gedan­ken machen wol­len. […] Das, was wirk­lich wich­tig ist – Ehre, Dis­zi­plin, Per­sön­lich­keit, Wer­te, Ethik, Ein­falls­reich­tum, Loya­li­tät, Humor, Groß­zü­gig­keit – wird über­haupt nicht gemes­sen. Man muss Jugend­li­che so gut wie mög­lich in die­se Rich­tung len­ken, ohne jeg­li­ches zah­len­mä­ßi­ges Feedback.

Eine nahe­lie­gen­de Stra­te­gie ist es nun, die Gren­zen der Mess­bar­keit zu ver­schie­ben. Dage­gen habe ich prin­zi­pi­ell nichts ein­zu­wen­den, solan­ge es mit Maß und Ziel geschieht und man sich der Gren­zen immer noch bewusst bleibt.[2. Klei­ne Rand­no­tiz: Die Aus­sa­ge „Was man nicht mes­sen kann, kann man nicht steu­ern.“ kann nicht als Begrün­dung für das Mess­bar-Machen die­nen. Nach den Geset­zen der Logik ist die­se Aus­sa­ge näm­lich äqui­va­lent zu ihrer Kon­tra­po­si­ti­on „Wenn etwas steu­er­bar ist, dann ist es mess­bar.“ und nicht etwa zu „Wenn etwa mess­bar ist, dann ist es steu­er­bar.“] All­zu oft wird dann näm­lich nur noch das gesteu­ert, was auch gemes­sen wer­den kann. Die Leis­tung des Mit­ar­bei­ters bei­spiels­wei­se anhand sei­ner pro­duk­ti­ven Stun­den. Wür­den Sie die Ent­wick­lung Ihre Kin­der nur nach Schul­no­ten steu­ern wollen?

Aus den glei­chen Grün­den soll­ten wir uns hüten, Men­schen durch Kenn­zah­len zu erset­zen. Ers­tens ver­schlei­ert die­se Schein­ge­nau­ig­keit den Blick auf die ent­schei­den­den Fak­to­ren jen­seits der Mess­bar­keit. Zwei­tens ist es demo­ti­vie­rend, denn der Mit­ar­bei­ter nimmt die Kon­trol­le als Miss­trau­en wahr. Es lenkt drit­tens die Krea­ti­vi­tät der Mit­ar­bei­ter auf die Umge­hung des Kon­troll­sys­tems. Und schließ­lich ist es ent­wür­di­gend, Men­schen, in der Fül­le ihrer Fähig­kei­ten und Mög­lich­kei­ten, auf weni­ge Kenn­zah­len zu redu­zie­ren. Wer es als Füh­rungs­kraft trotz­dem ver­sucht, erhält genau die Mit­ar­bei­ter, die er ver­dient hat:

Es gibt Men­schen, die agie­ren nicht an ihrem Arbeits­platz, son­dern beschen­ken die Fir­ma mit ihrer blo­ßen Anwe­sen­heit. Requi­si­ten mit Pulsschlag.[2. Anja Förs­ter & Peter Kreuz. 99 Zita­te für Busi­ness Quer­den­ker]

Jede Füh­rungs­kraft muss steu­ern. Weni­ges davon lässt sich mes­sen, vie­les nicht. Auch nicht mit aus­ge­feil­ten Metho­den. Die Gren­zen der Mess­bar­keit zu erken­nen und zu akzep­tie­ren, ist der ers­te Schritt. Ihm fol­gen muss gro­ße Auf­merk­sam­keit und Krea­ti­vi­tät im Beein­flus­sen der schwer mess­ba­ren Fak­to­ren. In die­sem Sinne:

Gib mir die Kraft, Mess­ba­res zu steu­ern, die Gelas­sen­heit, Nicht-Mess­ba­res zu akzep­tie­ren und die Weis­heit, das eine vom ande­ren zu unterscheiden.

PS: Das Foto wur­de von Heinz Has­sel­berg, Stein­furt, unter dem Titel„096 Prä­zi­si­on“ in der kos­ten­lo­sen Bild­da­ten­bank www.piqs.de zur Ver­fü­gung gestellt. (Some rights reser­ved.)



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2 Kommentare

Robert Huber 17. Oktober 2010 Antworten

ein inter­es­san­ter Arti­kel, der zum Nach­den­ken anregt.

Ich bin der Mei­nung, wir soll­ten die sin­gu­lä­re, auf blan­ke Zah­len aus­ge­rich­te­te Sicht in Zusam­men­hang mit Füh­rung mit einem neu­en Ver­ständ­nis versehen:
1. Men­schen kann man nicht „steu­ern“, da sie kei­ne deter­mi­nis­ti­schen Sys­te­me sind. Man kann positiven/negativen Ein­fluss auf sie aus­üben, und damit die Wahr­schein­lich­keit ver­än­dern, in wel­che Rich­tung sie sich bewegen.
2. Auch der Begriff „Mes­sen“ ist zu natur­wis­sen­schaft­lich und redu­ziert (wie Dein Arti­kel schön beschreibt) den Men­schen auf das Niveau einer Maschi­ne, mit allen nega­ti­ven Kon­se­quen­zen. Ich bevor­zu­ge daher Begrif­fe wie „Bewer­ten“ oder „Beur­tei­len“, die neben rei­nen (manch­mal nütz­li­chen) Kenn­zah­len auch die Intui­ti­on als Instru­ment zulas­sen. Die­se ist zwar (fast) nicht mit Zah­len erfass­bar, aber in den meis­ten Fäl­len wert­vol­ler und zieführender.

Es wird m.E. höchs­te Zeit, dass wir auf dem Weg vom Indus­trie­zeit­al­ter zum Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter nicht nur die Tech­no­lo­gien wei­ter­ent­wi­ckeln, son­dern auch die Führungsstile.

Marcus Raitner 17. Oktober 2010 Antworten

Hal­lo Robert,

vie­len Dank für Dei­nen inter­es­san­ten Bei­trag. Du hast recht: das Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter wird getra­gen von Wis­sens­ar­bei­tern, deren Füh­rung einen völ­lig ande­ren Stil erfor­dert als die Füh­rung von Arbei­tern im Indus­trie­zeit­al­ter. Damals mag das Mes­sen und Steu­ern noch leid­lich funk­tio­niert haben, ent­wür­di­gend war es aber auch schon. Heu­te ver­fehlt die­ser Füh­rungs­stil sei­ne Wir­kung nicht nur, er rich­tet sogar Scha­den an: er unter­gräbt genau die Krea­ti­vi­tät und Moti­va­ti­on, die wir heu­te so drin­gend brau­chen. Bekannt ist das alles theo­re­tisch schon lan­ge, aber ich ver­mis­se die geleb­te Praxis. 

Gruß,
Marcus

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