Es wird – nicht zuletzt von mir – gerne behauptet, Projekte würden zu sehr gemanagt und zu wenig geführt. Es wird geklagt über zuviel Verwaltung und zuwenig Orientierung. Bisher war mir dieser Widerstreit zwischen kontrollierender Verwaltung und inspirierender Führung immer intuitiv irgendwie klar. Was mir bisher fehlte war eine griffige Definition. In seinem neuesten Buch „Professionelle Intelligenz“ (Amazon Affiliate-Link) beschreibt Gunter Dueck verschiedene Ebenen unserer (professionellen) Arbeit. Angewendet auf die Arbeit im Projekt ergibt sich daraus das folgende Konzept der vier Ebenen der Projektarbeit: Arbeit, Management, Metaarbeit und Führung. Insbesondere für angehende Projektmanager ist es sinnvoll, sich diese Ebenen bewusst zu machen und die eigene Zeit, sinnvoll darauf zu verteilen.
Ebene der Arbeit
Eigentlich sind Projekte ganz einfach. Der festgelegte Umfang des Projekts wird in einem Team in vorgegebener Zeit abgearbeitet: „Who does what by when?“ (Horstman’s Law of Project Management) Darum geht es im Kern. Diese Sicht ist nicht gänzlich falsch, aber unvollständig. Sie beschreibt nur die rein operative Ebene, auf der aber wohlgemerkt die gesamte Wertschöpfung stattfindet: Für die Ergebnisse auf dieser Ebene bezahlt der Auftraggeber letztlich.
Ebene des Managements
Die operative Arbeit muss geplant und gesteuert werden. Damit sind wir beim Projektmanagement im Sinne von Verwaltung und Organisation der durchzuführenden Arbeiten. Ob das nun besser klassisch durch einen Projektmanager mit Projektplan erfolgt oder eher agil-selbstorganisiert mit Kanban-Boards kann man ausufernd diskutieren, ist aber an der Stelle nicht von Belang. Wichtig ist nur, dass es neben der rein operativen, wertschöpfenden Ebene immer auch eine Ebene mit organisierenden Tätigkeiten gibt und geben muss. Oft hört auf dieser Ebene das Verständnis von Projektmanagement dann leider auch auf.
Ebene der Metaarbeit
Die ersten beiden Ebenen beschreiben jedoch nur die Arbeit im System „Projekt“. Aufgesetzt, gestaltet und verbessert wird das System auf diesen beiden Ebenen nicht, nur möglichst effizient betrieben. Diese notwendige Arbeit am System, die Metaarbeit wie Gunter Dueck das in seinem Buch „Professionelle Intelligenz“ (Amazon Affiliate-Link) nennt, findet auf einer anderen Ebene statt.
Probleme kann man niemals auf derselben Ebene lösen, auf der sie entstanden sind.
— Albert Einstein
Da Projekte per Definition zeitlich begrenzt sind, muss das System „Projekt“ zu Beginn erdacht und aufgebaut werden. Natürlich gibt es dafür Vorlagen und Standards, egal ob klassisch oder agil, aber die müssen zugeschnitten werden. Auch wenn die Tätigkeiten auf dieser Ebene nach erfolgter Initialisierung hoffentlich abnehmen, hört die Arbeit am System während des gesamten Projekts nie auf. Gerade weil Projekte immer Neuartiges zum Ziel haben und gerade weil Projektteams immer wieder neu zusammengesetzt werden, braucht es eine kontinuierliche Verbesserung des Systems „Projekt“.
Ebene der Führung
Schließlich muss auch die Arbeit am System, die Metaarbeit, organisiert werden. Das Aufsetzen und die kontinuierliche Verbesserung müssen einer Vision vom bestmöglichen Projekt unter den gegebenen Umständen folgen. Die Arbeit am System „Projekt“ muss geplant und verfolgt werden. Zu leicht wird das Schärfen der Säge sonst vergessen und mit stumpfer Säge weitergesägt bis zur Erschöpfung.
Management is efficiency in climbing the ladder of success; leadership determines whether the ladder is leaning against the right wall.
— Steven R. Covey
Die Komfortzone verlassen
Meiner Meinung nach bewegen wir uns im Projektmanagement viel zu viel auf den Ebenen der operativen Arbeit und ihrer Verwaltung. Projekte sind „overmanaged“ und „underled“. Projekte werden einfach mal gemacht. Ohne einen Gedanken an geeignete Strukturen und Prozesse zu verschwenden, wird losgelegt. Kontinuierliche Verbesserung wird als unwillkommene Störung der eigentlichen Arbeit vermieden. Eher noch arbeitet der Projektmanager dann operativ mit anstatt sich bewusst, die Komfortzone verlassend, auf die Ebene der Arbeit am System zu begeben. Da für diese Metaarbeit einzig und allein der Projektmanager verantwortlich und meist auch ausführend zuständig ist, bleibt diese Arbeit gerne liegen oder wird gar nicht erst wahrgenommen. Ich finde es hilfreich sich diese vier Ebenen der Arbeit in und am System „Projekt“ bewusst zu machen, um dann die eigene Aufmerksamkeit als Projektmanager der aktuellen Situation gemäß verteilen zu können.
PS. Das ist seit dem Start meines Blog am 07.06.2010 jetzt der 100. Artikel. Danke an die vielen treuen Leser insbesondere für die vielen Kommentare und Diskussionen.
Bildnachweis: Das Artikelbild wurde von Martin Cathrae unter dem Titel „A Couple Layers“ auf Flickr unter eine Creative Commons Lizenz (CC BY-SA 2.0) veröffentlicht (Bestimmte Rechte vorbehalten).