Projektcoaching (27): Selbstzweifel

Pro­jekt­ma­nage­ment, Manage­ment, Füh­rung: kann ich das über­haupt? Das habe ich doch nie gelernt! Ich doch bin Tech­ni­ker. Die Füh­rung von Teams kam im Stu­di­um gar nicht vor. Natür­lich arbei­te­ten wir damals auch in Teams. Und es gab gute und weni­ger gute Teams. Aber die Fra­ge ob und wel­chen Ein­fluß auf die Ergeb­nis­se die Zusam­men­ar­beit und die Füh­rung gehabt haben könn­te, wur­de gar nicht erst gestellt. Was zähl­te waren die Ergebnisse.

Die meis­ten ange­hen­den Pro­jekt­ma­na­ger sind nicht für die ihnen bevor­ste­hen­de Füh­rungs­auf­ga­be aus­ge­bil­det. Dar­an ändern auch mehr­tä­gi­ge Semi­na­re, wochen­lan­ge Fort­bil­dun­gen oder lern­in­ten­si­ve Zer­ti­fi­zie­run­gen nicht viel. In ihrem Her­zen blei­ben sie zunächst die Tech­ni­ker oder Exper­ten, als die sie einst aus­ge­bil­det wur­den und als die sie bis eben noch ein­ge­setzt wur­den. Die ers­ten unsi­che­ren Schrit­te als Pro­jekt­ma­na­ger sind bege­lei­tet von Selbst­zwei­feln: Kann ich das? Will ich das?

Kann ich das?

Wei­ter­bil­dun­gen und Semi­na­re hel­fen wenig, eher schü­ren sie die Zwei­fel noch. Der Schwer­punkt von Wei­ter­bil­dun­gen liegt natur­ge­mäß auf den Defi­zi­ten der Teil­neh­mer, also dem was schein­bar noch fehlt zum „per­fek­ten“ Pro­jekt­ma­na­ger. Auch wenn in Semi­na­ren tat­säch­lich gro­ße Fort­schrit­te erzielt wer­den, hin­ter­lässt allein die Fül­le der Inhal­te – gera­de im Pro­jekt­ma­nage­ment – zunächst eher ein Gefühl der Ohn­macht als eines der Stär­ke oder gar der Könnerschaft.

In sei­nen ers­ten Pro­jekt­ein­sät­zen benö­tigt ein Pro­jekt­ma­na­ger also in ers­ter Linie Zuspruch und Ver­trau­en (sie­he Chan­ge or Die?), um sei­ne Selbst­zwei­fel nach und nach aus­räu­men zu kön­nen. In der Regel erhält er aber weder das eine noch das ande­re, son­dern fin­det sich in einem latent feind­li­chen Umfeld wie­der, in dem ein­zel­ne ihren meist win­zi­gen Erfah­rungs­vor­sprung dazu benut­zen, es dem Neu­ling mal rich­tig zu zei­gen (sie­he Pro­jekt­coa­ching (24): Ver­un­si­che­rung). Gera­de in einem etwas schwie­ri­ge­ren Umfeld ist daher Unter­stüt­zung des ange­hen­den Pro­jekt­ma­na­gers durch einen erfah­re­nen Pro­jekt­coach und Spar­rings­part­ner anzuraten.

Der Glau­be ver­setzt Ber­ge, die der Zwei­fel erschaf­fen hat.
Lothar Schmidt

Jedoch zei­gen nicht alle ihre Selbst­zwei­fel, schon gar nicht in einer feind­li­chen Umge­bung. Man­che sind sogar außer­or­dent­lich gut dar­in die­se zu über­spie­len und tre­ten extrem selbst­si­cher auf. Was zunächst unpro­ble­ma­tisch klingt ist in Wahr­heit aber brand­ge­fähr­lich. Tat­säch­lich sind die Zwei­fel ja berech­tigt, denn die eige­nen Erfah­rung und die eige­nen Fer­tig­kei­ten sind eben noch sehr begrenzt. Und damit sind die ers­ten eige­nen Ent­schei­dun­gen als Pro­jekt­ma­na­ger auch immer ris­kant. Wer die in die­sem Risi­ko wohl begrün­de­ten Zwei­fel über­spielt und ver­steckt, beraubt sich der lehr­rei­chen Dis­kus­si­on und Refle­xi­on und schöpft aus den Erfah­run­gen nicht den opti­ma­len Nutzen.

Will ich das?

Zu den Zwei­feln an den eige­nen Fähig­kei­ten gesel­len sich Ängs­te ob der Trag­wei­te der Ent­schei­dung, den erlern­ten und lan­ge Zeit erfolg­reich aus­ge­üb­ten Beruf als Exper­te auf­zu­ge­ben zuguns­ten einer unge­wis­sen Karierre als Füh­rungs­kraft. Nach Jah­ren der Aus­bil­dung und des Stu­di­ums sol­len nun plötz­lich die müh­sam erwor­be­nen Fer­tig­kei­ten kei­ne Rol­le mehr spie­len? Statt­des­sen erwar­tet wer­den Füh­rungs­fä­hig­kei­ten, die nie auch nur ansatz­wei­se irgend­wo gelehrt wurden.

Hin­zu kommt – gera­de in der Infor­ma­tik – eine extre­me Schnell­le­big­keit des rele­van­ten Wis­sens: inner­halb weni­ger Jah­re ändern sich grund­le­gen­de Para­dig­men oft­mals radi­kal. Selbst als Exper­te fällt es da oft schwer Schritt zu hal­ten. Je weni­ger man aber Teil der Strö­mun­gen ist und je weni­ger man die Moden selbst mit­macht, des­to schnel­ler wird man abge­hängt. Je län­ger man also nicht mehr als Fach­kraft arbei­tet und am Ball bleibt, etwa weil man damit beschäf­tigt ist eine gute Figur als Pro­jekt­ma­na­ger abzu­ge­ben, des­to höher wird die Hür­de zum Wie­der­ein­stieg in den Beruf den man vor­mals als Exper­te aus­üb­te. Nicht ganz unbe­rech­tigt ist also die Angst, nach eini­gen Jah­ren Geh­ver­su­chen als Füh­rungs­kraft, dann sozu­sa­gen weder Fleisch noch Fisch zu sein.

Vorangegangene Teile der Serie Projektcoaching

Bildnachweis

Das Arti­kel­bild wur­de von Nico­la sin­ce 1972 unter dem Titel „Fear – IMG_6315“ auf Flickr unter eine Crea­ti­ve Com­mons Lizenz (CC BY 2.0) ver­öf­fent­licht (Bestimm­te Rech­te vor­be­hal­ten).



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6 Kommentare

Olaf Hinz 23. September 2011 Antworten

Irri­ta­ti­on ist das Ein­gangs­tor zu nachal­ti­ger Ver­än­de­rung. Wich­tig ist, dass der anfäng­li­che Selbst­zwei­fel dann in ein struk­tu­rier­tes Nach­den­ken über die pro­fes­sio­n­ele Rol­le als PM, die Erwar­tun­gen des Umfel­des dar­an und mei­ne eige­nen Vostel­lun­gen von guter Arbeit münden.
… und da hat dann so man­cher zer­ti­fi­zier­te PM Exper­te ent­deckt, dass wirk­sa­mes PM erst jen­seits von Tools und Check­lis­ten beginnt.
http://www.hinz-wirkt.de/neuigkeiten/25

Marcus Raitner 23. September 2011 Antworten

Dan­ke für den Kom­men­tar. Genau bei die­sem „struk­tu­rier­tem Nach­den­ken über die pro­fes­sio­nel­le Rol­le als PM“ und dem Fin­den des eige­nen pas­sen­den Rol­len­ver­ständ­nis­ses sehe ich die Not­wen­dig­keit eines Coaches.

Olaf Hinz 24. September 2011 Antworten

na, da kann ich aus Rol­len­grün­den natür­lich nicht wider­spre­chen, lie­ber Markus :-).
Es gibt aber wirk­sa­me Akter­na­ti­ven, ich habe im PM- Hand­buch mal dar­über einen lot­sen­den Arti­kel geschrieben:
http://www.hinz-wirkt.de/downloads/Projektcoaching_mentoring_kollberatung_PEM.pdf

Marcus Raitner 24. September 2011 Antworten

Dan­ke Dir, Olaf :-)

Den Arti­kel muss ich mir in aller Ruhe noch­mals durch­le­sen. Auf den ers­ten Blick gefällt er mir sehr gut. Es war mir bis­her nicht so klar, dass wir hier so ähn­lich unter­wegs sind. Ich hof­fe es ergibt sich mal eine Gele­gen­heit (PM-Camp?!) unse­re Ansich­ten und Erfah­run­gen auszutauschen.

Olaf Hinz 24. September 2011

Uups Akter­na­ti­ven ist ja auch toll
:-)
womit wir beim Punkt wären: den zuerst geplan­ten Ter­min im Sep hat­te ich reser­viert; die jetzt gewähl­te Alter­na­ti­ve war schon lan­ge vom Kun­den belegt…
Aber ich bin ja immer noch im Email live Stream und sehe, dass ihr eine tol­le Ver­an­stal­tung hin­be­kommt. Natür­lich wird mein Input „wirk­sa­mes PM braucht kei­ne Hel­den“ feh­len ;-), aber es sind ja eh bes­se­re Leu­te da…
Bist Du mal im Norden?

Marcus Raitner 24. September 2011

Scha­de, sehr scha­de: hät­te mich auf ein Tref­fen und natür­lich auf Dei­nen Input „Wirk­sa­mes PM braucht kei­ne Hel­den“ gefreut. Lei­der bin ich so gut wie nie im Nor­den. Wir ver­su­chen uns als klei­ne Fir­ma erst Mal in der Regi­on Mün­chen zu eta­blie­ren. Falls ich Mal in Dei­ner Nähe sein soll­te, mel­de ich mich aber ger­ne – und Du bit­te falls Du Mal im Süden sein solltest!

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