Projektmanagement, Management, Führung: kann ich das überhaupt? Das habe ich doch nie gelernt! Ich doch bin Techniker. Die Führung von Teams kam im Studium gar nicht vor. Natürlich arbeiteten wir damals auch in Teams. Und es gab gute und weniger gute Teams. Aber die Frage ob und welchen Einfluß auf die Ergebnisse die Zusammenarbeit und die Führung gehabt haben könnte, wurde gar nicht erst gestellt. Was zählte waren die Ergebnisse.
Die meisten angehenden Projektmanager sind nicht für die ihnen bevorstehende Führungsaufgabe ausgebildet. Daran ändern auch mehrtägige Seminare, wochenlange Fortbildungen oder lernintensive Zertifizierungen nicht viel. In ihrem Herzen bleiben sie zunächst die Techniker oder Experten, als die sie einst ausgebildet wurden und als die sie bis eben noch eingesetzt wurden. Die ersten unsicheren Schritte als Projektmanager sind begeleitet von Selbstzweifeln: Kann ich das? Will ich das?
Kann ich das?
Weiterbildungen und Seminare helfen wenig, eher schüren sie die Zweifel noch. Der Schwerpunkt von Weiterbildungen liegt naturgemäß auf den Defiziten der Teilnehmer, also dem was scheinbar noch fehlt zum „perfekten“ Projektmanager. Auch wenn in Seminaren tatsächlich große Fortschritte erzielt werden, hinterlässt allein die Fülle der Inhalte – gerade im Projektmanagement – zunächst eher ein Gefühl der Ohnmacht als eines der Stärke oder gar der Könnerschaft.
In seinen ersten Projekteinsätzen benötigt ein Projektmanager also in erster Linie Zuspruch und Vertrauen (siehe Change or Die?), um seine Selbstzweifel nach und nach ausräumen zu können. In der Regel erhält er aber weder das eine noch das andere, sondern findet sich in einem latent feindlichen Umfeld wieder, in dem einzelne ihren meist winzigen Erfahrungsvorsprung dazu benutzen, es dem Neuling mal richtig zu zeigen (siehe Projektcoaching (24): Verunsicherung). Gerade in einem etwas schwierigeren Umfeld ist daher Unterstützung des angehenden Projektmanagers durch einen erfahrenen Projektcoach und Sparringspartner anzuraten.
Der Glaube versetzt Berge, die der Zweifel erschaffen hat.
Lothar Schmidt
Jedoch zeigen nicht alle ihre Selbstzweifel, schon gar nicht in einer feindlichen Umgebung. Manche sind sogar außerordentlich gut darin diese zu überspielen und treten extrem selbstsicher auf. Was zunächst unproblematisch klingt ist in Wahrheit aber brandgefährlich. Tatsächlich sind die Zweifel ja berechtigt, denn die eigenen Erfahrung und die eigenen Fertigkeiten sind eben noch sehr begrenzt. Und damit sind die ersten eigenen Entscheidungen als Projektmanager auch immer riskant. Wer die in diesem Risiko wohl begründeten Zweifel überspielt und versteckt, beraubt sich der lehrreichen Diskussion und Reflexion und schöpft aus den Erfahrungen nicht den optimalen Nutzen.
Will ich das?
Zu den Zweifeln an den eigenen Fähigkeiten gesellen sich Ängste ob der Tragweite der Entscheidung, den erlernten und lange Zeit erfolgreich ausgeübten Beruf als Experte aufzugeben zugunsten einer ungewissen Karierre als Führungskraft. Nach Jahren der Ausbildung und des Studiums sollen nun plötzlich die mühsam erworbenen Fertigkeiten keine Rolle mehr spielen? Stattdessen erwartet werden Führungsfähigkeiten, die nie auch nur ansatzweise irgendwo gelehrt wurden.
Hinzu kommt – gerade in der Informatik – eine extreme Schnelllebigkeit des relevanten Wissens: innerhalb weniger Jahre ändern sich grundlegende Paradigmen oftmals radikal. Selbst als Experte fällt es da oft schwer Schritt zu halten. Je weniger man aber Teil der Strömungen ist und je weniger man die Moden selbst mitmacht, desto schneller wird man abgehängt. Je länger man also nicht mehr als Fachkraft arbeitet und am Ball bleibt, etwa weil man damit beschäftigt ist eine gute Figur als Projektmanager abzugeben, desto höher wird die Hürde zum Wiedereinstieg in den Beruf den man vormals als Experte ausübte. Nicht ganz unberechtigt ist also die Angst, nach einigen Jahren Gehversuchen als Führungskraft, dann sozusagen weder Fleisch noch Fisch zu sein.
Vorangegangene Teile der Serie Projektcoaching
- Projektcoaching (01): Nutzen erkennen
- Projektcoaching (02): Kommunikation
- Projektcoaching (03): Ziele
- Projektcoaching (04): Rollen
- Projektcoaching (05): Risiken
- Projektcoaching (06): Lieferergebnisse
- Projektcoaching (07): Projektstart
- Projektcoaching (08): Sinn stiften
- Projektcoaching (09): Planung
- Projektcoaching (10): Marketing
- Projektcoaching (11): Änderungsmanagement
- Projektcoaching (12): Besprechungen
- Projektcoaching (13): Berichtswesen
- Projektcoaching (14): Meilensteine
- Projektcoaching (15): Führungsrolle
- Projektcoaching (16): Glaubenssätze
- Projektcoaching (17): Effektivität
- Projektcoaching (18): Flöhe hüten
- Projektcoaching (19): Informationsfluss
- Projektcoaching (20): Legehennen
- Projektcoaching (21): Rollenwechsel
- Projektcoaching (22): „Richtige“ Arbeit
- Projektcoaching (23): Arbeit verteilen
- Projektcoaching (24): Verunsicherung
- Projektcoaching (25): Verteilte Teams
- Projektcoaching (26): Verbindlichkeit
Bildnachweis
Das Artikelbild wurde von Nicola since 1972 unter dem Titel „Fear – IMG_6315“ auf Flickr unter eine Creative Commons Lizenz (CC BY 2.0) veröffentlicht (Bestimmte Rechte vorbehalten).
6 Kommentare
Irritation ist das Eingangstor zu nachaltiger Veränderung. Wichtig ist, dass der anfängliche Selbstzweifel dann in ein strukturiertes Nachdenken über die professionele Rolle als PM, die Erwartungen des Umfeldes daran und meine eigenen Vostellungen von guter Arbeit münden.
… und da hat dann so mancher zertifizierte PM Experte entdeckt, dass wirksames PM erst jenseits von Tools und Checklisten beginnt.
http://www.hinz-wirkt.de/neuigkeiten/25
Danke für den Kommentar. Genau bei diesem „strukturiertem Nachdenken über die professionelle Rolle als PM“ und dem Finden des eigenen passenden Rollenverständnisses sehe ich die Notwendigkeit eines Coaches.
na, da kann ich aus Rollengründen natürlich nicht widersprechen, lieber Markus :-).
Es gibt aber wirksame Akternativen, ich habe im PM- Handbuch mal darüber einen lotsenden Artikel geschrieben:
http://www.hinz-wirkt.de/downloads/Projektcoaching_mentoring_kollberatung_PEM.pdf
Danke Dir, Olaf :-)
Den Artikel muss ich mir in aller Ruhe nochmals durchlesen. Auf den ersten Blick gefällt er mir sehr gut. Es war mir bisher nicht so klar, dass wir hier so ähnlich unterwegs sind. Ich hoffe es ergibt sich mal eine Gelegenheit (PM-Camp?!) unsere Ansichten und Erfahrungen auszutauschen.
Uups Akternativen ist ja auch toll
:-)
womit wir beim Punkt wären: den zuerst geplanten Termin im Sep hatte ich reserviert; die jetzt gewählte Alternative war schon lange vom Kunden belegt…
Aber ich bin ja immer noch im Email live Stream und sehe, dass ihr eine tolle Veranstaltung hinbekommt. Natürlich wird mein Input „wirksames PM braucht keine Helden“ fehlen ;-), aber es sind ja eh bessere Leute da…
Bist Du mal im Norden?
Schade, sehr schade: hätte mich auf ein Treffen und natürlich auf Deinen Input „Wirksames PM braucht keine Helden“ gefreut. Leider bin ich so gut wie nie im Norden. Wir versuchen uns als kleine Firma erst Mal in der Region München zu etablieren. Falls ich Mal in Deiner Nähe sein sollte, melde ich mich aber gerne – und Du bitte falls Du Mal im Süden sein solltest!