»Cui bono?« (lateinisch für »Wem zum Vorteil?«) findet in der Aufklärung von Verbrechen oft Anwendung in dem Sinn, dass der Verdacht auf denjenigen fällt, der den größten Nutzen aus einen Verbrechen zieht. Diese Frage nach dem Nutzen muss man sich auch im modernen Projektmanagement in zweifacher Weise stellen. Einerseits hinsichtlich des Projektmanagements und seiner konkreten Methoden und andererseits hinsichtlich der Orientierung der Vorgehensweise am Nutzwert der Projektergebnisse.
There is nothing so useless as doing efficiently that which should not be done at all.
Peter F. Drucker
Wer kennt das nicht? Statusberichte sind in Formblättern (eine Seite Powerpoint …) im Wochenrhythmus abzugeben. In den etwas fortschrittlicheren Organisation wird dann tatsächlich noch über den Bericht gesprochen. Mit etwas Glück sogar von Angesicht zu Angesicht. Inhaltsleere Risikomanagementtabellen werden zu Projektbeginn befüllt mit banalen Risiken (gerne genommen: Ressourcen stehen nicht ausreichend zur Verfügung) um die Form zu wahren. Meilensteindtrendanalysen werden monatlich abgeliefert, obwohl die wichtigen Meilensteine unveränderlich vorgegeben sind und somit eigentlich der Scope die freie Variable ist. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.
Das alles ist Projektmanagement. Jedenfalls findet man das alles in Lehrbüchern und Standards. Nichts davon ist an sich Unfug, es wird nur jeweils nicht sehr wertschöpfend angewendet und eingesetzt. Die Ursache dafür liegt in der Standardisierung. Gerade in großen Unternehmen hat sich eine Methodenabteilung (gerne auch liebevoll Elfenbeinturm genannt) oft viele Gedanken gemacht, wie Projekte durchzuführen sind. Alle. Ohne Ausnahme. Hinzu kommt, dass sich gerade in großen Industrieunternehmen viele Menschen mit einem ausgeprägten Prozessfetisch tummeln. Dort fallen diese Standards der Projektdurchführung dann auf sehr fruchtbaren Boden und treiben seltsame Blüten.
Nichts gegen ein solides Rahmenwerk der Projektdurchführung und einen gut gefüllten Methodenbaukasten. Da aber jedes Projekt per Definition ein einmaliges Vorhaben ist, lässt sich die Durchführung nur auf abstrakter Ebene standardisieren (vgl. Dekonstruktion des Projektmanagements). Natürlich braucht es Berichte, aber welche, in welcher Form und mit welchen Inhalten und Methoden, das ist je Projekt und je Projektsituation klug auszuwählen. Mal ist eine Meilensteintrendanalyse sinnvoll und Mal bringt sie keinen Mehrwert. Natürlich sollte man den Fortschritt im Projekt messen, aber ob mittels Burndown-Chart oder Balkenplan, das muss im Einzelfall entschieden werden. Es ist eben eine Frage des Nutzens.
Working software over comprehensive documentation
Manifesto for Agile Software Development
Neben dem wertschöpfenden Einsatz des Projektmanagementarsenals gibt es aber noch eine zweite Dimension der Nutzenorientierung im modernen Projektmanagement. Projekte sind niemals Selbstzweck, sondern sollen in ihrer Umgebung Veränderung bewirken. Dazu liefert das Projekt Ergebnisse, die einen mehr oder weniger großen Nutzenbeitrag haben. Das meint das Agile Manifest mit der obigen Aussage: Die funktionierende Software ist das vorrangige Ergebnis, die Dokumentation steht erst an zweiter Stelle. Die Kunst ist es also die Vorgehensweise im Projekt so zu wählen, dass der Fokus genau auf den wertschöpfenden Ergebnissen liegt.
Tatsächlich kann man die Nutzenorientierung aber noch feingranularer sehen und betreiben. Ein Projektgegenstand wie die Software (ich bleibe bei diesem Beispiel, weil ich das am besten kenne) ist ja kein Monolith, sondern besteht aus vielen Bausteinen, die dem Nutzer Funktionen bereitstellen. Auch diese Funktionen sind unterschiedlich nützlich und wichtig und sollten entsprechend ihres Nutzenbeitrags umgesetzt werden. Man nähert sich so dem Funktionsumfang von unten an und erhält wichtige Funktionen recht früh, während nicht so wichtige unter Umständen im Laufe des Projekts komplett wegfallen. In dieser konsequenten Orientierung am Nutzen gepaart mit einer regelmäßigen Auslieferung von Zwischenständen sehe ich einen der großen Vorteile von agilen Vorgehensweisen wie Scrum, die man aber ohne weiteres auch in weniger agile Projekte übernehmen kann.
Foto: Das Artikelbild wurde von Ludovic Bertron unter dem Titel „USELESS“ auf Flickr unter einer Creative Commons CC BY 2.0 Lizenz veröffentlicht.