IT-Projekte scheitern mit einer Wahrscheinlichkeit von 20%. Bei großen Projekten von 10.000 function-points oder mehr steigt die Wahrscheinlichkeit sogar auf 40%. Nicht einmal ein Drittel aller IT-Projekte hält Zeitplan und Budget ein und liefert die erwartete Funktionalität und Qualität. (Quelle: Standish Group. CHAOS Report, 2004). Woran liegt das? Oft lassen sich die Probleme und Risiken bereits frühzeitig erkennen. In Ihrem Artikel Early Warning Signs of IT-Project Failure: The Dominant Dozen haben Kappelman, McKeeman und Zhang Frühindikatoren identifiziert und zusammengefasst.
Eines vorweg: IT-Projekte scheitern fast nie an der IT. Sicherlich ist neue Technologie ein Risiko, aber eines, das sich beherrschen und minimieren lässt. Die wahren Risiken und die entsprechenden Frühindikatoren liegen alle in den beiden Bereichen Mensch und Prozess. Und einmal mehr zeigt sich, dass ein erfolgreicher Projektmanager in erster Linie zwei Dinge beherrschen muss: Führung und Kommunikation. Im Detail sind in dem Artikel die folgenden Frühindikatoren genannt, wobei früh bedeutet, dass diese bereits in der ersten 20% der ursprünglich geplanten Laufzeit des Projekts erkennbar sind.
Mensch
- Fehlende Unterstützung durch das Top-Management
Wenn das Top-Management nicht hinter dem Projekt steht, werden wichtige Ressourcen fehlen, weil Menschen in Organisationen dazu tendieren ihre Aufmerksamkeit und ihre Zeit auf das zu richten, was dem Top-Management wichtig ist. - Schwache Projektmanager
Projektleiter die nicht führen oder kommunizieren können werden nie alle Stakeholder inklusive dem eigenen Team richtig im Griff haben. Insbesondere Projektmanager, die aufgrund ihrer guten Leistung als Programmier oder Architekt zu Managern wurden, stellen ohne ausreichende Ausbildung und Coaching ein erhebliches Risiko dar. - Stakeholder nicht ausreichend eingebunden
Fast eine Folge der vorigen beiden Punkte. Das Projekt benötigt die Zuarbeiten von Stakeholdern, die ihrerseits auch viel anderes zu tun haben. Wenn in deren Prioritäten das Projekt nicht weit genug oben ist, werden die Zuarbeiten ausbleiben und das Projekt scheitern. - Projektteam nicht ausreichend mit dem Projekt identifiziert
Ebenfalls eine Folge der beiden ersten Punkte. Eine klare Führungsaufgabe des Projektmanagers ist es, dem Team die Ziele des Projekts und den Zeitplan nahe zu bringen und es zu ihrem Projekt zu machen. - Fehlendes Wissen oder fehlende Fertigkeiten der Teammitglieder
Dieses Risiko beeinflusst maßgeblich die Fähigkeit des Teams Technologie-Risiken zu beherrschen. Wieder eine klare Führungsaufgabe des Projektmanagers, Defizite zu erkennen und dafür zu sorgen, dass das nötige Wissen erworben wird. - Fachexperten nicht ausreichend für das Projekt verfügbar
Fachexperten sind eine, aber sehr essentielle Gruppe von Stakeholdern. Es muss gelingen diese in ausreichender Weise für das Projekt zu gewinnen oder sie vom Top-Management freispielen zu lassen.
Prozess
- Anforderungen und Erfolgskriterien nicht festgelegt
Ein Projekt ohne ausreichend fixierte Anforderungen und insbesondere ohne Erfolgskriterien kann per Definition keinen Erfolg haben. Es ist unerlässlich, so früh wie möglich die Festlegung der Anforderungen einzufordern. Auch und gerade bei Widerständen. - Kein Prozess zum Management von Änderungen des Umfangs
Konsens über die Anforderungen initial herzustellen ist aber nur die halbe Miete. Im Schnitt ändern sich 2% der Anforderungen pro Monat (Jones. Patterns of Software System Failure and Success, 1995). Eine guter Prozess zum Management der Veränderungen ist somit unerlässlich. - Nicht effektiver Umgang mit Terminplanung
Es wird oft vergessen, dass ein Terminplan neben der Planung des Projektmanagers auch den Zweck der Vermittlung des Plans und dem Stand des Projekts an die Stakeholder hat. Zu oft bleibt der Plan Privatvergnügen des Managements und wird nicht zum Fahrplan für das gesamte Team. Gerne werden auch Verzüge in frühen Phasen des Projekts blauäugig ignoriert und nach dem Motto verfahren: „Das holen wir wieder auf!“. - Fehlende Kommunikation zwischen Stakeholdern
Sobald die Stakeholder nicht regelmäßig miteinander arbeiten und sich austauschen, beginnt das Projekt in verschiedene Richtungen zu driften. Diese Kohärenz herzustellen erfordert nicht nur die richtigen kommunikativen Fähigkeiten, es erfordert auch passende Kommunikationsprozesse. - Wichtige Ressourcen werden für höher-priorisierte Projekten abgezogen
Ohne die geplanten Ressourcen wird es unwahrscheinlich, das Projekt in der geplanten Zeit zu bewältigen, vor allem wenn der ursprüngliche Plan schon sehr optimistisch war. - Kein Business-Case für das Projekt
Projekte mit einen guten Business-Case bekommen in der Regel die nötige Aufmerksamkeit des Top-Management und die benötigten Ressourcen.
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- Motivation: Was Menschen wirklich motiviert
- Planung ersetzt Zufall durch Irrtum
PS. Das Bild habe ich bei Geek & Poke gefunden.
Ein Kommentar
Ein sehr interessantes Zwischenergebnis der Studie von Dr. Eberhard Huber im projekt (B)log bestätigt jedenfalls schon mal den Bereich Prozess als wichtigen Erfolgsfaktor. Nachzulesen hier: http://www.pentaeder.de/projekte/2010/09/10/30-erfolgreiche-projekte-standardisiertes-pm-lohnt-sich/