Zweihundert Mal allmähliches Verfertigen der Gedanken beim Schreiben. Nach drei Jahren und etwas mehr als drei Monaten, ist das also jetzt der zweihunderste Artikel. Und rückblickend sieht es wie immer ganz logisch aus. Das Blog, die Themen, die Art der Präsentation. Ich könnte freiweg behaupten, alles genau so geplant zu haben. Habe ich aber nicht. Noch nicht Mal diesen Jubiläumsartikel. Weil es geplant gar nicht möglich gewesen wäre. Was ich aber auch erst im Laufe der zweihundert Artikel verstanden habe. Anfangs widerstrebte es mir einfach nur, mir einen Masterplan zu machen. Ich sah einfach keinen Mehrwert in der Planung des offensichtlich Unplanbaren. Je länger ich nun darüber nachdenke, sehe ich nun gerade darin eine der wesentlichen Fertigkeiten eines guten Projektmanagers: Das Planbare vom Unplanbaren zu unterscheiden.
Gib mir den Mut, das Planbare zu planen,
die Gelassenheit das Unplanbare hinzunehmen und
die Weisheit das eine vom anderen zu unterscheiden.In Abwandlung des sogenannten Gelassenheitsgebets (vgl. Wikipedia)
Da ich mich wie Max Weber eher als »religiös unmusikalisch« bezeichnen würde, befriedigt mich ein Gebet nicht besonders. Es gibt mir ja auch keinerlei Indizien, was das Planbare vom Unplanbaren unterscheidet und was dann jeweils zu tun wäre. Es wird nur recht pauschal auf eine Weisheit verwiesen, aber nicht erklärt, wie diese aussehen könnte oder wie sie zu erlangen wäre, außer durch göttlichen Beistand.
Einfach ist die Planung des Planbaren. Das ist die Domäne des klassichen, standardisierten Projektmanagements in allen seinen Facetten und Geschmackrichtungen. Hierzu gibt es eine Fülle von Literatur und eine kleine Serie hier im Blog: Projektplanung 101.
Schwieriger ist es mit dem Unplanbaren. Was soll das sein, wie erkennt man das und was soll man dann tun? Dave Snowden hat ganu dafür sein sehr griffiges und praktisches Cynefin-Framework entwickelt. Es besteht aus den folgenden vier Domänen plus dem initialen Zustand der Unordnung (disorder) in dem noch nicht klar ist welche der vier Domänen vorliegt (vgl. Wikipedia):
- Simple: Die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung ist offensichtlich; es wird nach dem Muster »Sense, Categorise, Respond« vorgegangen und es werden bewährte Praktiken (best practice) angewendet.
- Complicated: Die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung ist nicht offensichtlich, kann aber durch Analyse und / oder Fachwissen ermittelt werden; es wird nach dem Muster »Sense, Analyse, Respond« vorgegangen und es werden gute Praktiken (good practice) angewendet.
- Complex: Die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung ist nur im Nachhinein feststellbar und entzieht sich einer Analyse; es wird nach dem Muster »Probe, Sense, Respond« vorgegangen, um emergente Praktiken hervorzubringen.
- Chaotic: Hier gibt es keine Beziehung auf Systemebene zwischen Ursache und Wirkung; es wird nach dem Muster »Act, Sense, Respond« vorgegangen, um innovative Praktiken zu entdecken.
Probleme und Vorhaben der Kategorien simple und complicated sind im obigen Sinne planbar, Probleme und Vorhaben der Kategorien complex und chaotic aber sind unplanbar. Letztere erfordern ein Vorgehen in kleinen Schritten, ein achtsames Fahren auf Sicht, den Mut zu Experimenten und zu beherztem Handeln. Auch die Anwendung des Cynefin-Frameworks erfodert noch ein wenig Übung, ist aber um einiges griffiger als die bloße Bitte um die nötige Weisheit in obigem (nicht ganz ernst gemeintem) Gebet.
Wenn ich nun so darüber nachdenke, dann würde ich mein Vorhaben dieses Blog zu schreiben in die Kategorie complex einordnen. Nach den zweihundert Artikeln habe ich zwar mittlerweile ein wenig Einblick in die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung in der Blogospähre und Social Media erhalten, lasse mich aber täglich auf’s neue überraschen. Ich werde also einfach weiter experimentieren. Ich freue mich über Lob und Kritik, über jede Empfehlung meiner Artikel in Social Media, aber auch über Anfragen zur Unterstützung in Projekten als Coach oder Projektmanager.
Foto: Das Artikelbild wurde von Samuel John unter dem Titel „Order and Chaos“ auf Flickr unter einer Creative Commons CC BY-SA 2.0 Lizenz veröffentlicht.
2 Kommentare
Ich bin aber der festen Überzeugung, dass alle Vorhaben der Kategorie „simple“ und „complicated“ im toten Bereich liegen. Diese Themenbereiche haben also nichts mit Menschen zu tun. Hat man diesen Glauben verinnerlicht, bekommt auch das „Projektmanagement“ an sich einen komplett neuen Sinn. Denn für wen und warum werden in Unternehmen Projekte durchgeführt? Komplexe Grüße, Conny
Danke für Deinen Kommentar, Conny. Immer wenn Projekte mit Menschen zu tun haben (und welche haben das nicht?) sollte man tatsächlich nicht davon ausgehen, dass man sich im einfach oder komplizierten Bereich aufhält. Und diese Projekte sollte man dann auch nicht rein mechanistisch managen.