Das erste Projekt

An mei­ne ers­te Pro­jekt­ma­nage­ment-Auf­ga­be erin­ne­re ich mich noch wie ges­tern. Frisch zer­ti­fi­ziert nach fünf Mal drei Tagen Kurs und ähn­lich inten­si­ver Arbeit am Trans­fer­nach­weis hat­te ich es end­lich geschafft, ich war Pro­jekt­lei­ter und trug die Ver­ant­wor­tung für mein ers­tes Pro­jekt. Ich brann­te dar­auf das Gelern­te in die Pra­xis umzu­set­zen. Also zog ich mich zurück und plan­te, opti­mier­te die Aus­las­tung der Mit­ar­bei­ter, ana­ly­sier­te Umfeld und Stake­hol­der und nicht zuletzt die Risi­ken, aus­führ­lich und mus­ter­gül­tig. Als ich mei­ner Mei­nung nach fer­tig war, schrieb ich allen Betei­lig­ten in einer län­ge­ren E‑Mail mei­ne Erkennt­nis­se und natür­lich mei­nen detail­lier­ten Plan. Jetzt wuss­ten alle was zu tun war, ich fühl­te mich klas­se und lehn­te mich ent­spannt zurück.

Das gute Gefühl währ­te nicht all­zu lan­ge. Genau­er gesagt nur fünf Minu­ten bis zum Anf­ruf von Karl, der als erfah­re­ner Ent­wick­ler mehr oder weni­ger die Rol­le des Chef­de­si­gners im Pro­jekt inne hat­te. Karl fand mei­nen Plan zwar ganz nett (und wir wis­sen ja, dass nett die klei­ne Schwes­ter von schei­ße ist), mein­te aber, dass ich doch eini­ge tech­ni­sche Abhän­gig­kei­ten ver­ges­sen hät­te. Da gäbe es Arbeits­pa­ke­te die ich par­al­lel geplant hät­te, die aber die­sel­ben Stel­len im Code und die­sel­ben Modu­le beträ­fen und daher nur sequen­ti­ell bear­bei­tet wer­den könn­ten. Ande­re Arbeits­pa­ke­te hät­te ich in der fal­schen Rei­hen­fol­ge geplant, weil es bei­spiels­wei­se sinn­vol­ler wäre das Log­ging ganz zu Beginn imple­men­tie­ren, damit wir spä­ter im Ver­lauf der wei­te­ren Umset­zung die Log­files zur Feh­ler­su­che nut­zen könn­ten. In die­ser Wei­se ging unser Tele­fo­nat noch etwa eine hal­be Stun­de und mein schö­ner Plan lös­te sich dabei von Minu­te zu Minu­te ein Stück mehr auf.

Kurz nach dem Anruf von Karl kam Andrea in mein Büro. Andrea war die GUI-Ent­wick­le­rin in mei­nem Pro­jekt, aller­dings nur zu 50%, weil sie noch die Arbei­ten in ihrem vor­he­ri­gen Pro­jekt abschlie­ßen muss­te. Das hat­te ich mei­ner Mei­nung nach beim Opti­mie­ren der Aus­las­tung auch ent­spre­chend berück­sich­tigt. Das sah Andrea aller­dings anders und dar­um war sie nun gleich Mal vor­bei gekom­men. Die nächs­ten zwei Wochen war End­spurt in ihrem alten Pro­jekt ange­sagt, um den Go-Live nicht zu gefähr­den. Daher wären die zuge­si­cher­ten 50% zwar prin­zi­pi­ell rich­tig, aber eben nur im Schnitt über die nächs­ten Mona­te. Im Moment kön­ne sie unmög­lich die für sie in den nächs­ten Wochen geplan­ten Arbeits­pa­ke­te schaf­fen. Um im Übri­gen kön­ne sie sowie­so erst mit der GUI begin­nen, wenn das Backend ihr die Daten wie spe­zi­fi­ziert lie­fer­te und nicht vor­her so wie ich das geplant hatte.

Umpla­nen und opti­mie­ren war also ange­sagt. Ich beschloss, mich für den Rest des Tages zurück­zu­zie­hen. Durch die vie­len klei­nen Arbeits­pa­ke­te und die lehr­buch­mä­ßig model­lier­ten Abhän­gig­kei­ten gestal­te­te sich die Über­ar­bei­tung des Plans recht müh­sam. Als ich spät­abends end­lich fer­tig war, ver­schick­te ich den Plan stolz aber auch ein wenig genervt wie­der per E‑Mail an das Team.

Dies­mal schien der der Plan zu pas­sen, denn erfreu­li­cher­wei­se hat­te den Rest der Woche nie­mand mehr Ein­wän­de. Das kam mir sehr ent­ge­gen, weil ich ohne­hin noch den Sta­tus­be­richt und das Con­trol­ling fer­tig­stel­len muss­te. Ich ging also davon aus, dass nun alle wie geplant ihrer Arbeit nach­gin­gen und ich mir am Mon­tag den Sta­tus von allen abho­len konn­te. Die unschö­ne Rea­li­tät hol­te mich dann am Mon­tag Abend recht schnell ein als immer noch nie­mand auf mei­ne mor­gend­li­che E‑Mail mit der Bit­te um Mel­dung des Sta­tus in bei­lie­gen­dem For­mu­lar geant­wor­tet hatte.

Es stell­te sich her­aus, dass außer Karl und Andrea nie­mand den Plan genau­er ange­se­hen geschwei­ge denn ver­stan­den hat­te. Trotz­dem waren die Mit­ar­bei­ter nicht untä­tig gewe­sen. Im Gegen­teil hat­ten sie eigent­lich viel mehr erle­digt als ich vor­ge­se­hen hat­te, nur nicht in der Arbeits­pa­ket­struk­tur, die ich mir müh­sam aus­ge­dacht hat­te. Es hat­te auch nie­mand ein Pro­blem damit, mir den Sta­tus sei­ner Arbeit im Gespräch zu erklä­ren, nur das Aus­fül­len des For­mu­lars, das ging den meis­ten zu weit.

In pre­pa­ring for batt­le I have always found that plans are use­l­ess, but plan­ning is indispensable.
Dwight D. Eisenhower

Was war pas­siert? Mit viel Schwung war ich in mei­ne ers­te Pro­jekt­ma­nage­ment-Auf­ga­be gestar­tet und woll­te alles rich­tig machen. Ich begriff es als mei­ne Auf­ga­be einen Plan zu erstel­len, damit alle wis­sen, was sie tun sol­len. Das war aber, wie bereits Eisen­hower erkann­te, nicht ganz rich­tig: nicht der Plan ist ent­schei­dend, son­dern der Pro­zess der Pla­nung. Anstatt ganz tay­lo­ris­tisch das Den­ken vom Han­deln zu tren­nen und im stil­len Käm­mer­chen zu pla­nen, hät­te ich von Anfang an mit dem Team und ande­ren Stake­hol­dern einen Dia­log über die Vor­ge­hens­wei­se suchen sol­len. Eine zusätz­li­che Lek­ti­on aus die­ser Epi­so­de war für mich der Wert unmit­tel­ba­rer Kom­mu­ni­ka­ti­on. Einen Plan, den vor­her noch nie­mand gese­hen hat­te, per E‑Mail zu ver­tei­len und sei­ne Abar­bei­tung zu erwar­ten, war rück­bli­ckend dann doch ein wenig naiv. Auch und gera­de, weil es eben nur mein Plan war.

Arti­kel­bild: MIKI Yoshi­hi­to bei flickr.com (CC BY 2.0)



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4 Kommentare

Tonio Grawe 30. Juli 2014 Antworten

Net­te Anek­do­te. Womit Du bestä­tigst: Pro­jekt­ma­nage­ment lernt man hat nicht im Kurs, son­dern nur durch Erfahrung.
Offe­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on in der Pla­nung ist essen­ti­ell. Genau­so wich­tig ist aber, dass der Pro­jekt­lei­ter in die­se Kom­mu­ni­ka­ti­on mit eige­nen Ideen rein­geht und sich nicht nur auf den Input der Exper­ten ver­lässt. Zumin­dest ein „ear­ly draft high level plan“ soll­te in der Tasche ste­cken, sonst kann (bei einem neu­en Team) Akzep­tanz­pro­ble­me geben. Und man­che Mit­ar­bei­ter schät­zen auch das Gefühl, einen Pro­jekt­lei­ter zu haben, der weiss wo die Rei­se hingeht.

Marcus Raitner 30. Juli 2014 Antworten

Dan­ke Tonio, ganz wich­ti­ge Ergän­zung. Als Pro­jekt­lei­ter muss ich eine gewis­se Vor­stel­lung haben wohin es geht und die auch kom­mu­ni­zie­ren kön­nen. Und sei es nur, damit wir uns alle dann dar­an rei­ben kön­nen. Die Akzep­tanz sehe ich da gar nicht Mal so sehr im Vor­der­grund, mich trei­ben ganz prag­ma­ti­sche Grün­de: man kommt ein­fach viel schnel­ler zu einem Ergeb­nis, wenn man mit einem kon­kre­ten Plan star­tet und den ver­bes­sert. Das gilt übri­gens auch für vie­le ande­re Workshops.

Jan Fischbach 4. August 2014 Antworten

Hal­lo Marcus,

so ähn­lich könn­te ich mei­ne ers­ten Erfah­run­gen auch zusam­men­fas­sen. (Du schreibst aber schöner.)

Dei­ne Erkennt­nis­se unter­schrei­be ich sofort. Was ich noch ergän­zen möch­te ist, dass man bes­ser den zum PM macht, der auch den größ­ten Nut­zen vom Ergeb­nis hat. Die­se Per­son hat näm­lich ein höhe­res Inter­es­se, das Pro­jekt abzu­schlie­ßen und weiß zudem, wo man Abstri­che machen kann, wenn es eng wird mit der Zeit.

Die­se Emp­feh­lung wird nicht immer klap­pen, das weiß ich. Aber ich for­mu­lie­re das mal als Anspruch.

Bes­te Grü­ße, Jan

Marcus Raitner 4. August 2014 Antworten

Hal­lo Jan, vie­len Dank für das lie­be Kom­pli­ment! Dei­nen Anspruch tei­le ich, genau­so wie Dei­ne Beden­ken, dass er erfüll­bar ist in der Pra­xis. Der Pro­jekt­lei­ter soll­te nie sein obers­ter Sach­be­ar­bei­ter sein. Lei­der macht man in der Pra­xis eben doch ger­ne den Top-Exper­ten zum Pro­jekt­lei­ter, der dann das Pro­jekt eben nicht führt, son­dern lie­ber inhalt­lich arbei­tet, dann dafür bekam er bis­her die Aner­ken­nung und dafür wur­de er aus­ge­bil­det. Die­ses Mus­ter ist für mich so etwas wie der Kar­di­nal­feh­ler in der Beset­zung von Projektrollen.

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