Wissensarbeit erfordert Weiterbildung

Es wäre sehr kurz­sich­tig, die War­tung von Maschi­nen aus­zu­set­zen, um sein Betriebs­er­geb­nis zu schö­nen. Obschon der Ver­gleich natür­lich hinkt, in Bezug auf die „War­tung“ des wich­tigs­ten Kapi­tals heu­ti­ger Unter­neh­men, näm­lich sei­ner Wis­sens­ar­bei­ter, pas­siert genau das. Es fehlt an unan­tast­ba­ren zeit­li­chen und finan­zi­el­len Frei­räu­men zur kon­ti­nu­ier­li­chen Weiterbildung.

Wis­sens­ar­beit kenn­zeich­net Tätig­kei­ten, die dadurch gekenn­zeich­net sind, dass das erfor­der­li­che Wis­sen nicht ein­mal im Leben durch Erfah­rung, Initia­ti­on, Leh­re, Fach­aus­bil­dung oder Pro­fes­sio­na­li­sie­rung erwor­ben und dann ange­wen­det wird. Viel­mehr erfor­dert Wis­sens­ar­beit im hier gemein­ten Sinn, dass das rele­van­te Wis­sen kon­ti­nu­ier­lich revi­diert, per­ma­nent als ver­bes­se­rungs­fä­hig ange­se­hen, prin­zi­pi­ell nicht als Wahr­heit, son­dern als Res­sour­ce betrach­tet wird und untrenn­bar mit Nicht­wis­sen gekop­pelt ist, so dass mit Wis­sens­ar­beit spe­zi­fi­sche Risi­ken gekop­pelt sind.
Hel­mut Will­ke: Sys­te­ma­ti­sches Wis­sens­ma­nage­ment, Luci­us & Luci­us, Stutt­gart, 2001

Nicht die Anwen­dung von ein­mal erwor­be­nen Wis­sen macht den Wis­sens­ar­bei­ter aus, son­dern die Fähig­keit neue Her­aus­for­de­run­gen jen­seits von Rou­ti­ne­tä­tig­kei­ten durch die kon­ti­nu­ier­li­che Arbeit mit und am eige­nen Wis­sens zu meis­tern. Wei­ter­bil­dung ist ein inhä­ren­ter Bestand­teil von Wissensarbeit.

Know­ledge workers tend to iden­ti­fy at least as much with their know­ledge disci­pli­ne as they do with the orga­niza­ti­on in which they ar employed.
Peter F. Drucker

Wis­sens­ar­bei­ter iden­ti­fi­zie­ren sich mit ihrer Pro­fes­si­on min­des­tens so sehr wie mit ihrem Arbeit­ge­ber. Ten­den­zi­ell zieht es sie also dort­hin, wo sie ihr Wis­sen und ihre Fähig­kei­ten meis­ter­haft anwen­den und erwei­tern kön­nen. Dazu braucht es ers­tens her­aus­for­dern­de Auf­ga­ben jen­seits von Rou­ti­ne, zwei­tes erst­klas­si­ge Kol­le­gen zum Aus­tausch und drit­tens und am wich­tigs­ten die zeit­li­chen und finan­zi­el­len Frei­räu­me, um sich mit Neu­em und Inter­es­san­tem beschäf­ti­gen zu dürfen.

Know­ledge workers expect con­ti­nuous lear­ning and con­ti­nuous trai­ning. Abo­ve all, they want respect, not so much for them­sel­ves but for their area of know­ledge. In that regard, they have moved seve­ral steps bey­ond tra­di­tio­nal workers, who used to expect to be told what to to, alt­hough later they were incre­asing­ly expec­ted to „par­ti­ci­pa­te“. Know­ledge workers, in con­trast, expect to make the decis­i­ons in their own area.
Peter F. Drucker

Natür­lich behaup­ten vie­le Unter­neh­men, Wei­ter­bil­dung habe obers­te Prio­ri­tät. Im Nah­kampf um die Errei­chung der Gewinn­zie­le wird aber Mit­te des Jah­res doch schnell gestri­chen was Anfang des Jah­res voll­mun­dig ver­spro­chen wur­de; teil­wei­se sogar unter Inkauf­nah­me von Stor­no­kos­ten. Und von zeit­li­chen Frei­räu­men kann ange­sichts von über­bor­den­der Büro­kra­tie und Bespre­chungs­or­gi­en schon lan­ge kei­ne Rede mehr sein. Wei­ter­bil­dung wird schnell zum Pri­vat­ver­gnü­gen, die Bin­dung zum Arbeit­ge­ber sinkt gegen null und das Ergeb­nis heißt Dienst nach Vorschrift.

It is no lon­ger suf­fi­ci­ent to have one per­son lear­ning for the orga­niza­ti­on, a Ford or a Slo­an or a Wat­son or a Gates. […] The orga­niza­ti­ons that will tru­ly excel in the future will be the orga­niza­ti­ons that dis­co­ver how to tap people’s […] capa­ci­ty to learn at all levels in an organization.
Peter Sen­ge, The Fifth Discipline

Der Ansatz von Goog­le, den Mit­ar­bei­tern 20% ihrer Zeit zur frei­en Ver­fü­gung, für Expe­ri­men­te und Wei­ter­bil­dung, zuzu­si­chern, war in die­ser Hin­sicht sicher­lich weg­wei­send und die Ergeb­nis­se sind beacht­lich. Wer in unse­rer schnell­le­bi­gen, glo­ba­len und hoch­gra­dig kom­pe­ti­ti­ven Welt als Unter­neh­men bestehen will, soll­te sich schnells­tens Gedan­ken über die „art­ge­rech­te Hal­tung“ von Wis­sens­ar­bei­tern machen. In die­ser Hin­sicht ent­schei­dend ist es, die Wis­sens­ar­bei­ter pro­duk­tiv in dem Bereich ein­zu­set­zen in dem sie gut und effek­tiv sind und ihnen dar­in und dar­über hin­aus viel­fäl­ti­ge Mög­lich­kei­ten zur Wei­ter­ent­wick­lung zu bie­ten. Eine Her­aus­for­de­rung, die Peter F. Dru­cker schon vor Jahr­zehn­ten kor­rekt benannt hat, die vie­le Unter­neh­men aber auch heu­te noch nicht ansatz­wei­se gemeis­tert haben.

The most important, and inde­ed the tru­ly uni­que, con­tri­bu­ti­on of manage­ment in the 20th Cen­tu­ry was the fif­ty-fold increase in the pro­duc­ti­vi­ty of the manu­al worker in manu­fac­tu­ring. […] The most important con­tri­bu­ti­on of manage­ment in the 21st cen­tu­ry will be to increase know­ledge worker pro­duc­ti­vi­ty – hop­eful­ly by the same per­cen­ta­ge. […] The methods, howe­ver, are total­ly dif­fe­rent from tho­se that increased the pro­duc­ti­vi­ty of manu­al workers.
Peter F. Dru­cker. Manage­ment Chal­lenges for the 21st Cen­tu­ry. Har­per­Busi­ness, 1999.



Share This Post

2 Kommentare

Thomas Michl 4. Oktober 2015 Antworten

Tref­fend auf den Punkt gebracht.

Marcus Raitner 4. Oktober 2015 Antworten

Dan­ke, Thomas.

Schreibe einen Kommentar