Entscheiden heißt irren

Die alter­na­tiv­lo­se Ent­schei­dung ist ein Oxy­mo­ron. Ent­schei­den kann man sich nur mit Alter­na­ti­ven. Jede Ent­schei­dung wird in Unsi­cher­heit getrof­fen und birgt Risi­ken. Des­halb müs­sen getrof­fe­ne Ent­schei­dun­gen anhand vor­her fest­ge­leg­ter Kri­te­ri­en über­prüft und bei Bedarf revi­diert wer­den. Und des­halb ist die demü­ti­ge Grö­ße, einen Feh­ler ein­zu­ge­ste­hen, eine ganz ent­schei­den­de Vor­aus­set­zun­gen für erfolg­rei­che Führung. 

Füh­ren heißt ent­schei­den. Jede Ent­schei­dung aber ist immer mit Unsi­cher­heit behaf­tet. Wenn der nächs­te Schritt sowie­so offen­sicht­lich oder voll­stän­dig logisch ableit­bar ist, gibt es nichts zu ent­schei­den. Damit geht Füh­rung immer auch das Risi­ko einer Fehl­ent­schei­dung ein. Füh­ren bedeu­tet also immer auch, demü­tig Feh­ler ein­zu­ge­ste­hen und zu korrigieren.

Wer einen Feh­ler gemacht hat und ihn nicht kor­ri­giert, begeht einen zweiten.

Kon­fu­zi­us

Eine ganz zen­tra­le Her­aus­for­de­rung von Füh­rung ist es, zum rich­ti­gen Zeit­punkt zu ent­schei­den. Nicht zu früh und damit mit zu wenig Infor­ma­tio­nen, aber auch nicht zu spät. Zu wenig Ana­ly­se führt zu unnö­tig vie­len Feh­lern, zu viel Ana­ly­se sichert zwar die Ent­schei­dung ab, die dann aber nicht mehr gebraucht wird, weil sie nicht mehr rele­vant ist. Wenn eine Ent­schei­dung alter­na­tiv­los ist, wie unse­re Kanz­le­rin das so ger­ne dar­stellt, ist der Zug in Wahr­heit schon lan­ge abge­fah­ren. Gefragt ist also ein Gespür für das rich­ti­ge Maß an Ana­ly­se im Ver­hält­nis zur Dring­lich­keit der Ange­le­gen­heit und dann Mut, das Rest­ri­si­ko zu tragen. 

If ever­y­thing seems under con­trol, you’­re just not going fast enough.

Mario And­ret­ti

Unfehl­bar ist nur der Papst und auch da sind sich katho­li­sche Theo­lo­gen nicht einig. Für alle ande­ren ist eine Ent­schei­dung immer eine Hypo­the­se über einen erhoff­ten Ver­lauf und ein erwar­te­tes Ergeb­nis. Eine gute Ent­schei­dung muss also in bes­ter empi­ri­scher Tra­di­ti­on fal­si­fi­zier­bar sein und darf nicht zum Dog­ma wer­den. Dar­um benö­tigt eine gute Ent­schei­dung mess­ba­re Erfolgs­kri­te­ri­en einer­seits und die Demut, bei aus­blei­ben­dem Erfolg die Ent­schei­dung abzu­ha­ken und den Kurs zu korrigieren.

Auch die­se Kor­rek­tur der Ent­schei­dung ist wie­der eine Ent­schei­dung, für die das ein­gangs Gesag­te gilt. Sie muss eben­falls unter Unsi­cher­heit getrof­fen wer­den und wer zu lan­ge über­legt ver­passt den rich­ti­gen Moment. Wer eine Aktie kauft, setzt natür­lich auf stei­gen­de Kur­se und hat viel­leicht auch ein Kurs­ziel vor Augen. Das ist der ein­fa­che Teil. Die Kunst des klu­gen Inves­tie­rens beginnt beim Aus­stieg, indem Gewin­ne einer­seits rea­li­siert wer­den – ein­her­ge­hend mit der Angst einen noch grö­ße­ren Gewinn zu ver­pas­sen – und Ver­lus­te ande­rer­seits kon­se­quent begrenzt wer­den, bei­spiels­wei­se mit einem Stopp-Kurs von 10 % unter­halb des Einstiegskurses.

Zu oft sind unse­re Ent­schei­dun­gen im pri­va­ten und die des Chefs im beruf­li­chen Kon­text aber sakro­sankt. Das hat zur Fol­ge, dass die­se ein­mal getrof­fe­nen Ent­schei­dun­gen nun tat­säch­lich alter­na­tiv­los zum Erfolg ver­dammt sind. Und der wird dann ein­fach irgend­wie ratio­na­li­siert und schön­ge­rech­net, was frei­lich umso bes­ser funk­tio­niert je weni­ger vor­her har­te Kri­te­ri­en für den Erfolg fest­ge­legt wur­den. Die ganz Schlau­en ver­än­dern dazu ein­fach auf dem Weg die Kri­te­ri­en und den Maßstab.

Nach­dem wir das Ziel end­gül­tig aus den Augen ver­lo­ren hat­ten, ver­dop­pel­ten wir unse­re Anstrengungen.

Mark Twa­in

Men­schen nei­gen dazu, einer Ent­schei­dung umso mehr anzu­haf­ten des­to mehr Auf­wand sie bereits in ihre Umset­zung inves­tiert haben. Die­se „ver­sun­ke­nen Kos­ten“ (sunk cost) flie­ßen also in unse­re Bewer­tung der Ergeb­nis­se nach einer Ent­schei­dung ein und füh­ren dann zu einem eska­lie­ren­den Com­mit­ment. Weil sie schon so viel in die getrof­fe­nen Ent­schei­dun­gen inves­tiert haben, inves­tie­ren Men­schen also noch mehr. Sie wer­fen gutes Geld dem schlech­ten und schon ver­lo­re­nen hin­ter­her oder inves­tie­ren noch mehr Zeit in ein aus­sichts­lo­ses Vorhaben. 

Wir füh­len uns also auf die­se irra­tio­na­le Wei­se einer Ent­schei­dung ver­pflich­tet, auch wenn wir ratio­nal betrach­tet sie schon längst hät­ten kor­ri­gie­ren müs­sen. Des­halb sind zum Zeit­punkt der Ent­schei­dung fest­ge­leg­te objek­tiv mess­ba­re Erfolgs­kri­te­ri­en so wich­tig. Am Ende bleibt es wie immer eine Fra­ge der Hal­tung. Die demü­ti­ge Grö­ße, einen Feh­ler ein­zu­ge­ste­hen, ist des­halb eine ganz ent­schei­den­de Vor­aus­set­zun­gen für erfolg­rei­che Führung. 



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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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