Effektivität vor Effizienz

Ein signi­fi­kan­ter Teil der Funk­tio­nen in Soft­ware­sys­te­men wird nicht oder sehr sel­ten genutzt. In der Ver­mei­dung oder Reduk­ti­on der­ar­ti­ger „Über­pro­duk­ti­on“ liegt folg­lich ein rie­si­ges Poten­ti­al. Vie­le ver­bin­den mit dem Schlag­wort Agi­li­tät die Illu­si­on einen defi­nier­ten Umfang schnel­ler umset­zen zu kön­nen. Das geht aber lei­der weit vor­bei am eigent­li­chen Nut­zen eines agi­len Vor­ge­hens, denn der liegt weni­ger in der Effi­zi­enz, als viel­mehr in der Effek­ti­vi­tät. Agi­li­tät sorgt in ers­ter Linie dafür, dass das Rich­ti­ge gemacht und eine Über­pro­duk­ti­on ver­mie­den wird. Und das ist gut so.

The­re is not­hing so use­l­ess as doing effi­ci­ent­ly that which should not be done at all. Peter F. Drucker

Oft wird agi­les Vor­ge­hen auf das Merk­mal der Lie­fe­rung von Ergeb­nis­sen in kur­zen Abstän­den redu­ziert. Da früh und kon­ti­nu­ier­lich gelie­fert wird, bleibt der Ein­druck einer höhe­ren Schnel­lig­keit zurück. Ob tat­säch­lich der­sel­be fes­te(!) Umfang im agi­len Modell schnel­ler abge­ar­bei­tet wird als in einem Was­ser­fall­mo­dell darf einer­seits bezei­felt wer­den. Ande­rer­seits spielt die­se Fra­ge auch kei­ne ent­schei­den­de Rol­le, weil in der Regel der Umfang nicht fest und das Ziel nicht klar ist.

Neben dem ein­präg­sa­men, aber nicht prä­gen­den, Merk­mal der Lie­fe­rung in kur­zen Abstän­den wird das viel wich­ti­ge­re und wirk­lich prä­gen­de Merk­mal agi­len Vor­ge­hens regel­mä­ßig ver­ges­sen, näm­lich die strik­te Ori­en­tie­rung der Arbeit am Kun­den­nut­zen. Die Lie­fe­rung in kur­zen Abstän­den ist näm­lich nur Mit­tel zu dem Zweck den erhoff­ten Kun­den­nut­zen über­prü­fen zu kön­nen, zu ler­nen und die wei­te­re Stoß­rich­tung anpas­sen zu kön­nen. Agi­li­tät meint eben nicht Schnel­lig­keit, son­dern Wendigkeit.

If the lad­der is not lea­ning against the right wall, every step we take just gets us to the wrong place faster.
Ste­ven R. Covey

Durch die strik­te Ori­en­tie­rung am Kun­den­nut­zen und der Über­prü­fung des Nut­zen durch Lie­fe­run­gen in kur­zen Abstän­den dämmt agi­les Vor­ge­hen die ein­gangs erwähn­te Über­pro­duk­ti­on unnüt­zer Funk­tio­nen ein. Im Fokus steht immer die Effek­ti­vi­tät und der Maß­stab dafür ist der Nut­zen für den Kun­den. Nach und nach ent­steht so immer grö­ße­rer Nut­zen, was aber auch bedeu­tet, dass Din­ge umge­baut und viel­leicht sogar kom­plett neu gebaut wer­den müs­sen. In die­sem Sin­ne wird eine sub­op­ti­ma­le Effi­zi­enz (in Bezug auf die idea­le Welt in der wir das Ziel exakt ken­nen) sogar bewusst in Kauf genom­men, wie das fol­gen­de Bild von Hen­rik Kni­berg sehr schön zeigt.

minimal-viable-product-henrik-kniberg

Die­se schein­ba­re Inef­fi­zi­enz durch Rück- und Umbau ist tat­säch­lich auch eine der größ­ten Hür­den in Unter­neh­men die das Was­ser­fall­mo­dell gewohnt sind und nicht über eine aus­rei­chen­de posi­ti­ve Feh­ler­kul­tur ver­fü­gen, denn dort ist es ein gro­ßer Wert, Din­ge beim ers­ten Mal gleich rich­tig zu machen. Die Effi­zi­enz von Agi­li­tät ergibt sich erst beim Blick auf die Orga­ni­sa­ti­on in Sum­me mit ihren vie­len sol­chen Vor­ha­ben: Die höhe­re Effek­ti­vi­tät durch die deut­li­che Reduk­ti­on von Über­pro­duk­ti­on hat näm­lich zur Fol­ge, dass mit der­sel­ben Mann­schaft im glei­chen Zeit­raum mehr Nut­zen gelie­fert wer­den kann.



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