Miteinander statt Nebeneinander

Die Pro­zes­se und die Struk­tu­ren zur Wei­ter­ent­wick­lung der IT-Sys­tem­land­schaf­ten sind in vie­len gro­ßen Indus­trie­un­ter­neh­men qua­si der geron­ne­ne Was­ser­fall. Fach­be­rei­che for­mu­lie­ren ihre Anfor­de­run­gen an die IT, wo sie dann von der ers­ten Stel­le prio­ri­siert, von der nächs­ten spe­zi­fi­ziert, von einer wei­te­ren mit Hil­fe von Dienst­leis­tern in den Sys­te­men umge­setzt, getes­tet und schließ­lich an den Betrieb über­ge­ben wer­den. Zwi­schen die­sen Silos gibt es kla­re Ver­ein­ba­run­gen, wie Vor­leis­tun­gen und Ergeb­nis­se aus­zu­se­hen haben. Agi­li­tät ersetzt die­ses sequen­ti­el­le Nach­ein­an­der durch ein inter­dis­zi­pli­nä­res Mit­ein­an­der. Nun sol­len Men­schen ver­schie­de­ner, klar abge­grenz­ter Abtei­lun­gen per­ma­nent an einem gemein­sa­men Pro­dukt arbei­ten. Die­se gewohn­te Abgren­zung und Absi­che­rung auf­zu­ge­ben zuguns­ten einer kon­struk­ti­ven Zusam­men­ar­beit in gemein­sa­mer Ver­ant­wor­tung ist eine nicht zu unter­schät­zen­de Kulturveränderung.

Angst und Agi­li­tät ver­tra­gen sich nicht beson­ders gut. Wer Angst vor Feh­lern hat, sichert sich ab und wagt zu wenig. Wenn nun jeder nur für sei­nen Abschnitt des Was­ser­fall­pro­zes­ses Ver­ant­wor­tung über­nimmt, ent­ste­hen lieb­lo­se, kom­pli­zier­te und mit Funk­tio­nen über­frach­te­te und frus­trier­te Kun­den. Auf dem frei­en Markt hät­ten sol­che Pro­duk­te und ein der­ar­ti­ger Pro­dukt­ent­ste­hungs­pro­zess kei­ne Über­le­bens­chan­ce, intern gibt es aber kei­ne Konkurrenz.

You can’t just ask cus­to­mers what they want and then try to give that to them. By the time you get it built, they’ll want some­thing new.
Ste­ve Jobs

Es ver­wun­dert also wenig, dass Agi­li­tät in vie­len Unter­neh­men mitt­ler­wei­le ein gro­ßes The­ma ist. Zu schwer­fäl­lig ist das gewohn­te Was­ser­fall­vor­ge­hen und zu unbe­frie­di­gend die Pro­duk­te. Einer­seits. Kla­re Schnitt­stel­len und eng umris­se­ne Ver­ant­wor­tungs­gren­zen sind ande­rer­seits aber eine höchst beque­me Kom­fort­zo­ne. Schuld sind dann immer die ande­ren, deren Vor­leis­tung nicht pass­te oder deren Ergeb­nis­se völ­lig unzu­rei­chend sind. Wer Agi­li­tät for­dert, muss also not­wen­di­ger­wei­se auch Mau­ern ein­rei­ßen und inter­dis­zi­pli­nä­re Zusam­men­ar­beit för­dern, wo heu­te Abgren­zung herrscht.

Natür­lich arbei­ten im Rah­men von Pro­jek­ten immer schon Men­schen ver­schie­de­ner Abtei­lun­gen inter­dis­zi­pli­när zusam­men. Der ent­schei­den­de Unter­schied ist aber für was sich die­se Men­schen ver­ant­wort­lich füh­len. Dazu gibt es meis­tens kla­re Rol­len­be­schrei­bun­gen mit Auf­ga­ben, Kom­pe­ten­zen und Ver­ant­wor­tung. Mit die­sen Rol­len wird die Abgren­zung zwi­schen den Abtei­lun­gen im Gro­ßen in die Pro­jek­te im Klei­nen über­tra­gen. Wie­der ist jeder nur für sei­nen Abschnitt ver­ant­wort­lich und das Ergeb­nis ent­spre­chend wenig mutig und lieblos.

An orga­niza­ti­on’s abili­ty to learn, and trans­la­te that lear­ning into action rapidly, is the ulti­ma­te com­pe­ti­ti­ve advantage.
Jack Welch

Agi­li­tät erfor­dert ein inter­dis­zi­pli­nä­res Mit­ein­an­der statt einem klar abge­grenz­ten Neben­ein­an­der. Es geht um gemein­sa­me Ver­ant­wor­tung für das Pro­dukt. Die­ses Umden­ken von der gewohn­ten Ver­ant­wor­tung für sei­nen klei­nen Pro­zess­ab­schnitt hin zu einem Ein­brin­gen sei­ner jewei­li­gen Fähig­kei­ten für das gemein­sa­me Pro­dukt ist eine der größ­ten Her­aus­for­de­run­gen bei der Umset­zung von Agi­li­tät von klas­sisch-hier­ar­chi­schen, pro­zess­ge­trie­be­nen Industrieunternehmen.



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2 Kommentare

Carsten Seiffert, StärkenTraining 2. März 2016 Antworten

Lie­ber Herr Raitner,

ich dan­ke Ihnen herz­lich für die­sen wun­der­ba­ren Arti­kel. Es ist sehr inter­es­sant zu sehen, wie die Anfor­de­run­gen an ein IT-Pro­jekt über­trag­bar sind auf die gene­rel­len Her­aus­for­de­run­gen, die das all­täg­li­che Mit­ein­an­der im Kol­le­gen­kreis so for­dert. Effi­zi­en­te Zusam­men­ar­beit ent­steht nur dann, wenn der Mensch mit sei­nen ein­ma­li­gen Stär­ken als Indi­vi­du­um wahr­ge­nom­men wird. Dann kann man kon­struk­tiv Dele­gie­ren, Kom­mu­ni­zie­ren und Moti­vie­ren. Jeder wird so ein­ge­setzt, wie es sei­ne per­sön­li­chen Talen­te for­dern. Ein Mit­ein­an­der macht erst außer­ge­wöhn­li­che Ergeb­nis­se mög­lich. Genau­so ist es beim abtei­lungs­über­grei­fen­den IT-Projekt.

Herz­li­che Grüße
Cars­ten Seiffert

Marcus Raitner 3. März 2016 Antworten

Lie­ber Herr Sei­fert, vie­len Dank für Ihren Kom­men­tar. Sie haben voll­kom­men recht, dass Pro­jek­te ja nur eine Form der Zusam­men­ar­beit sind. Auf­grund von Matrix­or­ga­ni­sa­tio­nen erkennt man dort die­se Defi­zi­te viel­leicht eher, aber das Phä­no­men der Abgren­zung, des Gegen­ein­an­ders und im bes­ten Fall des Neben­ein­an­ders, das fin­det sich lei­der in den meis­ten tra­di­tio­nell-hier­ar­chi­schen Orga­ni­sa­tio­nen. Und ja, das ist nicht kon­struk­tiv, son­dern Verschwendung.

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