Führen heißt dienen

Die Fra­ge nach der rich­ti­gen Füh­rung ist kei­nes­wegs so neu, wie ihre momen­ta­ne Aktua­li­tät im Zuge des Wan­dels zur Wis­sens­ar­beit und der Dis­kus­si­on um Neue Arbeit sie erschei­nen lässt. Erstaun­lich zeit­los ist auch die Ant­wort auf die­se Fra­ge: Füh­ren heißt dienen.

You mana­ge things; you lead people.
Grace Hop­per

Ein Jahr­hun­dert des Tay­lo­ris­mus und damit des Kon­zepts mensch­li­che Arbeit und letzt­lich auch die Men­schen wie Maschi­nen zu mana­gen sind genug. Nicht weil das Kon­zept nicht tra­gen wür­de, im Gegen­teil es führ­te laut Peter F. Dru­cker zur 50-fachen Stei­ge­rung der Pro­duk­ti­vi­tät von manu­el­ler Arbeit und hat damit wesent­lich zum heu­ti­gen Wohl­stand in den Indus­trie­na­tio­nen bei­getra­gen. Nur hat sich seit­her die Arbeit und ins­be­son­de­re der Anteil der manu­el­len Arbeit an der Wert­schöp­fung mas­siv gewan­delt. Immer mehr macht heu­te das was Peter F. Dru­cker Wis­sens­ar­beit getauft hat den Unter­schied. Wis­sens­ar­beit ist aber untrenn­bar mit dem Men­schen ver­bun­den; sie lässt sich nicht wie manu­el­le Arbeit einst in mög­lichst tri­via­le Schrit­te zer­tei­len, die aus­tausch­ba­re Arbei­ter aus­füh­ren. Plötz­lich spie­len also die Men­schen und nicht nur ihre Arbeits­kraft wie­der die Haupt­rol­le. Daher erlebt Füh­rung eine Renais­sance und daher ist die Fra­ge nach der rich­ti­gen Füh­rung aktu­el­ler denn je.

Der bes­te Füh­rer ist der, des­sen Exis­tenz gar nicht bemerkt wird, der zweit­bes­te der, wel­cher geehrt und geprie­sen wird, der nächst­bes­te der, den man fürch­tet und der schlech­tes­te der, den man hasst. Wenn die Arbeit des bes­ten Füh­rers getan ist, sagen die Leu­te: »Das haben wir selbst getan«
Lao­tse, 6. Jh. v. Chr.

Wie die­ses berühm­te Zitat aus dem Tao Te King zeigt hat die Fra­ge nach der rich­ti­gen Füh­rung die Men­schen schon sehr lan­ge beschäf­tigt. Erstaun­lich zeit­los ist die Ant­wort die Lao­tse dar­auf gefun­den hat: Füh­rung zur Selbst­füh­rung. Selbst eine von den Geführ­ten ver­ehr­te und geprie­se­ne Füh­rungs­kraft stellt er noch dar­un­ter, weil sie ein, wenn auch ange­neh­mes, Abhän­gig­keits­ver­hält­nis dar­stellt und eben nicht (unbe­dingt) die Eigen­mäch­tig­keit und Selbst­stän­dig­keit der anver­trau­ten Men­schen zum Ziel hat. Angst und Hass als Füh­rungs­in­stru­men­te, wie im Hand­buch für den klei­nen Kon­zer­n­au­to­kra­ten bei­spiel­haft beschrie­ben, sind für Lao­tse die schlech­tes­te Wahl.

Lea­der­ship is the art of giving peo­p­le a plat­form for spre­a­ding ide­as that work.
Seth Godin

Peter F. Dru­cker ver­gleicht das Ver­hält­nis von Füh­rungs­kraft und Geführ­ten in der Wis­sens­ar­beit mit dem von Diri­gent und Musi­ker. Wis­sens­ar­bei­ter müs­sen mehr von ihrer Arbeit ver­ste­hen als die Füh­rungs­kräf­te, sonst sind sie kei­ne guten Wis­sens­ar­bei­ter. Die Auf­ga­be von Füh­rung ist es also, einen guten Rah­men zu schaf­fen und zu erhal­ten, in dem sich Groß­ar­ti­ges ent­wi­ckeln kann. Es geht also dar­um, den anver­trau­ten Men­schen gute, wert­schöp­fen­den und sinn­vol­le Arbeit zu ermög­li­chen. Inso­fern ist gute Füh­rung wirk­lich das Gegen­teil von Manage­ment, denn Peter F. Dru­cker stell­te schon leid­voll fest, was heu­te immer noch vie­ler­orts gilt: „So much of what we call manage­ment con­sists in making it dif­fi­cult for peo­p­le to work.“ 

Unter­wür­fig, zögernd, zag­haft: Der Begriff der Demut ist in der Wirt­schaft ver­lo­ren gegan­gen, weil er nega­tiv besetzt ist. Dabei ist die Demut gera­de eine der Tugen­den, die Füh­rungs­kräf­te am meis­ten brau­chen. Denn füh­ren heißt: dienen.
Anselm Grün



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5 Kommentare

Bernd 4. September 2016 Antworten

Hal­lo Marcus,

hier noch ein bemer­kens­wer­tes Zitat,
wel­ches Lao­tse zuge­schrie­ben wird:


Um ein Land gut zu regieren
gibt es nichts Bes­se­res als Zurückhaltung.
Was einen zurück­hal­ten­den Men­schen auszeichnet
ist die Frei­heit von sei­nen eige­nen Ideen.
Tole­rant wie der Himmel
alles durch­drin­gend wie das Sonnenlicht
stand­haft wie ein Berg
bieg­sam wie ein Baum im Wind,
hat er kein Ziel vor Augen
und nutzt alles was ihm das Leben
über den Weg schickt.
Nichts ist unmög­lich für ihn.
Weil er los­ge­las­sen hat
kann er für das Wohl­erge­hen der Men­schen sorgen
wie eine Mut­ter für ihr Kind.

Manch­mal glau­be ich, dass wir „ver­ges­sen“ haben,
wel­che Bedeu­tung – GEMEINSCHAFT – für unser Zusam­men­le­ben hat
(bzw. wel­che Füh­rung zu mehr Gemein­schafts­geist und weni­ger Ver­wal­tungs­geist führt).

ME ist eine der gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen, Sor­ge zu tragen,
dass der Ein­zel­ne in der Gemein­schaft „gese­hen wer­den kann“,
sich – „offen“ – ein­brin­gen kann und daher ver­bind­lich (mit Herz und Ver­stand) im Boot bleibt.

M. Scott Peck hat sei­ner­zeit mal etwas über die „wirk­li­che Bedeu­tung“ von Gemein­schaft geschrieben:
http://www.eurotopia.de/Gemeinschaftsbildung.pdf
Er beschreibt (natür­lich) ein Ide­al­bild, aber viel­leicht kann so eins ja mal nütz­lich sein ;o)

Beim The­ma Gemein­schaft geht es me nicht nur um intel­li­gen­te und „sinn­vol­le“ Lösungen
(für „das Gan­ze“), son­dern auch um den Schutz vor Ent­frem­dung bzw. „Zer­fall“ (also Zusammenhalt)…

Wei­ter­hin einen schö­nen Sonntag!
Bernd

Marcus Raitner 4. September 2016 Antworten

Lie­ber Bernd, vie­len Dank für dei­nen sehr wich­ti­gen Kom­men­tar. Gemein­schaft ist tat­säch­lich der Schlüs­sel­be­griff. Und Füh­rung muss heu­te zum Ziel haben, Gemein­schaft zu ermög­li­chen. Wenn man die moder­ne­ren Orga­ni­sa­ti­ons­mo­del­le im Buch von Laloux ansieht, dann beto­nen alle nach dem heu­ti­gen Maschi­nen­mo­dell kom­men­den ganz stark die Gemein­schaft und den Men­schen in sei­ner Gesamt­heit als Teil der Gemein­schaft. Das ist kein Zufall.

Johanna Brühl 5. September 2016 Antworten

Ein sehr inspi­rie­ren­der Arti­kel, der mir aus dem Her­zen spricht und auch der Hin­weis im Kom­men­tar zum The­ma Gemein­schaft fin­de ich sehr zutref­fend. Wer in sei­nem Unter­neh­men zu sehr auf Kon­kur­renz setzt und kei­nen Rah­men schafft für wah­re Koope­ra­tio­nen, der wird in den nächs­ten Jah­ren Schwie­rig­kei­ten bekom­men. Denn Wis­sen, Inno­va­tio­nen und Zuge­hö­rig­keits­ge­fühl erwächst nicht aus Kon­kur­renz, son­dern aus leben­di­gen Gemein­schaf­ten. Hier viel­leicht noch eine Ergän­zung zum The­ma „Kul­tur­wan­del vom Ich zum Wir“. https://den-wandel-gestalten.de/kulturwandel/

Marcus Raitner 6. September 2016 Antworten

Vie­len Dank für dei­ne Ergän­zung und den wei­ter­füh­ren­den Link. Koope­ra­ti­on ist tat­säch­lich ganz ent­schei­dend: Mit­ein­an­der statt Gegen- oder bes­ten­falls Neben- oder Nacheinander.

Wernher Knott 10. September 2019 Antworten

Hal­lo Markus,

wel­che Titel emp­feh­len sich für einen dis­zi­pli­na­risch füh­ren­den Chef? Alle geläu­fi­gen wei­sen ja doch auf eine top-down Ansatz hin.

* Mana­ger
* Head of
* Officer

Einem „Coach“ hin­ge­gen fehlt die dis­zi­pli­na­ri­sche Komponente.

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