Warren Buffet und Bill Gates verbindet mehr als ihr Reichtum. Seit ihrer ersten Begegnung 1991 pflegen sie eine intensive Freundschaft, in der sie viel voneinander lernten. Bill Gates lernte von Warren Buffet unter anderem die Kunst der richtigen Zeiteinteilung. Gemeint ist damit keineswegs das Füllen der allerletzten Lücken im Kalender, sondern im Gegenteil das bewusste Weglassen und Fokussieren. Beide sehen einen großen Wert darin, regelmäßig einen Teil ihrer Zeit zum Rumsitzen, Lesen und Nachdenken zu nutzen. Eine Stunde pro Tag (fünf Stunden pro Woche) soll das den beiden (und einigen anderen sehr erfolgreichen Menschen) wert sein. Und nun die Gretchenfrage zum Start in ein neues Jahr: Wie hältst du’s mit Deiner Zeit?
In diesem Ausschnitt eines längeren Interviews bei Charlie Rose zeigt sich Bill Gates immer noch beeindruckt davon, wie vorsichtig Warren Buffet mit seiner Zeit umgeht und wie leer sein Kalender war und immer noch ist, was Charlie Rose auch gleich live überprüft. Beschäftigung ist nicht unbedingt Produktivität und Auslastung erzeugt nicht unbedingt Wirkung. Müßiggang, Rumsitzen, Nachdenken, Lesen, all das kommt in der hektischen Betriebsamkeit viel zu kurz.
Wer von seinem Tag nicht zwei Drittel für sich selbst hat, ist ein Sklave.
Friedrich Nietzsche
Manchmal braucht es für diese Erkenntnis kleinere Einschnitte oder Verwerfungen. Im Februar letzten Jahres setzte mich die Grippe zwei Wochen außer Gefecht. Anders als bei den üblichen grippalen Infekten lag ich die meiste Zeit nur rum und war wirklich arbeitsunfähig. Ich war also gezwungen meinen Kalender der nächsten zwei Wochen durchzugehen und Termine abzusagen. Und es fiel mir leicht. Viel zu leicht! Teilweise war ich sogar froh, unwichtige Termine absagen zu können, die ich aus Höflichkeit oder Eitelkeit angenommen hatte. Von dem vollen Kalender blieben am Ende nur eine Handvoll Termine, die es sich lohnte nachzuholen.
If you don’t prioritize your life, someone else will.
Greg McKeown
Ich würde rückblickend gerne behaupten, dass das eine lehrreiche Erfahrung war. Ein Blick in meinen Kalender der vergangenen Wochen und Monate spricht aber leider eine andere Sprache. Wie an einer Perlenkette aufgereiht folgt ein Termin dem nächsten. Damit will ich nicht prahlen und ich bin darauf auch nicht stolz. Im Schnelldurchlauf durch die Tagesspalten fühle ich mich eher an den Panther im Gedicht von Rainer Maria Rilke erinnert: „Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.“
Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen
Astrid Lindgren
Trotz dieser Erfahrung und trotzdem ich mir mehr Fokussierung, Achtsamkeit und Muße schon für 2018 vorgenommen hatte, saß ich immer noch in zu vielen Besprechungen, zu denen ich nichts beitragen konnte oder von denen ich nichts oder nur wenig mitnehmen konnte. Genau das was Bill Gates und Warren Buffet gelingt, nämlich Zeit zum Rumsitzen und Nachdenken, gelang mir letztes Jahr zu selten.
If it isn’t a clear yes, then it’s a clear no.
Greg McKeown
Es wäre nun ein Leichtes diesen Missstand auf andere oder die Umstände zu schieben, auf die Kinder, auf Großraumbüros (und Christopher Avery beschreibt noch ein paar mehr Ausflüchte), aber die Verantwortung für meine Zeit lag und liegt allein bei mir. Und diese Verantwortung werde ich im neuen Jahr noch stärker übernehmen. Meine Termine und Engagements kommen stärker auf den Prüfstand und ich werde mir öfter vorher die Frage stellen, welche ich im Falle eine Krankheit mit Wehmut und welche ich mit Gleichmut oder Freude absagen würde. Und wie hältst Du’s mit Deiner Zeit im neuen Jahr?
Leseempfehlungen
- Greg McKeown. Essentialism: The Disciplined Pursuit of Less.
- Christopher Avery. The Responsibility Process: Unlocking Your Natural Ability to Live and Lead with Power.
- Chade Meng-Tan. Search Inside Yourself: The Unexpected Path to Achieving Success, Happiness (and World Peace).
10 Kommentare
Vielen Dank, insbesondere für die Leseempfehlungen, Marcus.
„Wann hast Du denn Zeit für so etwas?“ höre und lese ich sehr oft.
Die Antwort: Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich.
Früher gehörte ich zu denjenigen, die erst aufhörten, wenn es fertig-fertig war.
Konsequenz: ein häufig überzogenes Stundenbudget und ein dauerhaft ausgereizter Schlaf-Dispo.
Das war die ungesundere Variante des „sich verantwortlich fühlen“.
Die Qualität der Arbeit war wahrscheinlich auch nicht so überragend, wie ich es mir seinerzeit selbst weiß machte.
Heute gehe ich anders vor. Insbesondere die Erkenntnis, dass in der 14. Arbeitsstunde nicht mehr viel zu reißen ist, war für mich der Auslöser, meinen Tagesablauf umzustellen.
Nach ein paar Wochen der Anpassung (es sind in der Regel drei), gelang es mir früh aufzustehen. Nun gehe ich mit den Kindern ins Bett und stehe etwa 2 Stunden vor ihnen auf.
Das sind jetzt meine zwei Stunden – Quality Time.
Kenne ich alles nur allzu gut, lieber Alexander. Danke für deine Inspiration zur Umstellung des Tagesablaufs. Noch sind unsere beiden Kinder ausgesprochene Frühaufsteher, so dass ich dann schon sehr früh aufstehen müsste, aber das beginnt sich gerade zu ändern. Vielleicht fasse ich das als Experiment dieses Jahr mal ins Auge.
„Pay yourself first“. Für jede Stunde die du an jemanden anderen vergibst, kannst Du Dir 10 Minuten für Dich im Kalender blockieren.
Tut wunder :) Ähnliches gibt es ja auch im Rahmen von Working out loud.
Tolle Gedanken.
Tolles Konzept, lieber Christoph! Das werde ich mir merken und beherzigen.
Das kann ich prima nachvollziehen, Markus. Bei mir ist es nicht alleine das Verantwortungsbewusstsein, sondern die Fülle an Themen. Nein zu sagen zu neuen Themen ist genau so wichtig. Warum nehme ich neue Themen an? Wegen der Anerkennung. Erst wenn das nicht mehr so wichtig ist, werde ich weniger Themen haben und damit weniger Meetings und mehr Zeit.
Außerdem sollten Meetings effektiver werden. Ich erlebe immer wieder die Frage nach dem „Sonstiges“. Warum muss man das in Meetings fragen? Geplante und nachbereitete Meetings sind eine Kunst und wir können das den anderen Menschen vormachen.
Kenne ich nur allzu gut, lieber Marco. Ich bin neugierig und immer für was Neues zu haben (irgendwo hatte ich für diese Neigung auch mal einen psychologischen Fachbegriff gelesen, aber wieder vergessen). Das führt dazu, dass ich vieles (zu vieles) anfange, während noch zu vieles offen ist.
Nach dem ich 8 von 10 meiner 2018er Vorsätze unbearbeitet nach 2019 verschieben konnte lese ich hier gerade die besten Impulse für 2019 bzgl dem Umgang mit Zeit. Wir alle kennen die nette Geschichte des Professors mit den Steinen, Kiesel und Sand denke ich, die operative Umsetzung ist oft schwierig und spätestens bei dem einen sehr persönlichen Thema kommt man nach Familie&Kindern, Sport, Freunden und Beruf(ung) zum einen oder anderen (Zeit)Problem. Ja, die Glotze aus dem Wohnzimmer verbannen wäre eine Idee – ist aber sozial schwer umsetzbar, spätestens zum nächsten Besuch der Schwiegereltern käme es am Samstagabend zur Sportschau-Prime-Time zu einem interessanten soziologischen Diskurs.
Aus 2018 nehme ich für mich mit, dass 30 Minuten „Kaffeetrinken“ mit Max 3 – 4 Kollegen wesentlich effektiver sind als die meisten Meetings. Workshops mit Flipchart und Fotoprotokoll mehr Content erzeugen als PPT-Schlachten.
Aus den Kommentaren hier greife ich die „10 Minuten“ Regel mal aktiv auf – das wäre meine Qulity Time für Fachartikel oder Bücher zu denen ich mich nach dem Zubettgeh-Ritual meist nicht mehr aufraffen kann.
Lg oli
Vielen Dank, lieber Oli. Tatsächlich haben wir den Fernseher schon lange verbannt (er steht im Arbeitszimmer und empfängt schon lange kein lineares Fernsehen mehr und wird auch so gut wie nie benutzt). Zu dem Meetings würde ich gerne noch den Ansatz von Jeff Bezos hinzufügen, dass es sich lohnt vor dem Meeting nachzudenken und das in Prosa zu verschriftlichen. Nichts ist schlimmer für mich als Meetings in denen gearbeitet werden soll, weil ich viel lieber alleine arbeite und nachdenke (um mich dann darüber auszutauschen).
Yep – ist auch für mich immer wieder eine Herausforderung, Marcus. Langsam wird’s besser; ich lerne, auch mal „abzuhängen“ und mich dem inneren Produktivitätsdrang zu entziehen. Mein Schlüsselwort für 2019: FOKUS. Auf die zwei großen Anliegen hinarbeiten, die mir am meisten am Herzen liegen. Dabei trotzdem nach links und rechts schauen und Neues aufsaugen, aber gelassen beim Thema bleiben. Alles andere: Entweder absagen/ ignorieren. Oder zeitlich deckeln und als Qualität „gut genug“ akzeptieren. Gebe zu – auch das fällt mir noch schwer.
Aus deiner Antwort auf den Kommentar von Oli: „Nichts ist schlimmer für mich als Meetings in denen gearbeitet werden soll, weil ich viel lieber alleine arbeite und nachdenke (um mich dann darüber auszutauschen).“ Kann ich gut verstehen. Gestern startete unser erster WOL-Circle. Wir vereinbarten, vorher individuell an den Themen zu arbeiten und die wöchentlichen 1 ‑Stunden-Sessions zum Austausch zu nutzen. So geht’s mir gut. Danke für deinen Blogartikel, der mich daran erinnert, wie kostbar Lebenszeit ist.
Liebe Christine, wir müssen uns einfach immer wieder gegenseitig daran erinnern. Und auch achtsam mit der Zeit anderer umgehen.