Führung beruht auf Vertrauen. Außer natürlich man heißt Caligula, ist römischer Kaiser und hat sich bewusst das Motto „Oderint, dum metuant!“ (zu dt.: Sollen sie mich doch hassen, solange sie mich fürchten!) gewählt. Der daraus resultierende Gehorsam mag für manchen Herrscher befriedigend sein, der kreativen Höchstleistung, die wir in der Wissensarbeit am Anfang des 21. Jahrhunderts in unseren Organisationen mehr denn je brauchen, sind Angst und Druck sicher nicht zuträglich. Wissensarbeit setzt Freiwilligkeit voraus (vgl. Peter F. Drucker, Management’s New Paradigm, 1998) Freiwillig und mit ganzem Herzen folgen wir aber nur, wem wir vertrauen.
Trust is also one of the most essential forms of capital a leader has. Building trust, however, often requires thinking about leadership from a new perspective. The traditional leadership narrative is all about you: your vision and strategy; your ability to make the tough calls and rally the troops; your talents, your charisma, your heroic moments of courage and instinct. But leadership really isn’t about you. It’s about empowering other people as a result of your presence, and about making sure that the impact of your leadership continues into your absence.
Frances Frei and Anne Morriss (2020). Everything Starts with Trust. Harvard Business Review.
Wir vertrauen einem anderen Menschen, wenn uns erstens seine Ideen, Argumente und Fähigkeiten überzeugen (Logik), wenn wir ihn zweitens als aufrichtig menschlich wahrnehmen (Authentizität) und wenn wir drittens spüren, dass es dem anderen vorrangig um uns und die gemeinsame Sache geht (Empathie). Diese drei Treiber für vertrauensvolle Führungsbeziehungen, Logik, Authentizität und Empathie, beschreiben Frances Frei und Anne Morriss in ihrem neuen Buch „Unleashed: The Unapologetic Leader’s Guide to Empowering Everyone Around You“ (Amazon Affiliate-Link) und dem zugehörigen Artikel im Harvard Business Review. Erst wenn alle drei Treiber ausgeprägt wirken, stellt sich Vertrauen ein; sobald einer ein Defizit aufweist, bricht das Vertrauen weg.
Logik
Führung gibt Orientierung. Insofern geht es bei Führung auf dieser logisch-rationalen Ebene um Visionen und Ideen und um gute Argumente, warum es sich lohnen könnte, die aufgezeigte Richtung einzuschlagen. Dabei spielt natürlich die Attraktivität der Vision und die Schlüssigkeit der Argumentation eine große Rolle. Wer davon nicht überzeugt ist oder wer Zweifel in die Fähigkeiten des Führenden hat, wird nur misstrauisch folgen.
In der Regel liegt ein großer Teil von Problemen in diesem Bereich weniger in der Sache und dem Für und Wider begründet, sondern vielmehr in der Vermittlung und der Kommunikation. Hierzu empfehlen die beiden Autorinnen, einfach direkt zum Kern der Sache zu kommen und erst dann im weiteren Verlauf die Argumente dafür zu liefern anstatt nach langer Herleitung (und damit einhergehender Diskussion) den eigentlichen Punkt nicht mehr zu treffen. Das setzt natürlich voraus, dass man in der Lage ist den Kern der Sache klipp und klar zu benennen und zu kommunizieren, was eine Kunst für sich ist.
Authentizität
Vertrauensvolle Beziehungen entstehen zwischen Menschen, die sich in all ihrer menschlichen Verletzlichkeit aufrichtig begegnen. Spielen diese Menschen bewusst oder unbewusst nur Rollen, bleibt das Maß an Vertrauen notwendigerweise beschränkt. Ein hoher Grad an Authentizität in der Organisation führt zu jener psychologischen Sicherheit, die Menschen brauchen, um sich voll entfalten zu können. Nur wenn die Mitglieder einer Gruppe sich sicher genug fühlen, ihre Meinung offen zu sagen und Risiken einzugehen, wird das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Deshalb ist psychologische Sicherheit der mit Abstand wichtigste Einflussfaktor auf die Effektivität von Teams, wie Google im Rahmen des Projekts Aristoteles herausfand. Genau das macht dann den Unterschied zwischen Dienst nach Vorschrift und echtem Engagement.
So pay less attention to what you think people want to hear and more attention to what you need to say to them. Reveal your full humanity to the world, regardless of what your critics say. And while you’re at it, take exquisite care of people who are different from you, confident in the knowledge that their difference is the very thing that could unleash your potential and your organization’s.
Frances Frei and Anne Morriss (2020). Everything Starts with Trust. Harvard Business Review.
Empathie
Diese Dimension ist für viele Führungskräfte die größte Herausforderung. Größer noch als die Authentizität, die auch die Verletzlichkeit als Mensch beinhaltet, was so gar nicht dem verbreiteten heroischen (Selbst-)Bild von Führung entspricht. Führung wird insbesondere im Kontext hierarchischer Organisationen gleichgesetzt mit Position und Macht. Deshalb geht es viel zu oft um das Ego, die Durchsetzungsfähigkeit und um den eigenen Aufstieg. Und das spüren die Menschen. Sie spüren, dass es der Führungskraft nicht um sie als Menschen mit ihren individuellen Talenten, Bedürfnissen und Sorgen geht, sondern dass sie am Ende nur Spielball, Verhandlungsmasse, Headcounts und Ressourcen sind.
Signaling a lack of empathy is a major barrier to empowerment leadership. If people think you care more about yourself than about others, they won’t trust you enough to lead them.
Frances Frei and Anne Morriss (2020). Everything Starts with Trust. Harvard Business Review.
Manchmal können auch schon kleine Verhaltensänderungen, die Empathie deutlich steigern. Die beiden Autorinnen schlagen dazu beispielsweise vor, sich selbst in Meetings zu beobachten. Sobald das eigene Interesse gestillt ist und man glaubt, es verstanden zu haben, sinkt das Engagement und der Blick wandert auf das Smartphone oder den Laptop und zu den unerledigten E‑Mails. Das damit verbundene Signal ist klar: Ich und meine Aufgaben sind mir jetzt wichtiger als ihr, die ihr gerade hier mit mir in diesem Meeting seid. Echte Empathie würde in dieser Situation bedeuten, Verantwortung für die anderen Menschen im Raum und ihre Bedürfnisse zu übernehmen. Und das beginnt schon damit einfach öfter das Smartphone wegzupacken und sich den Menschen im Raum voll und ganz zu widmen.
Indeed, the last thing we’ll say on empathy is this: If you do nothing else to change your behavior, put away your phone more frequently. Put it truly away, out of sight and out of reach, not just flipped over for a few minutes at a time. You’ll be amazed at the change in the quality of your interactions and your ability to build trust.
Frances Frei and Anne Morriss (2020). Everything Starts with Trust. Harvard Business Review.
Sehr viel besser fasst Frances Frei selbst das alles in ihrem inspirierenden TED-Talk mit vielen Beispielen aus ihrer praktischen Erfahrung bei Firmen wie Uber zusammen:
Und noch ausführlicher geht Frances Frei auf ihre Erkenntnisse und Erfahrungen in diesem Interview ein:
2 Kommentare
Ich denke, die Prämisse des Texts trifft nicht für alle Arbeitgeber zu. Mein Eindruck ist vielmehr, dass Mitarbeiter in IT-Departments dort einfach keine Wissensarbeiter sind oder zumindest nicht als solche gesehen werden. Die eigentliche Wissensarbeit findet bei den Dienstleistern statt, während wir Internen versuchen, die vielfältigen Prozesse zu befolgen (zb. „agiles Arbeiten“) und die fein verteilten Zuständigkeiten der IT-Abteilungen in Einklang zu bringen. Die Logik folgt dabei diesen Zuständigkeiten und den hidden Agendas (aka. Zielen) der jeweiligen Führungskräfte sowie Karriere-Aspiranten.
Bevor man sich als Führungskraft mit dem Thema Vertrauen auseinandersetzt empfehle ich erstens eine Art Selbstklärung: Welches Menschenbild habe ich? Uralt aber extrem hilfreich und aktueller denn je ist die Theorie U von Douglas McGregor aus dem Jahr 1961.
Zweitens setzt Vertrauen bei einem selbst an (Selbstvertrauen). Nur wenn ich frei von Ängsten, also autonom, Entscheidungen treffen kann werde ich anderen durch diese Haltung Vertrauen entgegen bringen können. Hilfreiches Instrument: Autonomietraining nach Prof. Dr. Ronald Grosshart-Maticek