Spielräume im Projektmanagement

Ihr kennt das. Das Pro­jekt läuft zur Zeit sta­bil und füllt den Arbeits­tag des Pro­jekt­lei­ters nicht mehr voll­stän­dig. Ehe man es sich ver­sieht, bekommt man also ein wei­te­res Pro­jekt über­tra­gen oder aus Grün­den der kon­ti­nu­ier­li­chen Adre­na­l­in­ver­sor­gung über­nimmt man es sogar bereit­wil­lig. Das Ergeb­nis ist jeden­falls die min­des­tens voll­stän­di­ge Aus­las­tung des Pro­jekt­lei­ters und in Fol­ge eine regel­mä­ßi­ge Über­las­tung im Fal­le klei­ne­rer oder grö­ße­rer Kri­sen, die zu noch mehr Belas­tung und Feh­lern füh­ren. Ein Plä­doy­er für mehr Spiel­räu­me und Gelas­sen­heit im Projektmanagement.

Gelas­sen­heit ist eine anmu­ti­ge Form des Selbstbewusstseins.
Marie Frei­frau von Ebner-Eschenbach

Die Logik hin­ter die­sem Sche­ma ist genau­so ein­fach wie falsch. Nicht jeder Spiel­raum muss gefüllt wer­den nicht jeder Puf­fer eli­mi­niert wer­den. Ein Pro­jekt­lei­ter, der durch sei­ne Pro­jek­te im Nor­mal­fall nicht voll­stän­dig aus­ge­las­tet ist, han­delt klug und umsich­tig. Wer hin­ge­gen im Regel­be­trieb schon am Limit arbei­tet, ist selbst das größ­te Risi­ko im Projekt.

Über­ar­bei­te­te Mana­ger beschäf­ti­gen sich mit Din­gen, mit denen sie sich nicht beschäf­ti­gen sollten.
Tom deMar­co

Im idea­len Pro­jekt hal­te ich mir 20% mei­ner Zeit frei von Auf­ga­ben oder Ter­mi­nen. Zum Teil benö­ti­ge ich die­se Zeit, um die klei­nen und gro­ßen Kri­sen im Pro­jekt schnell und nach­hal­tig ein­zu­däm­men. Den Rest nut­ze ich für zwang­lo­se Gesprä­che mit allen rele­van­ten Stake­hol­dern, ins­be­son­de­re mit mei­nem Team und dem Kun­den. Einer­seits sor­gen die­se Gesprä­che natür­lich für einen kon­ti­nu­ier­li­chen Infor­ma­ti­ons­fluss in und um das Pro­jekt. Ande­rer­seits färbt mei­ne Ruhe und Gelas­sen­heit als Pro­jekt­lei­ter dadurch auf Mit­ar­bei­ter und Stake­hol­der ab. Druck gibt es im Pro­jekt ohne­hin genug, dazu braucht es kei­nen Adre­na­lin-Jun­kie an der Spit­ze. Mei­ne Auf­ga­be als Pro­jekt­lei­ter ist es eben auch, ein Gefühl der Sicher­heit und Sta­bi­li­tät zu geben.

Wo zwei zusam­men­sto­ßen, siegt der Besonnene.
Lao­tse

In die­sen Gesprä­chen ent­ste­hen dann aber oft Ideen für Ver­bes­se­run­gen der Abläu­fe oder der Ergeb­nis­se, gegen­sei­ti­ge Erwar­tun­gen wer­den geklärt und Ver­trau­en geschaf­fen. Das Pro­jekt wird damit sowohl effi­zi­en­ter als auch effek­ti­ver. Ich brau­che die­se Zeit­re­ser­ve also letzt­lich zur Kom­mu­ni­ka­ti­on und zur nach­hal­ti­gen Arbeit am Sys­tem. Dar­in unter­schei­det sich für mich die rei­ne Pro­jekt­ver­wal­tung von ech­ter Projektführung.

Manage­ment works in the sys­tem; lea­der­ship works on the system.
Ste­ven R. Covey

Fehlt die­ser Spiel­raum, ist der Pro­jekt­lei­ter mit sei­nen Pro­jek­ten im Regel­fall schon voll­stän­dig aus­ge­las­tet oder über­las­tet. Es beginnt der ver­häng­nis­vol­le Kreis­lauf des fal­schen Pro­jekt­hel­den­tums. Zu wenig Kom­mu­ni­ka­ti­on und zu unüber­leg­tes Han­deln füh­ren zu Fehl­ent­schei­dun­gen. Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit und Unsi­cher­heit machen sich im Team breit. Wei­te­re Feh­ler und Kri­sen sind die Fol­ge, deren Ein­däm­mung durch ver­spiel­tes oder nicht auf­ge­bau­tes Ver­trau­en beim Kun­den auch noch müh­sa­mer als nötig ist. Das alles führt zu noch mehr Belas­tung des Pro­jekt­lei­ters und der Kreis schließt sich. Dann heißt es Ärmel hoch­krem­peln und anpa­cken und noch schnel­ler im Hams­ter­rad zu ren­nen. So wer­den Pro­jekt­hel­den gebo­ren, aber kei­ne ech­ten Führungskräfte.

Die reins­te Form des Wahn­sinns ist es, alles beim Alten zu las­sen und gleich­zei­tig zu hof­fen, dass sich etwas ändert.
Albert Ein­stein

Fazit

Was im Lean Manage­ment für Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se ver­nünf­tig sein mag, näm­lich die Eli­mi­nie­rung von Puf­fern, kann nicht ein­fach auf Wis­sens- und Füh­rungs­ar­beit über­tra­gen wer­den. Klug mit sei­ner Zeit als Pro­jekt­lei­ter umzu­ge­hen und vor­aus­schau­end Spiel­räu­me zu pla­nen für Kom­mu­ni­ka­ti­on und Arbeit am Sys­tem, ist die Vor­aus­set­zung für wirk­sa­me Pro­jekt­füh­rung jen­seits fal­schen Heldentums.



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22 Kommentare

Thilo 1. Februar 2014 Antworten

Mar­cus,
Dan­ke und noch­mals Dan­ke für die­sen Beitrag.
Du schreibst hier gelas­sen auf, was ich auch immer wie­der fast wort­wört­lich pre­di­ge, um mei­nem Team (auf das ich lini­en­mä­ßig kei­nen direk­ten Durch­griff habe) halb­wegs in nor­ma­ler Aus­las­tung zu hal­ten und die Frei­räu­me zu schaf­fen, die wir für Ver­bes­se­run­gen oder auch Claims brauchen.
Für mich selbst schaf­fe ich das – meis­tens durch har­te Ableh­nung von Son­der­auf­ga­ben jen­seits des Pro­jekts. Und es lohnt sich:
Kaum etwas ver­bes­sert die Qua­li­tät eines Teams mehr, als ein PM der prä­sent ist, die Bezie­hun­gen zu sei­nen Leu­ten pflegt und sich um ihre Sor­gen und Nöte kümmert.
Aber meis­tens schei­te­re ich an der Linie und an der Stundenschreibung.
Lei­der herrscht in den meis­ten Kons die Ein­stel­lung vor, dass jemand der nur zu 80% aus­ge­las­tet ist, wohl „über­zäh­li­ger Head­count“ ist. (Der Begriff ist Neu­sprech aus einer Management-Powerpoint)

Marcus Raitner 1. Februar 2014 Antworten

Dan­ke Thi­lo für Dei­ne Zustim­mung! Da hilft tat­säch­lich nur har­te Abgren­zung und Ableh­nung von Pro­jek­ten oder Son­der­auf­ga­ben, die nicht mehr mit dem rech­ten Maß und unse­rem Anspruch ver­ein­bar sind, aber viel­leicht rein rech­ne­risch noch pas­sen könn­ten. Das lernt man aber auch erst mit der Zeit und durch Schmerzen.

Thilo 1. Februar 2014 Antworten

Wie gesagt: Für mich per­sön­lich ist das mitt­ler­wei­le okay.
Das tat­säch­li­che Pro­blem, und zwar nicht für das Pro­jekt, son­dern für die Firma:
Das Kern­team in einem Inves­ti­ti­ons­pro­jekt besteht i.d.R. aus dem (Gesamt-)Projektleiter (tech­nisch) und dem Kauf­män­ni­schen Projektleiter.
Die Zwei sind die Ein­zi­gen, die Claims auf­bau­en können.
Cla­im Manage­ment ist ein krea­ti­ver Pro­zeß, der inten­si­ves Ver­trags­stu­di­um und Prü­fung der ent­spre­chen­den Geset­ze (BGB, VOB/B, HGB usw.) voraus.
Krea­ti­ve Pro­zes­se brau­chen freie Zeit und ent­spann­tes Arbei­ten. Bei­des ist in heu­ti­gen Kons* nicht mög­lich, weil man dafür die Mann­schaft nur 80/20 aus­las­ten darf.
Das ist für den ver­ant­wor­tungs­be­wuß­ten PM ein Pro­blem, weil es nicht durch­setz­bar ist.
Bleibt die Fra­ge: Las­se ich es sau­sen? Oder moti­vie­re ich den Kauf­mann, das beim Fei­er­abend­bí­er oder gar am Sams­tag durch­zu­zie­hen? Und wie?
Fei­er­abend­bier wird schwie­rig, da dafür eigent­lich nur noch Semi­na­re blei­ben. Über­nach­tun­gen bei Semi­na­ren ent­fal­len aber aus Kotengründen.
Seid Ihr noch bei mir? Seht Ihr den Teufelskreis?

Die Fra­ge, die im nächs­ten Review kom­men muß, ist: Wie ist die Lage bei den Claims?
Die ehr­li­che Ant­wort: „Dafür haben wir kei­ne Zeit.“

Des­we­gen rührt Mar­cus‘ Bei­trag hier an eine offe­ne Wun­de, die mir als gewis­sen­haf­tem PM schlaf­lo­se Näch­te bereitet…

Zum *: Den Begriff „Kons“ als (durch­aus abschät­zi­ge) Abkür­zung für „Kon­zer­ne“ habe ich mir bei Mar­kus Heitz ent­lehnt. Ich lese gera­de mal wie­der die „Collector“-Romane, in denen Kon­zer­ne eine span­nen­de Rol­le spielen.

Thilo 1. Februar 2014 Antworten

Ach so:
Sor­ry für die vie­len Ver­tip­per im ers­ten Kommentar.
Den habe ich auf mei­nem Han­dy getippt, und Kor­rek­tur­le­sen war noch nie mei­ne Stär­ke ;o)

Ich lie­be „F7“ bei Office ;o)

Marcus Raitner 2. Februar 2014 Antworten

Schön beschrie­ben, Thi­lo. Das ist genau der Effekt wenn alle voll­stän­dig ope­ra­tiv aus­ge­las­tet oder über­las­tet sind: Wich­ti­ges, das nicht drin­gend ist bleibt lie­gen. Oder wird am Fei­er­abend erle­digt. Haben kei­ne Zeit die Säge zu schär­fen, müs­sen sägen. Mit dem nöti­gen Abstand und in einer lang­fris­ti­gen Per­spek­ti­ve betrach­tet natür­lich sub­op­ti­mal, aber oft ohne exter­ne Hil­fe eines Coa­ches nicht lös­bar im täg­li­chen Geschäft und gegen die Über­zeu­gun­gen und die Kul­tur des Unternehmens.

Thomas Michl 1. Februar 2014 Antworten

Vie­len Dank für die­sen Arti­kel. Ich hof­fe instän­dig, dass die Bot­schaft bei den rich­ti­gen Ent­schei­dern ankommt und kon­se­quent umge­setzt wird. 100 %-Aus­las­tung heißt, es gibt kei­nen Frei­raum und kei­ne Chan­ce uner­war­tet, plötz­lich auf­tre­ten­de Risi­ken sau­ber zu prü­fen, durch­den­ken und gute Lösun­gen zu ent­wi­ckeln. Es herrscht kon­stan­te „Feuerwehralarm“-Stimmung, die demo­ti­viert und letzt­end­lich Men­schen ver­brennt (und Fehl­ent­schei­dun­gen befördert).

Marcus Raitner 1. Februar 2014 Antworten

Das hof­fe ich auch. Beim Blick in die Pra­xis fehlt mir aber der Glau­be. Einer­seits weil sich noch zu vie­le in der Hel­den­rol­le zu wohl füh­len und die­ses Hel­den­tum auch noch belohnt wird. Ande­rer­seits weil noch zu vie­le Unter­neh­men im Dienst­leis­tungs­be­reich hohe Aus­las­tung beloh­nen durch ent­spre­chen­de Ziel­ver­ein­ba­run­gen und Inzentives.

Thilo 1. Februar 2014 Antworten

Das wirk­lich Span­nen­de ist doch:
Hat man als PM erst­mal die Hel­den­rol­le (und den Wunsch des Mär­ty­rer-Able­bens) hin­ter sich gelas­sen, also eine Stu­fe der Gelas­sen­heit und des In-sich-Ruhens erreicht, staunt man, wie oft man sich ob die­ser Gelas­sen­heit beim Manage­ment recht­fer­ti­gen muß.

Offen­bar ist zumin­dest der Anschein des „Ich bin furcht­bar busy“ immer noch erwünscht und Maß für das Enga­ge­ment eines Mit­ar­bei­ters in Füh­rungs­rol­le (auch wenn die­se nicht offi­zi­ell ist)

Soll hei­ßen: Wer ent­spannt ist, weil er sein Pro­jekt im Griff hat (oder wenigs­tens davon über­zeugt ist), wirkt verdächtig.
Das führt dazu, daß Leu­te en Streß erst vor­täu­schen und dann schließ­lich tat­säch­lich erle­ben, weil sie hin­ter jeder Ecke Ver­rat und Kon­trol­le wittern.

Marcus Raitner 2. Februar 2014 Antworten

Ja, den Aspekt, dass nur der­je­ni­ge rich­tig ™ arbei­tet, der auch ordent­lich schwitzt, den gibt es natür­lich auch noch. Sol­che Unter­neh­men wer­den dann in der Regel von Adre­na­lin-Jun­kies geführt. An dem Punkt soll­te man tat­säch­lich über­le­gen ob die­ses Unter­neh­men mit sei­ner Kul­tur als Arbeit­ge­ber oder Kun­de taugt.

Peter Addor 2. Februar 2014 Antworten

Ja, pri­ma, ich plä­die­re auch stets für min­des­tens 10% Refle­xi­onpau­sen in einem Pro­jekt. Dabei spre­che ich aber von Pro­jek­ten, in denen der PM zu 120% aus­ge­las­tet ist. Ein Pro­jekt, das glatt läuft und den PM nicht mehr voll for­dert, habe ich noch nie gese­hen. Ich habe lei­der auch kei­ne Ant­wort auf die Fra­ge, wer „mei­ne“ 10% bezahlt. Der Auftraggeber/Kunde sicher nicht. Wenn Du also u.a. Stake­hol­der­pfle­ge machst, dann lässt Du das von Dei­nem Arbeit­ge­ber, der in der Rol­le des Lie­fe­ran­ten ist, bezah­len? Und wie steht denn das mit der Marge?

Marcus Raitner 2. Februar 2014 Antworten

Dan­ke, Peter! Ich hät­te da schon Bei­spie­le von Pro­jek­ten, die mich nicht zu 100% aus­las­ten. Alles ande­re wäre für mich auch ein Feh­ler, nicht nur in Bezug auf die­se Pro­jek­te wie in dem Arti­kel dar­ge­stellt, son­dern auch weil ich neben den Pro­jek­ten ja auch noch Auf­ga­ben und Ver­ant­wor­tung in unse­rem Unter­neh­men habe. 

Zur Fra­ge wer das bezahlt: Kom­mu­ni­ka­ti­on und Stake­hol­der­ma­nage­ment gehört natür­lich zu mei­nem urei­ge­nen Auf­trag als Pro­jekt­lei­ter und wird auch vom Kun­den bezahlt (Kun­den, die das nicht ver­ste­hen pas­sen nicht zu mir). Prin­zi­pi­ell kom­me ich damit aber eben nicht auf 100% oder gar 120% Aus­las­tung und damit nicht auf den theo­re­tisch erreich­ba­ren Umsatz. Das ist so und das akzep­tie­re ich so aus Grün­den mei­nes Qua­li­täts­ver­ständ­nis­ses als Pro­jekt­ma­na­ger und aus Grün­den der Lebensqualität.

Bernd 2. Februar 2014 Antworten

Mei­ne Hoff­nung ist ja (obwohl schon sehr lädiert), dass es irgend­wo einen schlau­en Men­schen gibt, der auch mit Zah­len vor­rech­nen kann, dass die gerin­ge­re Aus­las­tung, wenn man die Zeit, wie von Mar­cus beschrie­ben, nutzt, (um im Aus­tausch zu sein) das Pro­jekt INSGESAMT GÜNSTIGER wer­den lässt.

Der Aus­tausch kann aus mei­ner Per­spek­ti­ve nicht nur zu bes­se­ren Bezie­hun­gen („Team­bil­dung / Koope­ra­tio­nen“) füh­ren, son­dern auch dazu, dass mit höhe­rer Wahrscheinlichkeit

Feh­ler schnel­ler erkannt und beho­ben! wer­den kön­nen (Feh­ler (nicht Zeit) sind in den meis­ten IT-Pro­jek­ten Kos­ten­fak­tor No1…)
Anfor­de­run­gen früh­zei­ti­ger und genau­er (weil man die Ansprech­part­ner bes­ser ver­steht, wenn man sie kennt und offen reden kann) defi­niert wer­den können.

So lässt sich „Fea­turi­tis“ und ande­re For­men von „sinn­lo­sem Pro­gram­mie­ren“ (z.B. weil die Anfor­de­run­gen im Ver­lauf obso­let wer­den) vermeiden.

Mei­ne The­se: Kom­mu­ni­ka­ti­on kann in vie­len Pro­jek­ten ein grö­ße­rer „Kos­ten­sen­ker“ sein, als die simp­le zeit­li­che Auslastung. 

Es gab auch schon Zei­ten, da haben die Zeit­ma­nage­ment-Spe­zia­lis­ten in Semi­na­ren vor­ge­be­tet, dass man nur 60% des Tages mit Tages­ge­schäft ver­pla­nen soll­te. Das war lan­ge, bevor „geru­fen wur­de“, dass alles „agi­ler“ wer­den müsste.

Wenn man Men­schen ein Kor­sett anlegt, indem Sie sich nicht bewe­gen kön­nen, soll­te man sich nicht wun­dern, wenn es frü­her oder spä­ter an Bewe­gung / Agi­li­tät hapert ;-)

Ja, natür­lich lässt sich nicht in jedem Pro­jekt durch gute Kooperation/Kommunikation Geld sparen. 

In „agi­len IT-Pro­jek­ten“, den­ke ich, (je nach Rol­len­ver­tei­lung) schon. 

Zudem lässt sich dort durch die „Nicht 100% Aus­las­tung“ die Erfolgs­wahr­schein­lich­keit und auch der „Nut­zen“ verbessern.

Peter Addor 3. Februar 2014 Antworten

Klar, ich bin ja ganz bei Euch. Und dass u.a. Kom­mu­ni­ka­ti­on ein Kos­ten­sen­ker sein kann, davon bin auch ich sehr überzeugt. 

Aber ange­nom­men, ich will ein Ein­fa­mi­li­en­haus bau­en und rech­ne aus, dass ich bei einem Preis von z.B. 500 Tau­send gera­de gut durch­kom­me. Von den drei Ange­bo­ten für z.B. 450, 550 und 650 soll­te ich das Ers­te neh­men, da ich weiss, dass dann doch alles teu­rer kommt. Die­ses Ange­bot ist sehr „lean“, alles nur das Nötigs­te. Das für 550 bie­tet etwas bes­se­re Qua­li­tät. Mög­li­cher­wei­se fal­len beim ers­ten Ange­bot bereits nach einem Jahr teu­re Repa­ra­tu­ren an, wäh­rend beim zwei­ten die Sache län­ger hält. Gut, dafür gibt es nur noch Daheim­blei­be­fe­ri­en, die Kin­der kön­nen nicht in die bes­se­re Schu­le und die längst fäl­li­ge Neu­an­schaf­fung eines PKW liegt auch nicht mehr drin. Das 650er-Ange­bot brau­che ich gar nicht näher anzu­scheu­en, denn das kann ich mir nun wirk­lich nicht leis­ten. Dort wird neben höhe­rem Qua­li­täts­stan­dard noch Kom­mu­ni­ka­ti­on ange­bo­ten, z.B. wöchent­li­che Sit­zun­gen mit mir als Bau­her­ren. Ich kann ja auch beim 550er Ange­bot wöchent­lich auf die Bau­stel­le gehen, und wenn etwas nicht passt, rekla­mie­ren. Die­se 100 Tau­send mehr kann ich mir sparen.

Ihr könnt jetzt über die­sen Bau­herrn schimp­fen, aber er ist Ver­tre­ter so vie­ler Auf­trag­ge­ber. Wenn z.B. ein Inter­net­pro­vi­der ein Ver­wal­tungs­sys­tem für sei­ne Netz­kno­ten benö­tigt, dann ist das ein Pro­jekt, wo ein Stan­dard­pro­dukt in die IT-Land­schaft des Auf­trag­ge­bers inte­griert wird, wie das Ein­fa­mi­li­en­haus in das Leben einer Fami­lie. Die Lauf­zeit des Pro­jekts soll­te ca. 9 Mona­te sein, darf aber nicht län­ger dau­ern als 6 Mona­te. Da lie­gen schon mal kei­ne 20% mehr drin. Es wer­den belie­big vie­le Feh­ler zum Vor­schein kom­men, die für rote Köp­fe sor­gen und den Pro­jekt­lei­ter auf Trab hal­ten. Als ich der Swiss­com ein­mal ein sol­ches Pro­jekt ver­kau­fen woll­te und offen leg­te, dass die Koor­di­na­ti­on mit den diver­sen inter­na­tio­na­len Zulie­fe­rern 10% mehr kos­ten wird, sag­te der Ein­käu­fer bloss: „Ok, wir bestel­len! Aber ohne Koor­di­na­ti­on mit den inter­na­tio­na­len Zulieferern“. 

Nein, zumin­dest in IT Migra­ti­ons- und Inte­gra­ti­ons­pro­jek­ten sowie in der Bau­bran­che sind die Zei­ten und Prei­se der­art knapp, dass lei­der kei­ne Luft bleibt. Das ist ja mei­ne Fra­ge: Wie kann man in sol­chen Pro­jek­ten den­noch den nöti­gen Frei­raum bewah­ren, ohne den es auch mei­ner Mei­nung nicht geht?

Marcus Raitner 3. Februar 2014 Antworten

Den Gedan­ken­gang ken­ne ich ins­be­son­de­re bei IT-Pro­jek­ten nur zu gut. Mei­ner Mei­nung nach ist es kei­ne Fra­ge ob ich die Kos­ten für die­sen Spiel­raum und ins­be­son­de­re für Kom­mu­ni­ka­ti­on aus­ge­be, son­dern nur wann. Sicher kann ich mir ein­re­den, die­se Kos­ten sei­en unnö­tig und ich kön­ne sie mir spa­ren. Am Ende wer­de ich sie aber den­noch bezah­len müs­sen. Viel­leicht in ande­rer Wäh­rung und ver­mut­lich mit Zin­sen. Die legen­dä­re Per­for­mance von IT-Pro­jek­ten spricht da Bände:

Jedes sechs­te Pro­jekt spreng­te das vor­ge­ge­be­ne Bud­get um durch­schnitt­lich 200 Pro­zent – und zwar infla­ti­ons­be­rei­nigt. Der geplan­te Zeit­rah­men wur­de in die­sen Fäl­len im Mit­tel um 70 Pro­zent überschritten.
CIO 11.10.2011 aus einer Stu­die von Oxford und McKinsey

Bernd 3. Februar 2014 Antworten

@Peter:
Ich lese Dei­ne Fra­ge und die Beant­wor­tung soll­te eigent­lich ein The­ma inner­halb der „Gesamt­Füh­rung / Manage­ment / Gre­mi­um der Pro­zess­ver­ant­wort­li­chen“ sein.

Durch die „Pro­zess­ver­bes­se­rungs­bril­le“ betrach­tet SCHADEN sich sol­che Unter­neh­men näm­lich mehr, als dass sie sich was Gutes tun. Vgl auch: http://www.wandelweb.de/blog/?p=1072

Dadurch, dass Sie „Cons­traints“ erzeu­gen, trei­ben sie Ihre eige­nen Kosten/Zeit (in der Annah­me durch „den Druck“ die Prei­se sen­ken zu kön­nen) letz­ten Endes in die Höhe. 

Pro­zess­ma­nage­ment“ kann dann im schlimms­ten Fall zum Gegen­teil des Gewünsch­ten und zu einer Art Kreis­lauf wer­den, über den ver­sucht wird die Res­sour­cen auf den Kern­pro­zess zu fokus­sie­ren / also zu senken. 

Das treibt die Spi­ra­le aber nur wei­ter abwärts, da im „Nicht-Kern­pro­zess“ (unab­hän­gig davon, ob die­se Projekte/Prozesse über­le­bens­wich­tig sind) wie­der „Eng­päs­se“ entstehen.

Die von Mar­cus genann­ten Zah­len erge­ben sich *glau­be ich* nicht grundlos ;-)

Patent­re­zep­te ken­ne ich da Lei­der nicht, vor­al­lem, da ja aus der Ver­wal­tung von hier­ar­chi­schen Sys­te­men eher Effekt wie 

Ein Vor­ha­ben dau­ert solan­ge, wie man Zeit gibt…“ 

in der Ver­gan­gen­heit bekannt wurden.

Die Zei­ten haben sich aber nun­mal lei­der geän­dert. Ler­nen und Wis­sen kann man nicht deli­gie­ren oder „anord­nen“ geschwei­ge denn per Mul­ti­tas­king etc. „för­dern“.

Christian 5. Februar 2014 Antworten

Ein aus mei­ner Sicht wesent­li­cher Aspekt ist ein funk­tio­nie­ren­des, har­mo­ni­sches (Pro­jekt) Team. Ein ein­ge­spiel­tes Team kann sich sel­ber Frei­räu­me schaf­fen. In allen Pro­jek­ten spielt so oder so auch der Fak­tor Glück eine nicht unbe­deu­ten­de Rol­le (Krank­heit, unvor­her­seh­ba­re Ereignisse).
Die­ses Glück kann aber beein­flusst wer­den. Wenn ich mich als „Unter­neh­men“ um mei­ne (Pro­jekt) Teams küm­me­re, lege ich die Grund­la­gen für gute Pro­jek­te (gut != in time/in bud­get). Teams, die auch (!) Spaß haben bei der Arbeit glei­chen Unvor­her­ge­se­he­nes eher aus. Und bei Pro­jek­ten müs­sen sich die Betei­lig­ten klar dar­über sein, dass es sehr oft kei­nen vor­ge­zeich­ne­ten Weg gibt. Pro­jekt­ar­beit beschrei­tet oft unbe­kann­te Wege. Sicher gibt es hier je nach Bran­che (IT/BAU…) noch Unterschiede. 

Ein Vor­ha­ben dau­ert solan­ge, wie man Zeit gibt…” ist eben­so rich­tig wie “Ok, wir bestel­len! Aber ohne Koor­di­na­ti­on mit den inter­na­tio­na­len Zulie­fe­rern”. Die Fra­ge für mich ist u.a., wie­so das so ist. Das Nach­den­ken dar­über führt dann wie­der ins mensch­li­che. Der Mit­ar­bei­ter, der von sei­nem Vor­ge­setz­ten weder geför­dert noch gefor­dert wird, wird natür­lich ten­den­zi­ell mehr Zeit für sei­ne Auf­ga­ben brauchen/veranschlagen. Der Kostenspardruck/Kostensenkspirale sorgt dafür, dass ver­meint­lich Unnö­ti­ges (Kom­mu­ni­ka­ti­on) ein­ge­spart wird. Mitt­le­re Füh­rungs­kräf­te wer­den mit Anreizen/Incentives gekö­dert, die eine fata­le Wir­kung auf die Mit­ar­bei­ter „ganz unten“ haben können.

Höher, schnel­ler, wei­ter, (immer) mehr, bzw. immer weni­ger (Kos­ten) ist viel­leicht nicht das rich­ti­ge Konzept.

Christian 5. Februar 2014 Antworten

Neu­lich auf Twit­ter wie­der gele­sen: „Hire cha­rac­ter train skill“ … cha­rac­ter im Sin­ne, dass die Leu­te zusam­men­pas­sen (!= müs­sen alle gleich sein).

Tim 21. Februar 2014 Antworten

Hey Mar­cus,
eine Nach­fra­ge habe ich auch: Wie machst du das mit dem „20% frei­hal­ten“ wirk­lich fest? Hast du ein fest geblock­tes Zeit­fens­ter im Kalen­der, machst du das via Bauch­ge­fühl? Oder ist das sogar ein fes­ter Puf­fer in dei­ner Projektplanung?

Grü­ße,
Tim

Marcus Raitner 21. Februar 2014 Antworten

Hal­lo Tim, gute Fra­ge, die mir neu­lich auf Twit­ter auch schon jemand gestellt hat. Das ist bei mir eigent­lich rei­nes Bauch­ge­fühl plus rigo­ro­ses Ableh­nen von Ter­mi­nen oder Ver­pflich­tun­gen, die mich zu lan­ge jen­seits der gesun­den 80% brin­gen. Ich mer­ke das bei mir, dass es zu viel ist, wenn ich die Auf­ga­ben aus Ter­mi­nen gar nicht mehr abar­bei­ten kann, weil ich nur in Ter­mi­nen sit­ze. Dann heißt es zurück­tre­ten; einer­seits bild­lich einen Schritt zurück, aber eben auch über­tra­gen im Sin­ne von sein Pen­sum redu­zie­ren. Sonst bin ich nur noch reak­tiv unter­wegs und gestal­te nicht mehr. Das wäre dann der Anfang vom Ende.

Tim 27. Februar 2014 Antworten

Hal­lo,
dan­ke für die Ant­wort – dann muss ich noch ein wenig am Gefühl arbeiten :)
Ver­su­che gera­de mit ber­stimm­te Zeit­blö­cke gene­rell zu blo­cken. Viel­leicht schleicht sich der Gedan­ke „zwi­schen 10.00 und 11.30 kann der Tim sowie­so nie“ bei den ande­ren ein wenn ich dran blei­be und in der Zeit kei­ne Ter­mi­ne anneh­me.. Bin mal gespannt :)

Marcel Gräßle 15. April 2014 Antworten

Hal­lo Marcus,
guter und rich­ti­ger Kom­men­tar. In der Pra­xis zeigt sich aber oft genug, dass zumin­dest in den grö­ße­ren Kon­zer­nen (bewusst!) oft­mals ein Ziel­kon­flikt besteht – zwi­schen dem Ein­kauf, der alles mög­lichst kos­ten­güns­tig haben möch­te und den Fach­be­rei­chen, denen die Qua­li­tät durch­aus ein Anlie­gen ist. Hier hilft alle Über­zeu­gungs­ar­beit nichts, wenn die Ent­schei­der vor allem dar­an gemes­sen wer­den, wie­viel Kos­ten­er­spar­nis erzielt wer­den kann…

Und man möch­te mei­nen, dass man mit der ange­spro­che­nen Per­for­mance von IT-Pro­jek­ten gewich­ti­ge Argu­men­te hat, auch wich­ti­ge Berei­che wie Kom­mu­ni­ka­ti­on mit einzuplanen…

Vie­le Grüße

Mar­cel

Marcus Raitner 15. April 2014 Antworten

Dan­ke für Dei­nen Kom­men­tar, Mar­cel. Die­sen bewuss­ten Ziel­kon­flikt zwi­schen Fach­ab­tei­lung und Ein­kauf ken­ne ich nur zu gut. Manch­mal kommt es mir vor, dass hier auch der Ehr­li­che der Dum­me ist: Wer sau­ber kal­ku­liert und rea­lis­ti­sche Spiel­räu­me ein­plant ist auf den ers­ten Blick teu­rer. Den Zuschlag erhält dann ein schein­bar güns­ti­ger Anbie­ter bei dem das dicke Ende dann eben hin­ter­her kommt. Ich sehe im Moment nicht, dass man hier aus den Feh­lern der Ver­gan­gen­heit lernt. Viel­mehr neh­me ich die Ten­denz wahr immer kom­ple­xe­re Dienst­leis­tun­gen der Wis­sens­ar­beit stan­dar­di­siert wie Schrau­ben einzukaufen.

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